Immer beliebter auf dem Schlachtfeld: Die FPV-Drohne kommt zum Einsatz auf ukrainischer sowie russischer Seite. Bild: IMAGO/NurPhoto / Dmytro Smolienko
International
Im Ukraine-Krieg ist Einfallsreichtum gefragt. Es fehlt an Munition, die Panzer lassen auf sich warten und gleichzeitig wütet eine heftige Schlacht um die Stadt Bachmut. Nun soll eine neue Waffe den Krieg revolutionieren.
Laut dem Konfliktbeobachter von der Freien Universität Berlin Nikita Gerassimow sprechen beide Seiten von einer neuen rasanten Entwicklung auf dem Schlachtfeld: dem militärischen Einsatz von FPV-Drohnen.
Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update!
Hier findest du unseren
Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne
hier auch auf Instagram.
Töten aus der Ich-Perspektive – denn FPV steht für "First Person View". Sprich, die Person steuert die Drohne aus der Perspektive des:der virtuellen Pilot:in an Bord. Die Pilot:innen bleiben auf sicherem Terrain und lenken die Drohne in feindliches Gebiet durch eine Videobrille.
"Sehr bekannt ist die Technologie in Australien mit den FPV-Rennen. Sehr schnell, aber schwer zu fliegen", schreibt Gerassimow auf Twitter. Teilnehmende liefern sich ein Rennen mit ihren FPV-Drohnen – doch aus Spaß wird nun Ernst. Die Motorsport-Drohne verwandelt sich in eine Killer-Drohne.
Drohne aus Motorsport soll Krieg revolutionieren
Laut Gerassimow nutzen Russland sowie die Ukraine die Drohne im Krieg immer mehr. An den Mini-Hubschrauber (Copter) werde alles montiert, was geht – angefangen mit Sprengstoffsätzen über Handgranaten bis hin zu Panzerabwehrmunition – "und dann wird das kleine Ding regelrecht in die Panzerluke des Gegners gelenkt", erklärt der Experte. Die Killer-Drohne sei nicht zu unterschätzen.
"Was sich im ersten Augenblick wie eine Randerscheinung im Krieg oder Spielerei anhört, hat bereits auf beiden Seiten zu Verlusten bei Mensch und Technik geführt", schreibt Gerassimow in seinem Thread.
Kleine Waffe mit großer Wirkung: FPV-Drohnen können Panzer zerstören
Der Twitter-Account "Clash Report" zeigt die zerstörerische Kraft der kleinen FPV-Kamikaze-Drohnen. So sollen sie angeblich zwei russische Schützenpanzer zerlegt haben.
Gerassimow zufolge ereignete sich etwa ein Vorfall, bei dem eine FPV-Drohne ganz banal in die Luke eines russischen Panzers reinflog. Der Kommandant wollte sich nur kurz einen Blick über die Lage verschaffen. "Ein 'Ding' für 500 Dollar zerstörte einen Panzer für 3 Millionen Dollar", schreibt Gerassimow. Diese billigen Drohnen können sich mit den größten Kriegsgeräten anlegen – eine Revolution auf dem Schlachtfeld.
FPV-Drohnen könnten Kriegsführung revolutionieren
Militärbeobachter:innen auf beiden Seiten schwärmen davon, dass die FPV-Drohnen die Kriegsführung regelrecht revolutionieren können, meint Gerassimow. Und zwar nicht in der Zukunft, sondern jetzt. Der massive Einsatz der kleinen Copter könnte praktisch Artillerie, Aufklärung und Panzerabwehr ersetzen. Weiter meint der Konfliktbeobachter:
"Mit der FPV-Technologie könnte man einen Sprengsatz zielgenau in jede Luke, jedes Fenster, jeden Schützengraben oder Schacht hineinfliegen. Traditionelle Flugabwehrsysteme können gegen die kleinen Teile kaum etwas bewirken – und das bei einem Preis von 500 Dollar pro Stück."
Beide Konflikt-Parteien wollen die FPV-Drohnen schnellstmöglich in die Fronteinheiten bringen. Doch laut Gerassimow gebe es womöglich einen Nachteil: Diese Geräte sind wirklich schwer zu fliegen. "Es bedarf einer regelrechten Flugschule und mehrwöchige Kurse, um FPV zu beherrschen", meint er. Anscheinend ist das vor allem für die Russen ein Problem.
Drohnen-Krieg: Ukrainer sind den Russen wohl mehrere Schritte voraus
Laut Gerassimows Beobachtungen, sollen sich russische Kriegsreporter:innen beim Ministerium beschweren. Die greisen Funktionär:innen würden sich regelrecht weigern, die FPV-Technologie anzuerkennen. Gerassimow zufolge schimpfte einer der Kriegsreporter: "Die Ukrainer sind uns in diesem Bereich zwei bis drei Schritte voraus." Denn diese haben etwa schon eine echte FPV-Flugschule – dank des britischen Verteidigungsministeriums.
Ein ukrainischer Soldat lernt, Drohnen für Kampfeinsätze zu steuern.Bild: Ukrinform / --
Doch auch Russland bekommt offenbar Unterstützung beim Drohnen-Krieg. Die britische Tageszeitung "Guardian" berichtete, dass der Iran weitere schwerere Drohnen-Modelle nach Russland "schmuggelt", wie etwa Angriffsdrohnen vom Typ Mohajer-6, Shahed 191 und Shahed 129. Gerade die S-129 seien von Russen geschätzt, um "Störsysteme zu umgehen".
Laut der US-amerikanischen Tageszeitung "Wall Street Journal" arbeiten Russland und der Iran daran, ein Shahed-Produktionswerk in Russland aufzumachen. Tausende Drohnen sollen quasi "gleich vor Ort" hergestellt werden. Die Rede ist von Produktionskapazitäten für 6000 Kamikaze-Drohnen.
Nach bald drei Jahren hat die Ukraine kaum noch Optionen, um den Krieg gegen Aggressor Russland militärisch zu gewinnen. Besiegt ist das geschundene Land deswegen aber nicht.
Am Dienstag ist es 1000 Tage her, seit der russische Autokrat Wladimir Putin den Befehl zur Invasion der Ukraine gab. Nun beginnt der dritte Kriegswinter. Er droht in der Ukraine "besonders kalt und dunkel zu werden", so der österreichische "Standard". Denn russische Luftschläge haben die Energieversorgung hart getroffen, zuletzt am Wochenende.