Nach dem mysteriösen Ableben von Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz in Russland herrscht immer noch Aufruhr in den Reihen der Söldnertruppe Wagner. Innerhalb der Gruppe und der russischen Regierung wird intensiv über einen Nachfolger nachgedacht. Dabei könnte auch Prigoschins Sohn eine entscheidende Rolle spielen. Darauf deutet ein kürzlich an die Öffentlichkeit geratenes Dokument hin.
Am 23. August verstarb Jewgeni Prigoschin und hinterließ ein Machtvakuum, das von vielen Fragen begleitet wird. Auch wenn sein Tod nach dem fehlgeschlagenen Putschversuch auf den Kreml absehbar war, sind die Überreste seines einstigen Imperiums weiterhin ungewiss. Auf Social Media ist nun ein Dokument aufgetaucht, das offenbar das Testament des verstorbenen Chefs der Wagner-Söldner darstellt.
Ein Dokument mit Sprengkraft.
Laut dem mehrseitigen Schriftstück vermachte Prigoschin sein gesamtes Vermögen seinem Sohn Pawel Prigoschin. Konkret heißt es in dem auf den 2. März 2023 datierten Dokument:
Das Schriftstück wurde von verschiedenen Quellen für authentisch befunden. So bestätigten etwa Telegram-Kanäle, die den Wagner-Söldnern nahestehen, die Echtheit des Testaments und sehen ihre Informationen bestätigt.
Der Telegram-Kanal Vchk-OGPU schrieb bereits am 9. September mit Berufung auf anonyme Quellen, dass in St. Petersburg der Erbfall von Prigoschin eröffnet worden sei. Die Informationen aus der Nachricht decken sich mit jenen aus dem geleakten Dokument: "Laut Prigoschins Testament erbt sein Sohn Pawel fast alles. Und seine Töchter fast nichts", heißt es darin. Zudem habe der anonyme Informant gesagt:
Seine Töchter Polina und Veronika sowie seine Ehefrau Ljubow gehen demnach leer aus. Lediglich im Falle des vorzeitigen Todes von Pawel hätten die Frauen Anspruch auf einen Teil des Vermögens.
Stimmen die Informationen, müssen die anderen Hinterbliebenen der Familie Prigoschin also auf die Großzügigkeit von Pawel hoffen, da das Testament lediglich festlegt, dass er für ein "würdiges Leben" seiner Mutter, seiner Töchter und seiner Ehefrau sorgen soll.
Schon vor seinem Tod soll es in der Familie von Prigoschin Streit gegeben haben. Weder seine Töchter noch seine Ehefrau nahmen an seiner Beerdigung teil. Lediglich Pawel und seine Oma Violetta waren am Grab des Wagner-Anführers zu sehen.
Das Ausmaß des Erbes, das Prigoschin seinem Sohn hinterlassen konnte, bleibt unklar. Sein Medienimperium wurde bereits kurz nach seinem gescheiterten Putsch auf die Moskauer Regierung rund um Wladimir Putin zerschlagen. Prigoschins Geschäftsstrukturen waren komplex, überwiegend über Strohmänner und Scheinfirmen organisiert, wodurch kaum etwas auf ihn persönlich registriert war. Dass hier im Hintergrund also bereits Vermögenswerte verteilt wurden, ist wahrscheinlich.
Wenig ist über den Sohn des Wagner Chefs, Pawel, bekannt. Aus dem aktuell veröffentlichten Testament geht jedoch wenigstens sein Geburtsdatum hervor: Es soll der 18. Juli 1998 sein. Demnach ist Pawel Prigoschin 25 Jahre alt. Jewgeni Prigoschin selbst berichtete einst über seinen Sohn und dessen militärische Laufbahn:
Pawel Prigoschin könnte bei der Gruppe Wagner künftig eine Rolle spielen. Das Schwarze Kreuz wird bei der Wagner-Gruppe für besondere Leistungen vergeben. Sie ist jedoch die niedrigste Stufe möglicher Ehrenorden, die die Söldnertruppe vergibt.
Dennoch kommen Vermutungen auf, dass der 25-Jährige derzeit Verhandlungen mit der Nationalgarde "Rossgwardija" über die Übernahme einer Einheit von Wagner-Söldnern führt. Dies berichten etwa Wagner-nahe Quellen nach Veröffentlichung des Testaments.
Dabei würde den Söldnern die Möglichkeit geboten, auf einen Vertrag mit dem russischen Verteidigungsministerium zu verzichten und somit unabhängig von diesem zu agieren, während sie ihren Namen, ihre Symbole, ihre Ideologie, ihre Kommandeure und ihre Arbeitsweisen beibehalten könnten.
Ein Telegram-Kanal, der lange als Sprachrohr von Prigoschin galt, bestätigte, dass Pawel das Geschäft seines Vaters sogar bereits übernommen habe und derzeit als Kommandeur der Wagner-Söldner über ihre Rückkehr an die Front verhandle. Der Kanal "Grey Zone" schrieb hierzu:
Zuletzt war berichtet worden, dass Andrej Troschew die Führung aller Söldner-Truppen im Dienst des Kremls übernehmen soll, so etwa auch die Wagner-Gruppe. Dies habe Putin höchstpersönlich angeordnet.
Doch geschah dies nicht zum Wohlgefallen aller entscheidenden Akteure.
So soll der Leiter des Wagner-Sicherheitsdienstes, Michail Watanin, Pawel Prigoschin ins Spiel gebracht haben. Das Ziel: eine Alternative zu dem vom Kreml und dem Verteidigungsministerium bevorzugten Troschew zu bieten. Wagner-nahe Telegram-Kanäle schreiben nun, dass er selbst mithilfe von Pawel die Strippen ziehen wolle.