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Trumps Friedensplan für Gaza: Experte sieht "bedenkliches Problem"

A Palestinian man carries bags of firewood after collecting them from the rubbish in Khan Younis, southern Gaza Strip, on Saturday, Nov. 15, 2025. (AP Photo/Abdel Kareem Hana)
Die Lage ist für die Zivilbevölkerung in Gaza weiterhin schwierig. Hinzu kommt die Ungewissheit.Bild: AP / Abdel Kareem Hana
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US-Friedenplan für Gaza: Konfliktforscher sieht "bedenkliches" Problem

Monatelang war der UN-Sicherheitsrat beim Gaza-Krieg blockiert – jetzt hat das mächtigste Gremium der Welt überraschend einen US-Friedensplan angenommen. Die Entscheidung weckt Hoffnung auf eine Waffenruhe, aber sie birgt auch enormes Konfliktpotenzial: Die Hamas lehnt ab, Israel zögert, und Millionen Menschen im Gazastreifen bangen weiter.
18.11.2025, 15:5118.11.2025, 15:51

Nach monatelanger Blockade hat der UN-Sicherheitsrat einem US-Friedensplan für Gaza zugestimmt. 13 der 15 Mitglieder votierten dafür, Russland und China verzichteten auf ein Veto, enthielten ihre Stimme: Es ist ein seltener Moment internationaler Einigkeit. Beobachter:innen sprechen von einem symbolträchtigen Signal, das der seit Jahren gelähmten Diplomatie neues Gewicht geben könnte.

Die Annahme der Resolution gilt als diplomatischer Erfolg für Washington. US-Präsident Donald Trump sprach von einem "Moment von wahrhaft historischem Ausmaß". Auf Truth Social schrieb er: "Dies wird als eine der größten Zustimmungen in die Geschichte der Vereinten Nationen eingehen …"

Während UN-Generalsekretär António Guterres den Beschluss als "wichtigen Schritt zur Konsolidierung der Waffenruhe" bezeichnete, reagierten die Kriegsparteien völlig gegensätzlich. Hamas lehnt die Resolution scharf ab, in Israel gibt es erhebliche Vorbehalte.

President Donald Trump greets UN Secretary-General António Guterres during a summit to support ending the more than two-year Israel-Hamas war in Gaza after a breakthrough ceasefire deal, Monday, Oct.  ...
Guterres und Trump sehen die Resolution als Erfolg.Bild: AP Pool / Evan Vucci

Für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bleibt die zentrale Frage offen: Führt die Entscheidung wirklich zu Frieden oder zu einer neuen Phase des Konflikts?

Konfliktforscher: Erfreuliches Zeichen, aber kein Garant für Frieden

Der Marburger Konfliktforscher Thorsten Bonacker bewertet die UN-Abstimmung auf Anfrage von watson zunächst als ein positives Signal: "Die Tatsache, dass es kein Veto gab, stärkt zunächst einmal den Friedensplan und erhöht auch den Druck auf diejenigen, die ihm skeptisch gegenüberstehen."

Zugleich sei es ein erfreuliches Zeichen, dass der Sicherheitsrat sich hier handlungsfähig zeige.

Für Bonacker verweist die Abstimmung darauf, dass die Vereinten Nationen keineswegs ein Auslaufmodell seien. Er betont: "Sie stellen nach wie vor alle Instrumente bereit, die für die Wahrung von Frieden und Sicherheit notwendig sind." Doch die Lage bleibt fragil – und hängt erneut stark von den beteiligten Akteur:innen ab.

"Sehr bedenklich": Hamas lehnt ab und droht mit Widerstand

Zentraler Bestandteil des US-Plans ist ein international überwachtes Übergangsmodell: Ein Gremium aus "unpolitischen Fachleuten" soll den Gazastreifen vorübergehend verwalten, kontrolliert durch ein internationales Aufsichtsgremium. Den Vorsitz für das sogenannte "Board of Peace" will Trump übernehmen.

Die Hamas wies den Plan entschieden zurück. Auf Telegram erklärte die Organisation: "Diese Resolution erfüllt nicht die politischen und humanitären Forderungen und Rechte unseres palästinensischen Volkes."

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Die Entwaffnung der Hamas wird als zentrales Element für Frieden angesehen.Bild: dpa / Abed Rahim Khatib

Sie sei ein Versuch, "eine internationale Treuhandschaft über das Gebiet zu verhängen", und die Entwaffnung bedeute den Verlust eines "legitimen Rechts" auf Widerstand. Für Bonacker verweist dies auf ein zentrales Problem: "Dass die Hamas die Resolution abgelehnt hat, mag nicht überraschen, ist aber sehr bedenklich. Denn am Ende steht und fällt der Plan mit der Entwaffnung der Hamas."

PA sieht Chance – trotz mangelnder Unterstützung in Bevölkerung

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) rief hingegen zur sofortigen Umsetzung auf. Sie hofft auf eine politische Aufwertung, trotz massiver Legitimitätsprobleme im eigenen Lager.

Bonacker ordnet ein: Die PA habe, strategisch klug, dem Plan zugestimmt, weil sie dadurch aufgewertet werden könnte. "Allerdings darf man auch nicht übersehen, dass sie unter der palästinensischen Bevölkerung sehr unbeliebt ist", sagt er gegenüber watson.

Möglich wäre nach Einschätzung Bonackers ein taktischer Kompromiss: "Denkbar ist auch, dass man versucht, der Hamas insoweit entgegenzukommen, dass sie leichte Waffen behalten darf."

Gaza: Israel zögert – und knüpft alles an die Stabilität der Waffenruhe

In Israel gab es bereits vor der Abstimmung Kritik am Plan, insbesondere wegen der Formulierung eines "glaubwürdigen Wegs zur palästinensischen Selbstbestimmung und Staatlichkeit". Die Regierung reagierte vorerst nicht öffentlich.

Entscheidend sei jetzt, ob der Waffenstillstand hält, so Bonacker: "Sollte die Hamas den Waffenstillstand brechen oder israelische Soldaten attackieren, wird Israel nicht zögern, erneut Angriffe zu starten."

Für die nächsten Wochen sieht der Konfliktforscher keine klar vorhersehbare Entwicklung: "Das ist zurzeit völlig offen und hängt im Wesentlichen davon ab, welchen Eindruck Israel von der Lage hat."

Er skizziert drei denkbare Wege:

  • Eskalation, falls es zu Angriffen auf israelische Kräfte kommt
  • fragiler Waffenstillstand, abhängig vom Verhalten der Hamas
  • politischer Übergang, falls internationale Truppen sicher operieren können

"Ein Knackpunkt" dürfte demnach sein, ob andere Staaten den Eindruck haben, dass die Soldaten für eine internationale Sicherung des Friedens, nicht bedroht sind. "Die meisten Staaten, die Truppen stellen sollen, haben schon signalisiert, dass sie dies nicht tun werden, wenn es zu weiteren Kämpfen kommt", erklärt Bonacker.

Die Resolution zeigt: Diplomatie kann noch etwas bewirken. Ob der Schritt ein Wendepunkt wird oder ein Kapitel weiterer Enttäuschungen, wird sich erst zeigen. Die Realität in Gaza bleibt brutal: Ohne Vertrauen, ohne Sicherheit, ohne glaubhafte politische Perspektive kann kein Plan Bestand haben.

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