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Ukraine: EU-Kandidat und Techno-DJ Zohki spielt in Kiew – dem Krieg zum Trotz

Sahak Ibrahimkhil liebt es, mit Techno-Beats als DJ die Menge zum Beben zu bringen.
Sahak Ibrahimkhil liebt es, mit Techno-Beats als DJ die Menge zum Beben zu bringen.Bild: Privat
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EU-Kandidat und DJ legt in der Ukraine auf – trotz Krieg und Risiko

09.04.2024, 19:36
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Sahak Ibrahimkhil ist DJ, in der Szene bekannt als Zohki. Und er ist Kandidat für die pro-europäische Partei Volt bei der Europawahl 2024. Normalerweise feiert er seinen Geburtstag in Düsseldorf, wo er mit Freunden, Szeneleuten und Partnern zusammen bei großen Partys das neue Lebensjahr einläutet.

In diesem Jahr war das anders. Er legte am Wochenende zu seinem Geburtstag in einem der besten Underground-Clubs in der Ukraine auf. Ohne Gage. Trotz Krieg und der ständigen Gefahr von Angriffen. Was ihn dazu bewegt hat und welche erschreckende Erkenntnisse er von diesem berührenden Erlebnis mitnimmt, darüber hat er mit watson gesprochen.

Sahak Ibrahimkhil Volt DJ
Sahak Ibrahimkhil ist Kandidat für Volt Deutschland für die Europawahl 2024. Und DJ.Bild: Sahak Ibrahimkhil

DJ Zohki legt trotz Krieg in der Ukraine auf

Für ein paar Tage war Sahak Ibrahimkhil in der Ukraine unterwegs. Mit dem Europaabgeordneten Damian Boeselager und einer Delegation von Volt reiste er nach Kiew. Dort wollte die Partei ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ausdrücken. Sie trafen sich mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und der Politik, "um Brücken zu bauen und zu stärken", wie es vonseiten der Partei heißt.

Diesen Besuch verknüpfte Sahak Ibrahimkhil mit einer besonderen Art der Solidaritätsbekundung.

Denn der 39-Jährige ist DJ, seit 20 Jahren in der Techno-Szene unterwegs. Mit seinen Beats legte er bereits international auf, etwa in vielen Städten in Europa und Asien, auch in Moskau. Nun hat sich Kiew in die Liste eingereiht. "Ich hatte schon zwischendurch mal Kontakt gehabt mit dem Club, aber aufgrund des Krieges war das ein bisschen schwieriger", erzählt der Europa-Kandidat.

EU-Kandidat und Techno-DJ lässt sich von dem Risiko nicht abschrecken

Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist für Kriegsverhältnisse relativ sicher. Der anstehende Besuch in dem Land hat ihn schließlich dazu veranlasst, in einem der bekanntesten Underground-Clubs der Ukraine, dem Kureni, spielen zu wollen. Trotz des Krieges. Trotz des Umstands, dass er eigentlich mit dem DJing wegen seiner politischen Ambitionen aufhören wollte. "Als ich gesehen hab, dass die Menschen trotzdem versuchen, ein normales Leben zu führen, habe ich gedacht: 'Okay, dann mache ich das'."

EU-Kandidat und Techno-DJ Zohki hat Erfahrung mit Krisengebieten.
EU-Kandidat und Techno-DJ Zohki hat Erfahrung mit Krisengebieten.bild: privat

Er bot dem Club Kureni schließlich an, ohne Gage aufzutreten. Dass der Termin auf seinen Geburtstag fiel, war ein reiner Zufall, für ihn jedoch kein Hindernis. Das Angebot war für die Location ein Glücksfall. "Sie waren absolut happy", erzählt er. Denn DJs sind in Kriegsgebieten nicht einfach zu finden. Die Bilder des Kriegsgeschehens schrecken internationale Künstler ab.

Doch Sahak Ibrahimkhil hat Erfahrung mit Krisengebieten, war etwa 2017 in Afghanistan. "Ich weiß, was mich in Kriegsgebieten erwarten kann." Mittlerweile sei die Stadt auch "leider gut darauf konditioniert", wie mit Angriffen oder Luftalarmen umzugehen sei.

Ukraine-Krieg: DJ und Europa-Kandidat gibt ein Stück Normalität

Ein mulmiges Gefühl blieb trotzdem: Ein Restrisiko besteht selbst in der relativ sicheren Hauptstadt weiterhin. "Ich war mir vollkommen bewusst, dass da was schiefgehen kann. Aber das war eine persönliche Abwägung für mich", erklärt Sahak Ibrahimkhil im Gespräch mit watson. Der Hauptgrund für seinen Auftritt: Menschen Hoffnung zu schenken.

Dazu sagt er:

"Das macht den Leuten vor Ort, besonders der Jugend und der Ravekultur, viel Hoffnung. Wenn sich jemand aus Deutschland bereit erklärt, dahin zu kommen und für sie zu spielen, vermittelt das ein bisschen das Gefühl von Normalität und Solidarität."
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Am Samstag dann setzte er die Pläne in die Tat um, zwei Stunden lang feierte er mit zahlreichen Ukrainer:innen zu Techno-Beats in dem Club. "Es war großartig", sagt der DJ. Es habe ihn sehr berührt, dass einige Fremde ihm sogar kleine Geschenke zu seinem Geburtstag gebracht hätten.

Ukraine: Party und Normalität nur durch Verteidigungssysteme möglich

Von seinem Besuch in der Ukraine nimmt er auch eine Erkenntnis mit:

"Es ist erschreckend zu sehen, wie normal und selbstverständlich der Krieg für die Menschen hier geworden ist. Sie sind auf Luftalarme stark konditioniert und helfen sich gegenseitig bei allem. Die Deutschen und Amerikaner werden wegen der Waffenlieferungen hier wie Helden angesehen."

Ibrahimkhil berichtet davon, dass jeder während des Ukraine-Besuchs davon gesprochen habe, wie wichtig das Luftverteidigungssystem IRIS-T und das Boden-Luft-Raketensystem Patriot sei und diese das bisschen Normalität erst ermöglichen. Sie hätten bereits tausende zivile Leben gerettet. Allerdings brauchen die Menschen im Land demnach "dringend mehr davon in anderen Städten, damit auch dort die Menschen geschützt werden können", sagt er.

Partys wie jene am Samstag im Kureni-Club sind an vielen anderen Orten in der Ukraine gar nicht erst möglich.

Kureni Club Kiew
In der Instagram-Story veröffentlichte der Club Videos vom Auftritt des DJs.Bild: Instagram / kurenikyiv

Bereits um 23 Uhr war wegen der Ausgangssperre ab 0 Uhr auch dort Schluss mit der Party. Vorher konnten die Feiernden gemeinsam mit DJ Zohki wenigstens "noch etwas Spaß und Normalität erleben", erzählt er. Die gemeinsamen Erinnerungen an ausgelassene Stunden kann den Feiernden niemand mehr nehmen.

Streit um Bordstein in Ukraine-Farben in Russland

Der Krieg in der Ukraine dauert bereits über zwei Jahren an und führt nicht nur zu massiven internationalen Spannungen. Auch innerhalb Russlands herrscht Unruhe wegen des Krieges, obwohl freie Meinungsäußerung schwierig ist. Der Protest in dem Land unter der Führung durch den Präsidenten Wladimir Putin zeigt sich mitunter öffentlich – denke man etwa an den getöteten Alexej Nawalny und seine Anhänger:innen.

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