Nancy Pelosi zu Besuch in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans.Bild: Imago / ZUMA Wire
Nah dran
03.08.2022, 14:1403.08.2022, 15:13
Die Welt blickt gespannt auf Asien.
Denn die Sorge, dass es dem südöstlich von China gelegenen Inselstaat Taiwan bald ähnlich ergehen könnte, wie der Ukraine, gibt es bereits seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges. Jetzt, mit dem Besuch Nancy Pelosis in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, steigern sich diese Bedenken.
China hat den USA und vor allem Taiwan mit Vergeltung gedroht. Schon vor der Ankunft der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses machte der chinesische Präsident Xi Jinping seinem amerikanischen Amtskollegen Joe Biden klar: "Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um."
Doch wie blicken die Menschen vor Ort auf den schwelenden Konflikt? Darüber hat watson mit Huang Pei-Wei gesprochen. Der 31-jährige Taiwanese lebt in der Nähe der Hauptstadt Taipeh.
Zu Beginn des russischen Krieges in der Ukraine teilte er bereits mit watson seine Einschätzungen. Schon damals sagte er, die meisten Taiwanesen schenkten den Drohungen Chinas keinen Glauben. Manche hätten Bedenken, aber die Mehrheit gehe zurzeit nicht von einem Angriff Chinas aus. "Vielleicht irgendwann in der Zukunft, aber nicht jetzt."
Nun hat sich die Lage durch die Provokationen Chinas verschärft. Doch laut dem jungen Taiwanesen gehen die Menschen vor Ort noch immer recht entspannt mit der Situation um.
Er sagt gegenüber watson:
"Unsere Medien sagen, dass Pelosi und ihre Landsleute uns unterstützen und China deshalb wütend ist. Die Volksrepublik droht, dass sie gegen uns kämpfen werden, wenn Pelosi und Tsai sich treffen – aber da China uns seit 20 Jahren bedroht, sind wir gerade nicht wirklich besorgt."
Huang Pei-Wei lebt in der Nähe von Taipeh, der Hauptstadt Taiwans.bild: privat
Pei-Wei geht nicht davon aus, dass China zeitnah einen Krieg starten wird, trotzdem empfindet er die ansteigende Spannung als bedrohlich. Und trotzdem: "Ich persönlich glaube aber nicht, dass diese Drohung aktuell die große Sorge der Taiwanesen ist." Er gehe, wie viele seiner Landsleute, davon aus, dass der Westen nun seine Beziehungen zu China und Taiwan überdenkt – "und sich für die richtige Seite entscheidet: Taiwan".
China fühlt sich derweil auf die Füße getreten. Die Volksrepublik sieht die Ein-China-Politik durch den Zwischenstopps Pelosis auf ihrer Asienreise verletzt. Pelosi ist die drittwichtigste Politikerin der Vereinigten Staaten – sie ist die erste hochrangige US-Politikerin seit über 20 Jahren, die Taipeh besucht.
Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als "abtrünnige Provinz", die wieder in das Mutterland integriert werden müsste. Sollte sich das Land für unabhängig erklären, werde China militärische Schritte gegen Taiwan einleiten. Im Jahr 2005 setzte die Volksrepublik das "Anti-Abspaltungsgesetz" in Kraft.
Die taiwanesische Demokratische Fortschrittspartei (DPP) sieht allerdings gar keine Unabhängigkeitserklärung vor. Die DPP stellt die amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen, die Pelosi getroffen hat. Taiwan ist aus Sicht der Partei bereits eine "Republik" – daher ist für sie eine Loslösung von China unnötig.
Der chinesische Präsident Xi Jinping bei einer Zeremonie Anfang Juli.Bild: IMAGO / ZUMA Wire
Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Präsidentin Tsai Ing-wen erklärte die US-Spitzenpolitikerin, dass die USA "immer an der Seite Taiwans stehen" würden. Der Besuch ihrer Kongress-Delegation zeige, "dass wir unsere Verpflichtungen gegenüber Taiwan nicht aufgeben werden".
Mit einem indirekten Hinweis auf die Drohungen der kommunistischen Führung in Peking gegen Taiwan sagte Pelosi: "Mehr als je zuvor ist die amerikanische Solidarität entscheidend." Die Unterstützung in den USA für Taiwan sei parteiübergreifend. "Heute steht die Welt vor der Wahl zwischen Demokratie und Autokratie", sagte Pelosi und lobte Taiwan als "eine der freiesten Gesellschaften der Welt".
Nancy Pelosi zu Besuch bei der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen.Bild: IMAGO / / ZUMA Wire
Taiwans Präsidentin sagte währenddessen, der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe das Augenmerk auf den Konflikt mit China um Taiwan gelenkt. Dieser habe Auswirkungen auf die Sicherheit in der Asien-Pazifik-Region. "Taiwan wird nicht klein beigeben", sagte Tsai unter Hinweis auf die Bedrohung durch China. "Wir werden tun, was immer notwendig ist, um unsere Selbstverteidigungsfähigkeiten zu stärken."
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hatte im Februar und März auch die Menschen in Taiwan in Alarmbereitschaft versetzt. Anfangs scannten die Menschen in Taiwan laut dem 31-jährigen Pei-Wei jeden Tag die Nachrichten zum Krieg. Mittlerweile verfolgten er und viele Menschen, die er kenne, den Krieg nicht mehr so intensiv. Aber er hoffe noch immer, dass die Ukraine am Ende gewinnt. Er sagt:
"Der Krieg und das Virus treffen die Wirtschaft weltweit und die Preise werden immer höher – für Lebensmittel zum Beispiel. Das ist wirklich ein Problem für normale Menschen wie uns."
Mittlerweile hat Nancy Pelosi Taiwan wieder verlassen. Die Regierung in Washington erwartet nun längerfristige Reaktionen Chinas. Taiwan fürchtet eine See- und Luftblockade durch die angekündigten Manöver Chinas rund um die demokratische Inselrepublik.
Die Manöver sind das größte militärische Muskelspiel seit der Raketenkrise 1995, als China zur Einschüchterung Raketen über Taiwan geschossen hatte und die USA zwei Flugzeugträgergruppen entsandten.
(Mit Material von dpa)
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