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Evakuierung deutscher Staatsbürger hat begonnen – Opposition: "Zu spät"

16.08.2021, Niedersachsen, Wunstorf: Ein Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe startet am Morgen auf dem Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover. Angesichts des rasanten Vormarschs ...
Auf dem Weg nach Kabul: Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe startet am Morgen auf dem Fliegerhorst Wunstorf.Bild: dpa / Moritz Frankenberg
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Evakuierung deutscher Staatsbürger hat begonnen – Opposition: "Zu spät"

16.08.2021, 10:2316.08.2021, 12:39
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Die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus der afghanischen Hauptstadt Kabul hat begonnen. In der Nacht zu Montag landeten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 40 Mitarbeiter der deutschen Botschaft mit einem US-Flugzeug in Doha im Golfemirat Katar. An Bord der Maschine waren auch vier Angehörige der Schweizer Vertretung in Afghanistan.

Nach dem Einmarsch der Taliban in der afghanischen Hauptstadt versuchten am Montagmorgen tausende Menschen, einen Platz auf einem Evakuierungsflug zu bekommen. Es herrscht Chaos. US-Soldaten, die laut US-Regierung den Flughafen sichern, feuerten Schüsse in die Luft, um die Menge zu kontrollieren. Deutschland, die USA und andere westliche Staaten arbeiteten unterdessen mit Hochdruck daran, ihre Staatsbürger und afghanische Mitarbeiter auszufliegen.

Die militant-islamistischen Taliban hatten in den vergangenen Tagen in einem rasanten Tempo eine Stadt nach der anderen teilweise kampflos eingenommen, waren am Sonntag auch in die Hauptstadt Kabul eingedrungen und haben bereits den Präsidentenpalast in ihrer Kontrolle. Die Bundesregierung hatte angesichts der dramatischen Lage am Freitag entschieden, das Botschaftspersonal auf ein Minimum zu reduzieren. Am Sonntag wurden alle Mitarbeiter zum Flughafen gebracht, der von tausenden US-Soldaten abgesichert wird.

"Hunderte" Botschaftsmitarbeiter sind laut US-Angaben bereits außer Landes. Am Montag und in den Folgetagen sollten nach Angaben des Außenministeriums "tausende" in Afghanistan lebende US-Bürger, Ortskräfte der US-Vertretung in Kabul sowie deren Familien und andere "besonders gefährdete" Afghanen ausgeflogen werden. 67 Länder, darunter auch Deutschland, forderten die Taliban in einer Erklärung auf, alle ausreisewilligen Afghanen und Ausländer ausreisen zu lassen.

Der erste Evakuierungsflug wurde mit einer US-Maschine absolviert, da die Bundeswehr erst in der Nacht zu Montag Transportmaschinen vom Typ A400M vom niedersächsischen Wunstorf aus nach Kabul losschickte. Sie sollen in den nächsten Tagen zentraler Bestandteil einer "Luftbrücke" sein, über die neben den Botschaftsmitarbeitern auch andere deutsche Staatsbürger sowie Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder Bundesministerien in Afghanistan gearbeitet haben oder noch arbeiten, nach Deutschland gebracht werden sollen.

Mehr als 100 Deutsche – Zahl der Ortskräfte unklar

Die Gesamtzahl deutscher Staatsbürger, die bis Sonntag noch in Kabul waren, wurde auf mehr als 100 geschätzt. Um wieviele Ortskräfte es geht, war bis zuletzt unklar. Es ist auf jeden Fall eine Zahl im vierstelligen Bereich. Alleine in der staatlichen Entwicklungshilfe waren zuletzt noch 1100 Afghanen in deutschem Auftrag tätig. Hinzu kommen tausende ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr oder der Bundesministerien.

Die A400M-Maschinen der Bundeswehr, die Platz für 114 Passagiere bieten und über besonderen Schutz gegen Angriffe beispielsweise mit Raketen verfügen, fliegen die Betroffenen in ein "Drittland" aus, das von der Bundesregierung aus Sicherheitsgründen noch nicht genannt wird. Von dort geht es mit zivilen Maschinen weiter nach Deutschland.

Fallschirmjäger sichern Evakuierung ab

Die Evakuierungsaktion wird von Fallschirmjägern der Division Schnelle Kräfte der Bundeswehr unterstützt, die eine Spezialausbildung für solche Einsätze hat. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte den Einsatz am Sonntag als gefährlich bezeichnet. "Wir sind auf alle Szenarien eingerichtet", sagte sie.

US-Soldaten, die laut US-Regierung ebenfalls den Flughafen sichern, feuerten am Morgen Schüsse in die Luft, um die Menge schutzsuchender Afghanen zu kontrollieren, die am Morgen versuchten einen Platz auf einem Evakuierungsflug zu bekommen.

Die Menschenmenge erreichte auch das Rollfeld des Flughafens. "Ich habe sehr viel Angst. Sie feuern viele Schüsse in die Luft", sagte ein Zeuge der Nachrichtenagentur AFP am Montag. "Ich habe gesehen, wie ein junges Mädchen überfahren und getötet wurde", berichtete er weiter.

Dramatische Aufnahmen, die auf Online-Plattformen gepostet wurden, zeigten verzweifelte Zivilisten, die eine bereits überfüllte und verbogene Treppe hinaufkletterten, um ein geparktes Passagierflugzeug zu besteigen. Einige hingen mit den Händen am Treppengeländer.

Viele der Menschen wurden durch Gerüchte oder Falschmeldungen im Netz angezogen. "Ich habe auf Facebook gelesen, dass Kanada Asylanträge aus Afghanistan annimmt", sagte ein Mann, der laut eigenen Angaben Soldat in der afghanischen Armee war. Er sei deshalb in Gefahr: "Die Taliban haben es definitiv auf mich abgesehen", sagte er.

Maas: Sicherheit deutscher Staatsangehöriger hat "oberste Priorität"

Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte, dass die Machtübernahme der Taliban unmittelbar bevorstehe. In dieser Situation müsse die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen und der afghanischen Mitarbeiter der vergangenen Jahre "oberste Priorität haben.

Nach Angaben von Maas wird ein "operatives Kernteam" der Botschaft in Kabul am militärisch gesicherten Teil des Flughafens bleiben, um die Arbeitsfähigkeit der Botschaft zu erhalten und um die weiteren Evakuierungsmaßnahmen mit begleiten zu können. Das eigentliche Botschaftsgebäude wurde geschlossen.

Kabinett legt Mandat für Bundeswehreinsatz vor

"Wir setzen jetzt alles daran, unseren Staatsangehörigen und unseren ehemaligen Ortskräften eine Ausreise in den kommenden Tagen zu ermöglichen", sagte Maas. "Die Umstände, unter denen das stattfinden kann, sind aber derzeit schwer vorherzusehen." Deshalb stehe die Bundesregierung auch in einem engen Austausch mit den USA und anderen internationalen Partnern.

In der Kabinettssitzung an diesem Mittwoch soll das Mandat für den Bundeswehreinsatz beschlossen werden. Darüber unterrichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen telefonisch, wie die dpa aus Teilnehmerkreisen erfuhr. In der darauffolgenden Woche soll dann der Bundestag darüber beraten und entscheiden. Am 25. August kommt das Parlament ohnehin zu einer Sondersitzung zusammen, um die Hilfen für die Hochwassergebiete zu beschließen. Dann soll auch der Evakuierungseinsatz auf die Tagesordnung kommen. Bei Gefahr im Verzug können bewaffnete Bundeswehreinsätze wie in diesem Fall auch nachträglich vom Parlament mandatiert werden.

Opposition kritisiert späte Evakuierung

Am Tempo der Evakuierungsaktion gibt es massive Kritik aus der Opposition. Der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff sagte der "Welt" (Online Sonntag/Print Montag), Maas, Kramp-Karrenbauer und Innenminister Horst Seehofer (CSU) hätten "auf ganzer Linie versagt". Auch für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ist die Aktion zu spät angelaufen. "Man muss sich fragen, warum die Bundesregierung so überrascht wirkt vom schnellen Vorstoß der Taliban", sagte er der dpa. Die Bundesregierung müsse jetzt ganz schnell handeln.

Der Fraktionsgeschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, nannte das Agieren vor allem von Maas "skandalös". Korte warf dem Außenminister vor, damit Menschenleben zu gefährden. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte in der "Welt", die Bundesregierung habe den richtigen Zeitpunkt für die Evakuierung "verschlafen".

Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, hatte dagegen bereits am Sonntag Vorwürfe gegen Maas zurückgewiesen. "Heiko Maas leitet nicht nur den Einsatzstab zur Rettung der deutschen Staatsangehörigen und Botschaftskräfte, sondern hat sich in den letzten Wochen auch intensiv um die Ausreise der afghanischen Ortskräfte und weiterer Menschen, die über die Unterstützung der Bundeswehr hinaus vor Ort tätig sind, gekümmert." Zudem befinde er sich im ständigen Austausch mit den internationalen Partnern.

(nb/dpa)

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