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USA: Ron DeSantis könnte durch Trump-Ermittler Jack Smith gerettet werden

13.05.2023, USA, Cedar Rapids: Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, spricht während eines Empfangs der Republikaner von Iowa im The Hotel at Kirkwood Center in Cedar Rapids, Iowa. Eine Open-Air-Wahlk ...
Ron DeSantis verkündete in der Nacht zum Donnerstag via Twitter gemeinsam mit Elon Musk seine Präsidentschaftskandidatur.Bild: The Gazette via AP / Nick Rohlman
Analyse

Jetzt muss Ron DeSantis auf den Sonderermittler hoffen

Der Möchtegern-Präsident aus Florida hat seinen Wahlauftakt vermasselt – und zwar so was von!
26.05.2023, 15:45
Philipp Löpfe / watson.ch
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Noch vor einem Jahrzehnt war Florida ein sogenannter "purple" (lila) Bundesstaat, will heißen: Einmal gewannen die Demokraten, dann wieder die Republikaner. Barack Obama obsiegte im Sunshine State gleich zweimal, Joe Biden hegte berechtigte Hoffnung, es ihm gleichzutun. Daraus wurde nichts.

Donald Trump gewann in Florida deutlich, und sein Zögling, der Gouverneur Ron DeSantis, erzielte bei den Gouverneurs-Wahlen letztes Jahr mit 19 Prozentpunkten Vorsprung gar einen Erdrutsch-Sieg. Florida schien endgültig zu einem "roten" Bundesstaat geworden zu sein, zu einer Bastion der Republikaner.

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Florida als konservatives Vorbild

DeSantis und die Grand Old Party (GOP) haben jedoch weit höher fliegende Pläne. Florida soll zu einem konservativen Musterstaat, zu einer Blaupause für die gesamten USA umgemodelt werden.

Bevor der Gouverneur seine Kandidatur für das Weiße Haus offiziell machte, peitschte er deshalb eine ganze Reihe von Gesetzen durch das von den Republikanern dominierte Parlament: Die Abtreibung soll künftig nur noch in den ersten sechs Wochen der Schwangerschaft erlaubt sein, was de facto einem Verbot gleichkommt. Das Waffengesetz erlaubt auch das Tragen von verdeckten Waffen. Lehrer dürfen in der Schule die Genderfrage nicht mehr thematisieren. Linke Hochschulen werden in konservative Universitäten umgepolt.

DeSantis profiliert sich so als Kämpfer im Kulturkrieg. "Florida ist der Bundesstaat, in dem Woke zum Sterben verurteilt ist", pflegt er zu prahlen. Er scheut auch nicht davor zurück, sich als Kämpfer für den kleinen Mann zu geben und sich mit Big Business, sprich Disney Corp., anzulegen. Kurz: DeSantis war nicht nur der gelehrigste Schüler von Trump, er schien bis vor kurzem auch sein idealer Nachfolger zu sein.

So weit der Plan. Doch wie sagte doch Box-Champion Mike Tyson einst vor einem wichtigen Fight so treffend: "Jeder hat einen Plan – bis er eins aufs Maul kriegt." Und DeSantis hat am Mittwoch aufs Maul gekriegt, dass es krachte. Sein offizieller Wahlkampfauftakt mit Twitter und Elon Musk war ein vollkommenes Desaster. Selbst der ihm sonst so wohlgesinnte TV-Sender Fox News machte sich darüber lustig und zeigte sich offen schadenfreudig.

Tatsächlich erinnert der Twitter-Auftritt von DeSantis und Elon Musk schmerzhaft an die Zeit der Zoom-Meetings, in denen die Teilnehmer oft viel Zeit vor eingefrorenen Bildschirmen vertrödelten. Schlimmer als die technischen Pannen ist jedoch die Tatsache, dass auch die Defizite des Plans von DeSantis schonungslos aufgedeckt wurden. Für viele Polit-Auguren ist der Gouverneur aus Florida damit bereits "toast", wie sich die Amerikaner ausdrücken, will heißen: erledigt.

Ergibt ein "Trump mit Gehirn" überhaupt Sinn?

Das dürfte ein bisschen verfrüht sein. Bis zum November 2024 kann noch sehr viel passieren, und in der Politik hat die Boxerweisheit – "they never come back" – nur bedingt Gültigkeit. Das hat zuletzt etwa Joe Biden bei den letzten Primärwahlen bewiesen. Ihn hatte man nach den Niederlagen in Iowa und New Hampshire ebenfalls abgeschrieben, bis er in South Carolina ein triumphales Comeback feierte.

Will DeSantis sich jedoch noch Chancen auf das Weiße Haus ausrechnen, muss er gründlich über die Bücher und seinen Plan revidieren. Er muss sich fragen: Ergibt es wirklich Sinn, den "Trump mit Gehirn" zu geben? Erstens bevorzugen die meisten Wähler das Original, und zweitens macht gerade die Tatsache, dass Trump kein Gehirn hat, ihn für seine Basis so attraktiv. Mit ihm können sie sich identifizieren, er unterhält sie und bringt Action in ihren langweiligen Alltag.

Der roboterhafte DeSantis hingegen mag zwar intelligenter und fleißiger sein, doch er verfügt über null Charisma und man spürt geradezu physisch, dass er Menschen eigentlich nicht mag. Er ist zwar mit 44 Jahren deutlich jünger als der 76-jährige Trump, doch irgendwie wirkt er älter.

Sein "Ich-bin-ein-vorbildlicher-Familenvater"-Gehabe, seine Religiosität – ob gespielt oder echt –, das alles ist so was von retro, von Sechziger-, ja Fünfzigerjahre. Dazu kommt, wie es Charles Blow in der "New York Times" formuliert: "Trumpismus ohne Trump ist wie der Versuch, das Christentum ohne Christus zu verkünden."

Bob Iger arrives at the Oscars on Sunday, March 12, 2023, at the Dolby Theatre in Los Angeles. (Photo by Jordan Strauss/Invision/AP)
Fordert Ron DeSantis zum Duell heraus: Disney-CEO Bob Iger.Bild: Invision / Jordan Strauss

Mit seinem Kulturkampf gegen Micky Maus hat er sich zudem selbst in eine Ecke gemalt. Disney ist alles andere als eine Woke-Company und CEO Bob Iger leidet nicht wirklich unter einem Minderwertigkeitskomplex. Im Stile von Clint Eastwood – "Make my day" – fordert er DeSantis offen heraus. Bisher hat Iger in diesem Duell die Oberhand behalten.

Er hat ein Milliardenprojekt in Florida kurzerhand abgesagt, und nun muss DeSantis seinen Wählern erklären, weshalb er nicht nur den größten Arbeitgeber in seinem Bundesstaat vergrault, sondern auch auf 2000 Jobs verzichtet.

Nach den für die Republikaner so enttäuschend ausgefallenen Zwischenwahlen fiel Trump in ein Formtief. Verschiedene Umfragen sahen DeSantis gegenüber dem Ex-Präsidenten im Vorsprung. Das hat sich gründlich verändert. Bei den aktuellen Umfragen hat Trump mit mehr als 30 Prozentpunkten wieder die Nase vorn. Was kann der Gouverneur aus Florida dagegen tun?

Er könnte beispielsweise Trump endlich frontal angreifen. Doch dafür fehlt ihm nicht nur der Mut, es wäre auch politischer Selbstmord. Wer dem Ex-Präsidenten an den Karren fährt, ist bei dessen Basis augenblicklich erledigt und hat damit null Chancen mehr.

CORRECTS BYLINE TO PETER DEJONG, INSTEAD OF ROBIN VAN LONKHUIJSEN - FILE - Prosecutor Jack Smith waits for the start of the court session of Kadri Veseli's initial appearance at the Kosovo Specia ...
Wann wird er Trump anklagen? Sonderermittler Jack Smith.Bild: Pool AP / Peter Dejong

DeSantis wird jedoch so schnell nicht das Handtuch werfen (letzte Boxer-Metapher, versprochen). Er hat rund 200 Millionen Dollar für die Primärwahlen auf der Bank und will demnächst 2000 Wahlhelfer auf die Nation loslassen. Gleichzeitig will er anscheinend seinen Plan abändern: Er will neuerdings Trump rechts überholen. Das ist nicht nur brandgefährlich, sondern ebenfalls riskant. Der Ex-Präsident ist selbst so weit nach rechts gedriftet, dass da kaum mehr Raum übrig bleibt.

Die größten Hoffnungen muss DeSantis wohl auf Jack Smith setzen, den vom Justizminister Merrick Garland eingesetzten Sonderbeauftragten. Dieser ermittelt, ob Trump im Vorfeld des 6. Januars 2021 und in Sachen Geheimdokumente kriminelle Handlungen begangen hat und deswegen angeklagt werden soll.

Derzeit stehen die Zeichen auf Anklage. Trumps Anwälte haben soeben beim Justizminister einen Brief eingereicht, in dem sie um eine Audienz bitten. Das wird als deutliches Zeichen dafür gewertet, dass der Sonderermittler kurz davor steht, Anklage gegen den Ex-Präsidenten zu erheben. Gleichzeitig verdichten sich die Gerüchte, dass Mark Meadows, Trumps ehemaliger Stabschef, die Seiten gewechselt hat und nun gegen seinen ehemaligen Boss aussagen will.

Die juristische Lage für den Ex-Präsidenten hat sich somit in den letzten Tagen derart verschlimmert, dass Ty Cobb, der ehemalige Anwalt des Weißen Hauses, gegenüber CNN erklärt hat: "Er wird in den Knast wandern." William Barr, Trumps ehemaliger Justizminister, teilt diese Einschätzung.

Nun könnte Trump theoretisch gar aus dem Gefängnis eine Wiederwahl anstreben. Ob die GOP auch dabei noch mitmachen würde, ist fraglich. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dann würden die Republikaner Trump möglicherweise fallen lassen und auf den Klon mit Gehirn überwechseln. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist derzeit aber noch sehr überschaubar.

US-Wahl und die Spaltung der Gesellschaft: Was Deutschland daraus lernen sollte

Seit der US-Wahl steht fest: Donald Trump wird erneut ins Amt des US-Präsidenten zurückkehren. Spannend war das Rennen ums Weiße Haus allemal. Doch es war ein Wahlkampf, der von starker Polarisierung und emotionaler Abneigung zwischen den beiden politischen Lagern geprägt war. Er hat die gesellschaftlichen Gräben in den Vereinigten Staaten weiter vertieft.

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