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Bundesregierung: Deutsche sollen Ukraine verlassen

SVITLODARSK, UKRAINE - FEBRUARY 11: A Ukrainian soldier is seen out of Svitlodarsk, Ukraine on February 11, 2022. Wolfgang Schwan / Anadolu Agency
Ein ukrainischer Soldat im Osten der Ukraine. Die USA warnen davor, dass Russland in Kürze in das Land einfällt.Bild: AA / Wolfgang Schwan
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Bundesregierung: Deutsche sollen Ukraine verlassen – USA warnen vor baldiger russischer Invasion

12.02.2022, 12:0712.02.2022, 12:20
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Nach Warnungen der US-Regierung vor einem möglicherweise bevorstehenden russischen Angriff hat nun auch die Bundesregierung ihre Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. Die Botschaft in Kiew bleibt aber vorerst geöffnet, wie aus einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom Samstag hervorgeht. Darin hieß es: "Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus." Zuvor hatten bereits unter anderem die USA, Großbritannien, Dänemark, Australien, Lettland und Estland ihre Staatsbürger zur Ausreise aufgefordert.

Das Auswärtige Amt warnte: "Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen in den letzten Tagen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen."

Dienstag trifft Scholz Putin in Moskau

Das deutsche Generalkonsulat in Dnipro soll nach Lwiw (Lemberg) verlegt werden. Damit sollen die Mitarbeiter künftig weiter entfernt von der sogenannten Kontaktlinie zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine arbeiten. Für Montag ist ein Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ukraine geplant. Am Dienstag will Scholz erstmals als Kanzler in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen.

Russlands Botschaft in den USA hatte vor der Ankündigung des Auswärtigen Amts die amerikanischen Warnungen vor einem Überfall auf die Ukraine als haltlos zurückgewiesen. Es werde "Alarmismus" verbreitet in den USA, ohne dass Beweise für die Behauptungen vorgelegt würden, sagte der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, am Samstag. Die Aussagen in Washington zeugten lediglich davon, dass die USA ihre "Propaganda-Kampagne gegen unser Land" verstärkt hätten, sagte Antonow. Der russische Präsident Wladimir Putin wollte noch am Samstag mit US-Präsident Joe Biden telefonieren.

US-Sicherheitsberater warnte vor Invasion

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, hatte am Freitag alle Amerikaner in der Ukraine aufgefordert, das Land innerhalb der "nächsten 24 bis 48 Stunden" zu verlassen. Falls es zu einem russischen Einmarsch kommen sollte, dürfte es zunächst Luftangriffe und dann eine Bodenoffensive geben, weswegen es dann kaum mehr möglich sein dürfte, das Land zu verlassen. Mehrere Staaten riefen ebenfalls ihre Bürger zur Abreise auf.

Die USA wollten erreichen, dass in der Gesellschaft der Eindruck entstehe, die Aggression sei "unausweichlich", sagte Antonow. Den Menschen werde "Staub in die Augen" geblasen mit irgendwelchen Geheimdienstinformationen, ohne dass Details genannt würden. "Die Kommentare von Politikern dazu, dass Russland die Ukraine während Olympia oder danach überfallen wird, werden nicht durch Beweise untermauert", so der Diplomat. Die Führung in Moskau habe immer wieder betont, dass Russland nicht plane, irgendjemand zu überfallen.

National Security Advisor Jake Sullivan responds to questions from the news media during the daily press briefing at the White House in Washington, DC, USA, 11 February 2022. Sullivan responded to que ...
Jake Sullivan ist der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.Bild: newscom / SHAWN THEW

Pentagon sendet 3000 zusätzliche Soldaten nach Polen

Die Regierung in Washington hatte zuvor von einer "sehr eindeutigen Möglichkeit" einer russischen Invasion gesprochen, US-Außenminister Antony Blinken sicherte Kiew am Freitag (Ortszeit) "zuverlässige" Unterstützung zu. Westliche Spitzenpolitiker stimmten sich in einer kurzfristig einberufenen Telefonschalte über ihr Vorgehen im Fall eines Einmarschs ab. Die EU präzisierte anschließend, dass Sanktionen den russischen Finanz- und Energiesektor treffen würden.

Der amerikanische Außenminister Anthony Blinken hatte am Freitag mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba telefoniert. Er sicherte Kuleba laut Angaben des US-Außenministeriums zu, "dass die Ukraine weiterhin die dauerhafte und zuverlässige Unterstützung der Vereinigten Staaten" erhalten werde. Das Pentagon kündigte zudem die Entsendung von 3000 zusätzlichen US-Soldaten nach Polen an. Es handle sich dabei um Fallschirmjäger der 82. Luftlandebrigade in Fort Bragg. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte bereits Anfang Februar die Entsendung von 1700 weiteren Soldaten nach Polen angeordnet.

US-Kampfjets von Deutschland nach Rumänien verlegt

Bei der jüngsten Aufstockung gehe es darum, "unseren Nato-Verbündeten" ein Gefühl der Sicherheit zu geben und vor "jeder möglichen Aggression gegen die Ostflanke der Nato abzuschrecken". Zudem wurden US-Kampfjets vom Typ F-16 von Deutschland auf einen Stützpunkt in Rumänien verlegt, der 100 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt liegt.

Sicherheitsberater Sullivan sagte jedoch auch, die USA gingen weiterhin nicht davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin bereits eine "endgültige Entscheidung" für einen Angriff getroffen habe. Zuletzt seien aber weitere russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine eingetroffen.

Scholz, Macron und Johnson telefonierem

Mehrere westliche Staaten fanden sich indessen zu einer kurzfristigen Telefonkonferenz zusammen. An dem Gespräch nahmen Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson und weitere Staats- und Regierungschefs teil.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte danach erstmals nähere Angaben zu den bereits vorbereiteten EU-Sanktionen gegen Russland. Neben dem Finanz- und Energiesektor wäre demnach auch "die Ausfuhr von High-Tech-Produkten" betroffen.

Scholz habe an einem "wichtigen Austausch zur sehr, sehr ernsten sicherheitspolitischen Lage der Ukraine" teilgenommen, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach der Schalte auf Twitter. Die Nato-Partner seien "entschlossen, gemeinsam schnelle und tiefgreifende Sanktionen zu ergreifen gegen Russland, sollte es zu weiteren Verletzungen der territorialen Integrität und der Souveränität der Ukraine kommen".

Baerbock sieht keine "Anzeichen für Deeskalation"

Moskau hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen, bestreitet jedoch jegliche Angriffspläne. Russland führt an, sich von der Nato bedroht zu fühlen.

"Die Situation ist wahnsinnig angespannt", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Besuch in Jordanien. Militärisch gebe es "keine Anzeichen für Deeskalation". Baerbock verwies auf zuvor von Moskau angekündigte neue Militärübungen an der ukrainischen Grenze. Laut dem russischen Verteidigungsministerium nahmen am Freitag in der Grenzregion Rostow 400 russische Soldaten an einer "taktischen Übung" für einen "Kampfeinsatz" teil.

Biden hatte am Donnerstag in einem aufgezeichneten TV-Interview gesagt, Washington werde unter keinen Umständen US-Truppen in die Ukraine schicken, auch nicht zur Rettung von US-Bürgern im Falle einer russischen Invasion. Dies würde "einen Weltkrieg" auslösen. "Wenn Amerikaner und Russen anfangen, aufeinander zu schießen, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt."

(nik/afp)

Putin-Verbündeter droht Nato und widerspricht damit dem Kreml-Chef

Russland befindet sich im Krieg, auf dem Schlachtfeld in der Ukraine und im digitalen Raum mit dem Westen. Russland, so der Vorwurf, führt zahllose Desinformationskampagnen durch. Aktuell steht etwa ein Spitzenpolitiker der AfD, Maximilian Krah, im Verdacht, sich von Russland bezahlen lassen zu haben. Der Generalbundesanwalt hat nun Vorermittlungen aufgenommen, um den Anfangsverdacht zu überprüfen.

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