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LGBTQ-Rechte in Gefahr: Kippt der Supreme Court als nächstes die Ehe für alle?

In den USA könnte der Oberste Gerichtshof die Ehe für alle anfechten.
In den USA könnte der Oberste Gerichtshof die Ehe für alle anfechten. Bild: IMAGO / ZUMA Wire / Valeria Ferraro
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So düster steht es um die Zukunft der LGBTQ-Rechte in den USA

25.07.2022, 18:5026.07.2022, 09:13
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In den USA fürchten Menschen um ihre Grundrechte: Ende Juni hat der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) das Abtreibungsgesetz in den USA gekippt. Bei vielen sitzt der Schock noch tief, dabei geht es jetzt erst richtig los. Das behauptet die US-Expertin Annika Brockschmidt, die auf Twitter warnt: Schaut in die USA, bevor es zu spät ist.

An manchen Tagen habe sie noch Hoffnung, dass Europa erkennt, was in den USA passiert. Die Ereignisse überschlagen sich: Als nächstes sollen die LGBTQ-Rechte in den Fokus des Supreme Court rücken.

Supreme Court könnte gleichgeschlechtliche Ehen kippen

LGBTQ-Aktivistinnen und -Aktivisten sind alarmiert und bereiten sich darauf vor, dass der Supreme Court möglicherweise die Ehe für alle aufhebt, berichtet der Journalist John Russell im Online-Nachrichtenmagazin "LGBTQ Nation".

Die konservativen Richter am Supreme Court wollen Amerika verändern, unter anderen Clarence Thomas (vorne 2.v.l.).
Die konservativen Richter am Supreme Court wollen Amerika verändern, unter anderen Clarence Thomas (vorne 2.v.l.).Bild: picture alliance / abaca / Pool / Schaff Erin

Grund zu dieser Annahme sei unter anderem die ausdrückliche Forderung von Richter Clarence Thomas, der Supreme Court solle Obergefell v. Hodges erneut prüfen.

Obergefell v. Hodges
Obergefell v. Hodges ist die Sammelbezeichnung für vier vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten verhandelte Fälle zur staatlichen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2015. Seit dem Entscheid über das Abtreibungsgesetz steht ebenfalls der Fall Roe v. Wade im Fokus. Er war eine Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht, die der Supreme Court 1973 beschloss und nun gekippt hat.

Abtreibung, Klimaschutz, Waffenrecht und jetzt die Ehe für alle: Das höchste US-Gericht will seine konservative Agenda durchsetzen. Ein gefährliches Erbe des ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Er hat die konservativen Richter Brett Kavanaugh und Neil Gorsuch für das Amt nominiert , die darauf für den Posten bestätigt wurden – auf Lebenszeit.

Nachdem 2020 dann die liberale, feministische Richterin und Ikone Ruth Bader Ginsburg verstarb, durfte Trump zum dritten Mal eine Nominierung einreichen. Seine Entscheidung fiel auf die strenggläubige, konservative Katholikin Amy Coney Barrett.

Ex-Präsident Donald Trump trifft sich mit Richterin Amy Coney Barrett und ihrer Familie im Oval Office. Zwei ihrer sieben Kinder sind adoptiert.
Ex-Präsident Donald Trump trifft sich mit Richterin Amy Coney Barrett und ihrer Familie im Oval Office. Zwei ihrer sieben Kinder sind adoptiert.Bild: IMAGO / Everett Collection

Schon damals läuteten bei vielen Experten die Alarmglocken: Denn Barrett stimmte nicht nur vehement für ein Abtreibungsverbot, sondern auch für die Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Stattdessen setzt sie sich für Waffenbesitz und ein traditionelles Familienbild ein.

Für viele konservative, strenggläubige Amerikaner passen homosexuelle Ehen nicht in ihr traditionelles Weltbild.
Für viele konservative, strenggläubige Amerikaner passen homosexuelle Ehen nicht in ihr traditionelles Weltbild. Bild: IMAGO / Shotshop

US-Kongress will Ehen für alle per Gesetz schützen

Das US-Repräsentantenhaus ist das Pendant zum deutschen Bundestag. Dort vertreten die Abgeordneten das Volk. Vergangenen Mittwoch stimmten sie dafür, das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe per Bundesgesetz zu schützen. Dadurch kann der Supreme Court es nicht kippen.

"Respect for Marriage Act" – Respekt für das Ehegesetz – heißt der Gesetzesentwurf, der am vergangenen Dienstag überparteilich mit 267 zu 157 Stimmen verabschiedet wurde. Alle Gegenstimmen stammten von Republikanern, 47 ihrer Parteikollegen votierten jedoch für die Vorlage.

US-Präsident Joe Biden sieht das Grundrecht auf Privatsphäre – bis hin zur Heirat mit der Person, die man liebt – als gefährdet und begrüßt den Schritt des Supreme Court, das Recht jedes Amerikaners auf Eheschließung gesetzlich zu kodifizieren.

Allerdings stehen die Chancen schlecht, dass der Senat das Gesetz aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse durchwinken wird.

LGBTQ-Community reagiert empört aber nicht überrascht

Durch den Fall Roe v. Wade wurde die Grundlage geschaffen, dass weitere Präzedenzfälle zukünftig untergraben oder rückgängig gemacht werden, erklärt Julianna Gonen gegenüber watson. Sie arbeitet am Nationalen Zentrum für Lesbenrechte (NCLR) in den USA. Als Direktorin von NCLR überwacht und fördert sie LGBTQ-Rechte auf US-Bundesebene.

Sehr beunruhigend für Gonen sei die Aussage des Richters Clarence Thomas. "Er fordert den Supreme Court auf, weitere Entscheidungen zu überdenken, die folgende Grundrechte anfechten würden: die freie Verwendung von Verhütungsmitteln, die Freiheit auf gleichgeschlechtliche Intimität und Eheschließung." Laut der Politikwissenschaftlerin und Juristin sei es sehr wahrscheinlich, dass sich Gegner der Homoehe und der LGBTQ-Rechte durch das Abtreibungsverbot des Supreme Courts ermutigt fühlen, diese Rechte zu untergraben und auszuhöhlen.

Dennoch überrascht Gonen die aktuelle Entwicklung nicht:

"Die rechten Kräfte arbeiten seit Jahren daran, die Bundesgerichte mit Konservativen zu füllen. Als der Supreme Court zustimmte, die Anfechtung des Abtreibungsgesetzes in Mississippi anzuhören, war klar, dass Roe (Anm. d. Red. die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht) zum Scheitern verurteilt war, da der einzige Grund, diesen Fall anzunehmen, darin bestehen würde, diesen Präzedenzfall ernsthaft zu untergraben oder aufzuheben."
Zwei Männer halten sich während der Pride-Parade in New York City an den Händen.
Zwei Männer halten sich während der Pride-Parade in New York City an den Händen.Bild: IMAGO / Pacific Press Agency / Lev Radin

Was gleichgeschlechtlichen Ehepaaren bevorsteht

Wenn der Supreme Court die Ehe für alle kippt, werde das gleichgeschlechtliche Ehen nicht sofort illegal oder ungültig machen, meint Gonen. Es sei ähnlich wie bei dem Abtreibungsverbot: Jeder US-Bundesstaat besitze dann die Freiheit, selbst zu entscheiden. In einigen Staaten wäre dann die Ehen für alle noch erlaubt und in anderen verboten.

"Wir wissen aus Umfragen, dass die Mehrheit der US-Amerikaner die Gleichstellung der Ehe befürwortet, und dennoch führen uns die politischen Entscheidungsträger in die Irre."

"Dieser Sachverhalt würde einige neuartige und komplexe rechtliche Fragen aufwerfen", erklärt Gonen. Beispielsweise, ob eine in einem Staat geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe in einem anderen Staat gültig bleibe, der diese verbietet.

Weiter sagt Gonen über die juristische Lage:

"Es ist unwahrscheinlich, dass in Staaten mit Verboten für Homoehen bereits bestehende gleichgeschlechtliche Ehen ungültig werden. Dennoch könnten sich Regierungsbeamte und Akteure des privaten Sektors in diesen Staaten weigern, solche Ehen anzuerkennen. Es ist nicht klar, wie solche Klagen vor Gericht abschneiden würden."

Eine Demokratie höhlt sich aus

Das Problem: Aufgrund struktureller Merkmale des amerikanischen Wahlsystems können konservative Politikerinnen und Politiker, die eindeutig Minderheitenansichten vertreten, die Macht auf Landes- und Bundesebene erlangen. "Wir wissen aus Umfragen, dass die Mehrheit der Amerikaner die Gleichstellung der Ehe und das Recht auf Abtreibung befürwortet, und dennoch führen uns die politischen Entscheidungsträger in die Irre", sagt Gonen.

Die mehrheitlich konservativen Richter des Obersten Gerichtshofs könnten mit weiteren Entscheidungen die Demokratie in den USA aushöhlen. Der Präsident Joe Biden reagiert alarmierend und bezeichnet den Supreme Court als "extremistisch".

Am Samstag wehte die Regenbogenflagge am Reichstagsgebäude anlässlich des Christopher Street Day.
Am Samstag wehte die Regenbogenflagge am Reichstagsgebäude anlässlich des Christopher Street Day.Bild: IMAGO / Fotostand / Fotostand Reuhl

USA braucht Halt aus Deutschland und Europa

Europa kann das politische Geschehen in den USA nicht direkt beeinflussen. Eines der wichtigsten Dinge, die derzeit zu Gunsten der LGBTQ-Rechte wirken, sei die öffentliche Meinung. Gonen ruft Verbündete aus Deutschland und Europa auf, sich weiterhin gegen das Geschehen in den USA auszusprechen.

"Wir müssen diese konservativen Politiker und ihre Unterstützer in eine defensive Position drängen", sagt sie. Gemeinsam könnten wir den Bogen des moralischen Universums weiter in Richtung Gerechtigkeit biegen.

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