Joe Biden (l-r), Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) bei einem gemeinsamen Treffen am Rande des G20-Gipfels.Bild: dpa / Oliver Weiken
International
31.10.2021, 09:1231.10.2021, 09:28
Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
ihr voraussichtlicher Nachfolger Olaf Scholz (SPD) haben beim
G20-Gipfel in Rom gemeinsam US-Präsident Joe Biden getroffen. Auf
Fotos ist zu sehen, wie die drei Politiker am Samstag auf Augenhöhe
um einen Tisch sitzen. Zuvor hatten die nur noch geschäftsführende
Regierungschefin und ihr Finanzminister zusammen mit Biden an einem
Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem
britischen Premierminister Boris Johnson zum Iran teilgenommen.
Anschließend forderten alle vier gemeinsam Teheran zu einer schnellen
Rückkehr in das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe
auf, um "eine gefährliche Eskalation zu vermeiden".
Beim eigentlichen Gipfel war die Bekämpfung der Corona-Pandemie
das Hauptthema. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi
stellte sich als G20-Vorsitzender hinter das Ziel der
Weltgesundheitsorganisation WHO, bis Mitte 2022 70 Prozent der
Bevölkerung aller Länder der Welt gegen das gefährliche Virus impfen
zu lassen. Man nähere sich jetzt schon dem Ziel, bis Ende Dezember 40
Prozent der Menschen zumindest eine Impfdosis zu geben. "Nun müssen
wir alles tun, um bis Mitte 2022 70 Prozent zu erreichen."
Draghi kritisierte die großen Unterschiede bei den
Impffortschritten. Während in reichen Staaten rund 70 Prozent der
Einwohner mindestens einmal geimpft seien, falle die Quote bei den
ärmsten Ländern auf drei Prozent. Diese Unterschiede seien "moralisch
nicht akzeptabel" und würden den weltweiten Kampf gegen die Pandemie
untergraben.
WHO fordert Gerechtigkeit bei Impfstoffverteilung
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus appellierte eindringlich an
die G20, zu handeln. "Wie viel mehr Menschen werden noch sterben, in
dieser und in künftigen Pandemien?", sagte er. "Die Antwort liegt in
Ihren Händen." Sieben Milliarden Impfdosen seien bislang verabreicht
worden, aber nur 0.4 Prozent davon in den Ländern mit niedrigen
Einkommen, 80 Prozent in den G20-Ländern. Jeder habe Verständnis
dafür, dass Regierungen zunächst ihre eigenen Bevölkerungen schützen
wollten. "Aber für Gleichheit bei der Impfstoffverteilung zu sorgen
ist kein Akt der Wohltätigkeit, es ist im besten Interesse jedes
Landes", sagte Tedros.
Die Gesundheits- und Finanzminister der G20 hatten sich bereits
bei ihrem Treffen am Freitag hinter das 70-Prozent-Ziel der WHO
gestellt. Unklar ist aber, was die wirtschaftsstarken Industrie- und
Schwellenländer genau tun wollen, um dieses Ziel zu erreichen. Nach
WHO-Angaben sind aktuell 48.7 Prozent der Weltbevölkerung mindestens
einmal geimpft. Das von der Universität Oxford unterstützte
Statistik-Portal "Our World in Data" gibt die Zahl der vollständigen
Impfungen mit 38 Prozent der Weltbevölkerung an.
China setzt Deutschland im Patent-Streit unter Druck
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach nach Angaben von
Teilnehmern in der Arbeitssitzung von einer moralischen Verpflichtung
zur Weitergabe von Impfstoffen und forderte die Umsetzung von
Spenden- und Lieferzusagen. Der per Video zugeschaltete chinesische
Staatschef Xi Jinping warb für Ausnahmen bei den Patenten für
Impfstoffe und setze damit Deutschland unter Druck. Die
Bundesregierung gilt als schärfster Gegner eines solchen Schritts.
Sie argumentiert, eine Aussetzung der Patente könnte die
Innovationsbereitschaft der Unternehmen bremsen.
Weißes Haus nennt Scholz Schulz
Merkel und Scholz absolvierten fast das ganze Gipfel-Programm
gemeinsam, trafen auch Argentiniens Präsidenten Alberto Fernández
sowie mit dem Premierminister Singapurs, Lee Hsien Loong. Das Weiße
Haus muss sich an den wahrscheinlich künftigen Kanzler noch gewöhnen.
In einer Mitteilung zu der Begegnung Bidens mit ihm wurde er Olaf
Schulz mit u statt o genannt.
Scholz selbst hatte den gemeinsamen Rom-Besuch mit Merkel als
Signal der Kontinuität in der deutschen Außenpolitik bezeichnet. Beim
Gipfel selbst war aber protokollarisch alles wie immer: Merkel saß
zusammen mit den Staats- und Regierungschefs am ovalen
Verhandlungstisch, die Finanzminister und damit auch Scholz nahmen
dahinter an Einzeltischen Platz.
Xi und Putin fehlen in Rom
Zwei wichtige Staatschefs fehlen in Rom: Xi und der russische
Präsident Wladimir Putin reisten wegen der Corona-Pandemie nicht an.
Vor allem für das zweite Hauptthema Klimaschutz ist das nicht ganz
unproblematisch: China ist der größte Produzent von klimaschädlichen
Treibhausgasen. Xi und Putin wollen sich aber immerhin per Video
zuschalten.
Insgesamt ist die G20 für mehr als drei Viertel der Emissionen
verantwortlich. Über neue Zusagen im Kampf gegen die Erderwärmung
gibt es weiter Uneinigkeit. Beim Gipfel ist der Klimaschutz erst am
Sonntag Topthema. Parallel beginnt im schottischen Glasgow die
Weltklimakonferenz, bei der es darum geht, wie das 2015 im Pariser
Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die gefährliche
Erderwärmung möglichst auf 1.5 Grad zu begrenzen.
Die G20 vereint knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung und vier
Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft. Merkel wird bei ihrem
letzten Gipfel auch von ihrem Ehemann Joachim Sauer begleitet. Er
nahm am Partnerprogramm teil, das unter anderem einen Besuch im
Kolosseum vorsah.
Tausende Menschen protestieren friedlich
Während des Treffens der Spitzenpolitiker im Süden Roms
protestierten in der Innenstadt Tausende Menschen gegen G20. Zunächst
blieben die Kundgebungen friedlich. Bei einem Demo-Marsch zog ein
Bündnis unter anderem mit Klima-Aktivisten und linken Gruppe knapp
zwei Kilometer durch die Stadt; auf der Strecke hatte die Polizei
Einfahrten und Brücken gesperrt. Einige Teilnehmer zündeten Bengalos
und Feuerwerk, die Polizei musste aber ebenso wenig einschreiten wie
bei einer fast parallelen Kundgebung der Kommunistischen Partei.
Demonstranten protestieren in Rom während des G20-Gipfels.Bild: dpa / Luca Bruno
Am Morgen hatten einige Dutzend Klimaschützer in der Nähe des
Tagungsgeländes eine Straße blockiert. Die Polizei trug die sitzenden
Demonstranten von der Fahrbahn. Bereits am Freitag hatte es kleinere,
friedliche Protestaktionen gegeben. Italien hatte für den G20-Gipfel
das Polizeiaufgebot stark erhöht und fast 5300 zusätzliche
Sicherheitskräfte angefordert. Das Militär sichert mit etwa 2000
Soldaten wichtige Orte wie Bahnhöfe, Botschaften und
Ministerien.
(lfr/dpa)
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