Beziehungsstatus kompliziert: Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine geht Kasachstans Präsident Kassym-Jomart Tokajew auf Distanz zu Putin. Bild: imago images / Pavel Bednyakov
Russland
Zentralasien ist mehr als nur der Hinterhof des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das will wohl auch der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokajew klarmachen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hinterlässt politische Spuren in Kasachstan.
"Die Furcht besteht, dass Kasachstan das nächste Ziel sein könnte, und das hat die anti-russischen Gefühle im Land massiv verstärkt", erklärt Sozialwissenschaftler Azamat Junisbai vom Pitzer College in Kalifornien in einem früheren watson-Gespräch. Vor allem unter der kasachischen Jugend macht sich eine zunehmende anti-russische Haltung breit.
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Das zeigt unter anderem das Wiederbeleben der kasachischen Sprache, wodurch das Russisch – die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht – verdrängt werden soll. Auch Tokajew sorgte jüngst für Furore, als er bei einer Pressekonferenz vor dem russischen Staatschef Putin und seiner russischen Delegation bewusst auf Kasachisch kommunizierte.
In den vergangenen 20 Monaten ist ein auffällig aufmüpfiger Ton gegen Russland in dem Steppenland zu vernehmen. Expert:innen sprechen von einem Austesten der Grenzen. Sprich: Wie weit kann sich das zentralasiatische Land von Russland abnabeln?
Nun teilt der sonst enge Verbündete Putins erneut gegen Russland aus – mit einem drastischen Schritt, der durchaus Auswirkungen auf die kasachische Gesellschaft nehmen könnte.
Kasachstan dreht einem russischen Informationsdienst den Saft ab
Kasachstan bringt einen wichtigen Kanal der russischen Propagandamaschinerie zum Erliegen im eigenen Land. Laut dem kasachischen Medienunternehmen "Arbat Media" haben Kasachstans Behörden den russischen Dienst Sputnik24 gesperrt. Dieser strahlte zuvor russische, staatlich kontrollierte Fernsehkanäle in Kasachstan aus.
Als Grund nannten die Behörden, dass die russischen Fernsehsender keine Lizenz für den Betrieb in Kasachstan hätten. Nach Angaben des unabhängigen russischen Medienunternehmens "Moscow Times" gehört Sputnik24 zu dem wichtigsten Propaganda-Sprachrohr des Kremls: Russia Today (RT).
Sputnik24 soll zu Russia Today gehören, der TV-Sender dementiert Vorwurf
Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine erteilte die EU dem russischen TV-Kanal RT ein Sendeverbot. Russland betreibe "eine systematische internationale Kampagne der Medienmanipulation und Verfälschung von Fakten", begründete die EU-Kommission damals ihre Entscheidung. Nun folgt auch ein sonst enger Freund Russlands dem Verbot? Alles Quatsch, meint der Pressedienst von Russia Today.
Der TV-Sender dementiert die Vorwürfe. "Sputnik24 gehört nicht zu RT", heißt es in der Mitteilung. Hierbei handle sich um Falschmeldungen, zudem haben die russischen Behörden ihre eigene Erklärung, warum Kasachstan den Sender gesperrt hat. Als Grund nennen sie "die Verbreitung von Inhalten von ausländischen TV-Kanälen, die angeblich keine Lizenz für das Territorium Kasachstans besitzen". Wie etwa "FilmBox", ein europäischer Premium-TV- und Video-on-Demand-Dienst.
Für den russischen TV-Sender RT gilt seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine in Deutschland Sendeverbot.Bild: dpa / Pavel Golovkin
Auf der Sputnik24-Website konnte man laut Medienberichten dennoch Russia Today und andere russische Fernsehsender online sehen. Darin sieht der Kasache Junisbai einen verlängerten Arm des Kreml, um vor allem die ältere Generation in Kasachstan für seine Sache zu gewinnen – aber auch die russische Population, die Kasachstan lebt.
Experte warnt vor russischer Propaganda in Kasachstan
"All die russischen Kanäle verbreiten in Kasachstan ihr Gift", sagt Junisbai. Das führe dazu, dass auch Russ:innen im Land Putin und den Krieg in der Ukraine unterstützen. Ihm zufolge sehen sie in der Unabhängigkeit Kasachstans einen "dummen Fehler" – wie auch in der Ukraine. Das seien "verschenkte Gebiete".
Aber auch Kasach:innen konsumieren Putins Propaganda. Die ältere Generation hat während der Sowjetzeit die kasachische Sprache verlernt. Junisbai zählt sich und seine Familie dazu. Auch sie seien für russische Propaganda anfällig. "Wie mein Onkel, der nichts anderes als diesen Mist konsumiert." Doch offenbar ist zumindest mit Sputnik24 der Spuk vorbei – vorerst.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die skandinavischen Staaten dazu gebracht, ihre Neutralität aufzugeben. Finnland trat im April 2023 der Nato bei. Im März 2024 folgte dann Schweden.