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Shinzo Abe: Tod des japanischen Ex-Präsidenten erschüttert die Welt

Shinzo Abe erlag noch am Freitag im Krankenhaus einer Schussverletzung.
Shinzo Abe erlag noch am Freitag im Krankenhaus einer Schussverletzung. Bild: ASSOCIATED PRESS | Kaname Yoneyama
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Tödliche Schüsse auf Shinzo Abe: Attentat auf Japans Ex-Regierungschef erschüttert die Welt

08.07.2022, 15:4608.07.2022, 17:40
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Attentat auf den Ex-Präsidenten Japans: In der Mittagszeit des 8. Juli fallen in der japanischen Stadt Nara Schüsse. Sie treffen den früheren Regierungschef Shinzo Abe. Einige Stunden später folgt die Meldung: Der 67-Jährige ist tot. Der frühere japanische Ministerpräsident Shinzo Abe wurde Opfer eines brutalen Mordanschlags.

Diese Tat lässt die Welt fassungslos zurück.

Die dramatischen Szenen

Der japanische Ex-Regierungschef Shinzo Abe hielt am Freitag gerade eine Rede auf einer Wahlkampfveranstaltung, als es um 11.30 Uhr Ortszeit passierte: Medienberichten zufolge feuerte ein Mann zweimal mit einer selbstgebauten Schusswaffe auf den früheren Regierungschef. Der rechtskonservative Politiker brach daraufhin zusammen, blutete in der linken Brust und am Hals.

Während einer Rede bei einem Wahlkampfauftrit wurde Abe Shinzo erschossen.
Während einer Rede bei einem Wahlkampfauftrit wurde Abe Shinzo erschossen.Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Masanori Genko

Auf Videoaufnahmen von Reportern sind die beiden Schüsse zu hören. Am Tatort spielten sich dramatische Szenen ab. Helfer führten an dem auf der Straße liegenden Abe erste Herzmassagen durch, bevor er in ein Krankenhaus gebracht wurde. Auf dem Weg ins Krankenhaus soll der Politiker noch bei Bewusstsein gewesen sein.

Der mutmaßliche Täter

Tatverdächtig ist ein 41 Jahre alter Japaner, der noch am Tatort festgenommen wurde. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie der Mann zu Boden gestürzt wurde. Bei dem Attentäter soll es sich um ein 41 Jahre altes früheres Mitglied der Selbstverteidigungsstreitkräfte Japans handeln, hieß es.

Er sei "unzufrieden" mit Abe und habe ihn "töten" wollen, wurde der Mann nach seiner Festnahme vom Fernsehsender NHK zitiert. Laut anderen Berichten sagte er, er habe "keinen Groll gegen Abes politische Überzeugungen".

Der Tatverdächtige wurde noch vor Ort zu Boden gestürzt und festgenommen.
Der Tatverdächtige wurde noch vor Ort zu Boden gestürzt und festgenommen. Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Takashi Yamazaki

Abes politischer Stil

Abe regierte Japan von Dezember 2012 bis September 2020, er war damit der am längsten amtierende Premier des Landes. Unter ihm rückte Japan nach Meinung von Kritikern deutlich nach rechts. Der 67-Jährige gehörte zu den entschiedenen Verfechtern einer Revision der pazifistischen Nachkriegsverfassung des Landes. Im Artikel 9 der Verfassung verzichtet Japan "für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten".

Abe glaubte, dass Japans Verfassung nicht der einer unabhängigen Nation entspricht, da sie 1946 von der Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei. Es wird erwartet, dass seine Partei LDP bei den Oberhauswahlen einen haushohen Sieg erringen wird und danach die Debatte um eine Verfassungsänderung an Fahrt gewinnen könnte.

"Abenomics": Abes eingeschlagener Weg aus der Wirtschaftskrise

Wirtschaftlich wollte Abe mit seiner "Abenomics" getauften Wirtschaftspolitik aus billigem Geld, schuldenfinanzierten Konjunkturspritzen und dem Versprechen von Strukturreformen Japan aus der jahrzehntelangen Deflation und Stagnation führen. Zwar hat die Nummer Drei der Weltwirtschaft unter Abe zwischenzeitlich die längste Wachstumsphase seit Jahren erlebt. Zudem kurbelte er den Tourismus an, der vor der Corona-Pandemie viel Geld ins Land brachte. Gleichzeitig aber habe die "Abenomics" dazu geführt, dass die Gewinne in den vergangenen Jahren ungleich verteilt worden seien, beklagten Kritiker. Ein Drittel aller Beschäftigten ist ohne Festanstellung.

Der Schock im Land

Der Anschlag geschah kurz vor den Wahlen zum Oberhaus des Parlaments an diesem Sonntag. "Es ist ein Angriff auf die parlamentarische Demokratie und kann nicht toleriert werden", sagte der Präsident des Abgeordnetenhauses, Hiroyuki Hosoda. Abes Nachfolger und Parteifreund Fumio Kishida verurteilte den Anschlag aufs "Schärfste". Er hatte zuvor einen Wahlkampfauftritt in der nördlichen Präfektur Yamagata abgebrochen und war im Hubschrauber zu seinem Amtssitz in Tokio zurückgekehrt.

Zahlreiche Menschen legen in der Nähe des Tatorts Blumen nieder, um dem Ex-Präsidenten seine Ehre zu erweisen.
Zahlreiche Menschen legen in der Nähe des Tatorts Blumen nieder, um dem Ex-Präsidenten seine Ehre zu erweisen.Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Osamu Kanazawa

Der Anschlag in einem der sichersten Länder der Welt, das über äußerst scharfe Waffengesetz verfügt, schockierte die Menschen in Japan zutiefst. "Gewalt gegen politische Aktivitäten ist absolut inakzeptabel", sagte ein Vertreter der Kommunistischen Partei Japans, für die Abes nationalistische Politik immer ein rotes Tuch war.

Die internationalen Reaktionen

Auch Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich bestürzt. "Ich bin schockiert über die Nachricht, dass Shinzo Abe niedergeschossen wurde", erklärte die Grünen-Politikerin auf Twitter. "Meine Gedanken sind bei ihm und seiner Familie", hieß es in der auf Englisch verfassten Botschaft weiter.

Baerbock hält sich derzeit beim Treffen der G20-Außenminister auf Bali auf. Dort äußerte auch US-Außenminister Antony Blinken tiefe Trauer und Besorgnis. "Unsere Gedanken, unsere Gebete sind mit ihm, mit seiner Familie, mit Japans Volk", sagte Blinken nach Angaben der "New York Times".

Auch Altkanzlerin Angela Merkel, die bei zahlreichen Gelegenheiten mit Abe auf der internationalen Bühne zusammentraf, äußerte sich bestürzt: "Sein Wort hatte Gewicht. Seine Entscheidungen waren verlässlich. Sein Humor half, Widerstände zu überwinden. Er war mir ein enger Kollege und Freund", so die CDU-Politikerin.

Merkel und Abe trafen oft aufeinander, so wie hier in Biarritz im Jahr 2019
Merkel und Abe trafen oft aufeinander, so wie hier in Biarritz im Jahr 2019 bild: picture alliance/dpa/MAXPPP

IOC-Präsident Bach: "Einen tapferen Unterstützer verloren"

IOC-Präsident Thomas Bach hat nach dem Attentat auf den früheren japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe dessen Familie und dem japanischen Volk sein Beileid ausgesprochen. "Japan hat einen großen Staatsmann verloren, und das IOC hat einen tapferen Unterstützer und einen guten Freund der olympischen Bewegung verloren", sagte Bach am Freitag in einer Mitteilung des Internationalen Olympischen Komitees.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen verurteilte den Anschlag. Abe sei nicht nur ihr guter Freund, sondern auch Taiwans stärkster Freund, der die demokratische Inselrepublik seit Jahren unterstützt habe, schrieb Tsai auf Facebook. Der ehemalige Regierungschef habe keine Mühen gescheut, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu fördern.

(ast/ mit Material von dpa)

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