Über ein halbes Jahr dauert der Angriffs-Krieg in der Ukraine nun schon an. Während Kiew laut eigenen Angaben eine Gegenoffensive zur Rückeroberung der Großstadt Cherson startete, geht auch das Ringen um das Atomkraftwerk Saporischschja weiter. Die Sorge vor einer atomaren Katastrophen wächst.
Seit Wochen machen sich Kiew und Moskau gegenseitig für die Eskalation rund um die Nuklearanlage verantwortlich. Am Montag ist ein Team der internationalen Atombehörde IAEA nach Enerhodar aufgebrochen, um die Sicherheit des Atomkraftwerks zu überprüfen. Die Mission unter Führung von IAEA-Chef Rafael Grossi wird allerdings erst im Laufe der Woche vor Ort erwartet.
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Das russische Außenministerium hat die von der EU angekündigte Aussetzung des Visa-Abkommens scharf kritisiert und mögliche Gegenmaßnahmen angekündigt. "Wir haben nicht vor, uns der Europäischen Union bei der unsinnigen Politik des 'Brückenabreißens' zwischen den Menschen anzupassen, aber behalten uns gleichzeitig das Recht auf Gegenmaßnahmen zum Schutz der Interessen unserer Bürger und unserer nationalen Interessen vor", teilte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa in einem am Donnerstag auf der Webseite des Ministeriums veröffentlichten Schreiben mit.
Am Mittwoch hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitgeteilt, dass die Europäische Union das 2006 geschlossene Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Visa-Vergabe vollständig aussetzen werde. Der Schritt ist eine weitere Sanktion als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der seit mehr als einem halben Jahr andauert.
Die Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben am Donnerstag nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen das Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine erreicht. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti veröffentlichte ein Video von ihrem Konvoi, das die Ankunft der UN-Fahrzeuge vor Ort zeigte. Die Atomanlage wird von russischen Kräften kontrolliert.
Vor Beginn der geplanten Mission eines Expertenteams der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja hat die russische Armee nach ukrainischen Angaben erneut die nahe gelegene Stadt Enerhodar beschossen. Seit der Morgendämmerung werde die Stadt mit Granatwerfern beschossen und mit Raketen angegriffen, teilte der aus Enerhodar geflüchtete ukrainische Bürgermeister Dmytro Orlow am Donnerstag im Messengerdienst Telegram mit. Aus Sicherheitsgründen könne das IAEA-Team deshalb seinen Weg zum Atomkraftwerk nicht fortsetzen.
Die IAEA-Inspektoren werden am Donnerstag in dem von russischen Soldaten besetzten größten Atomkraftwerks Europas erwartet. IAEA-Chef Rafael Grossi sagte, sein Team werde trotz der Angriffe wie vorgesehen an der Mission festhalten.
Mitten im Ukraine-Kriegs hat Russland am Donnerstag ein groß angelegtes Militärmanöver mit mehr als 50.000 Soldaten begonnen. Die fast einwöchige Übung wird im Osten abgehalten und ist damit Tausende Kilometer von den Kämpfen entfernt. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums beteiligen sich daran auch Länder wie China, Indien und die Mongolei sowie mehrere Ex-Sowjetrepubliken, allen voran Belarus. Russland will so in Zeiten schwerster Spannungen mit dem Westen den Schulterschluss zu anderen Ländern demonstrieren.
Bei der Übung "Wostok 2022" ("Osten 2022") sollen nach Angaben aus Moskau 5000 Militärfahrzeuge zum Einsatz kommen sowie 140 Flugzeuge und 60 Kriegsschiffe und andere Boote. Das Manöver soll auf Truppenübungsplätzen in Ostsibirien und im Fernen Osten sowie im Japanischen Meer stattfinden.
Die Hintergründe zu dem Militärmanöver kannst du hier nachlesen.
Die EU wird ein mit Russland geschlossenes Abkommen zur Erleichterung der Visa-Vergabe für Reisende vollständig aussetzen. Insbesondere schutzbedürftige Menschen sollten aber weiter ein Visum bekommen können. "Wir wollen uns nicht von den Russen abschneiden, die gegen den Krieg in der Ukraine sind, wir wollen uns nicht von der russischen Zivilgesellschaft abschneiden", betonte Borrell. Der Schritt zielt darauf ab, den Mitgliedstaaten unkompliziert Einreisebeschränkungen für Russinnen und Russen zu ermöglichen und die Kosten und den Aufwand für Antragsteller zu erhöhen. So wird zum Beispiel die grundsätzliche Festschreibung der Visumgebühr auf 35 Euro wegfallen und auch die Regelbearbeitungszeit von zehn Kalendertagen nach Antragseingang soll nicht mehr gelten.
Außenministerin Annalena Baerbock wirbt für neue EU-Leitlinien für den Umgang mit Russland. Da es kein Zurück mehr vor den 24. Februar geben werde, brauche man eine "strategische Neuausrichtung" der Russlandpolitik, sagte die Grünen-Politikerin. Zentral seien dabei vier Punkte. Diese seien die Stärkung der eigenen Wehrhaftigkeit, die Unterstützung von russischen Regimegegnern, die Unterstützung der Ukraine sowie die Zusammenarbeit mit weltweiten Partnern bei der Verteidigung des internationalen Rechts.
Den Vorschlag für die vier Punkte hat Baerbock nach eigenen Angaben zusammen mit ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna erarbeitet. In dem Text wird auch ganz deutlich festgehalten, was das Ziel der Unterstützung der Ukraine sein sollte. "Um künftigen Aggressionen vorzubeugen, muss sich Russlands Krieg gegen die Ukraine in ein strategisches Scheitern verwandeln", heißt es in dem als Verschlusssache eingestuften Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Dieses Scheitern definiere man im weitesten Sinne und es umfasse auch eine Entkopplung von Russland im Bereich der Energie.
Dabei wird eingeräumt, dass die Unterstützung der Ukraine einen Preis hat, der voraussichtlich auch noch einmal steigen werde. Strategische Kommunikationsbemühungen sollten deswegen darauf abzielen zu zeigen, wie die Unterstützung für die Ukraine langfristig die Sicherheit Europas erhöhe und warum Sanktionen notwendig und effizient seien.
Im Süden der Ukraine wird nach Angaben aus Kiew weiter heftig gekämpft. In der Nacht wurde die von der Ukraine gehaltene Stadt Mykolajiw, die rund 80 Kilometer nordwestlich der von Russland besetzten Hafenstadt Cherson liegt, "massiv bombardiert", wie das Südkommando der ukrainischen Armee am Mittwoch mitteilte. Russische Raketen hätten dabei zwei Zivilisten getötet und 24 weitere verletzt.
Die ukrainische Armee hatte am Montag eine Offensive zur Rückeroberung der von russischen Truppen besetzten Region Cherson gestartet. Am Dienstag hatte das Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj schwere Kämpfe in "fast dem gesamten Gebiet" gemeldet. In der Region wurden demnach mehrere russische Munitionsdepots und fast alle großen Brücken über den Fluss Dnipro zerstört.
Im Ort Beresnehuwate, der etwa 70 Kilometer nördlich von Cherson nahe der Frontlinie liegt, hörten AFP-Reporter schweres Artilleriefeuer, während zahlreiche ukrainische Panzerfahrzeuge vorbeifuhren.
Die Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland über die Pipeline Nord Stream 1 sind am Mittwoch erneut gestoppt worden. Das ging am Morgen aus Daten auf der Website des Europäischen Netzwerks für die Übertragungssysteme der Gasversorger (Entsog) hervor. Der russische Gasriese Gazprom hatte die Dauer des Lieferstopps vorab mit drei Tagen angegeben. Grund sind demnach turnusgemäße Wartungsarbeiten. Am Samstag soll das Gas den Gazprom-Angaben zufolge wieder fließen.
Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben sich von Kiew aus auf den Weg zum von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine gemacht. Das Team sei nach sechsmonatigen Bemühungen "endlich in Bewegung", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Mittwoch vor der Abreise in Kiew zu Journalisten. "Die IAEA begibt sich zum Atomkraftwerk Saporischschja."
Zum Schutz gegen den möglichen Austritt atomarer Strahlung in der Ukraine wird die Europäische Union dem Land fünf Millionen Jodtabletten spenden. Die EU liefere die Kaliumiodid-Tabletten "vorsorglich" aus ihren Reserven an die Ukraine, erklärte EU-Katastrophenschutzkommissar Janez Lenarcic am Dienstag. Damit solle sich "die Bevölkerung im Falle einer hohen Strahlenbelastung" schützen können.
Die ukrainische Regierung hatte den Angaben zufolge in der vergangene Woche einen Antrag auf eine Lieferung von Jodtabletten gestellt. Sie habe dies als vorbeugende Sicherheitsmaßnahme bezeichnet, um den Schutz rund um das Atomkraftwerk Saporischschja zu erhöhen. In den vergangenen Wochen war die Gegend des größten Kernkraftwerks Europas wiederholt beschossen worden, wofür sich die Ukraine und Russland gegenseitig verantwortlich machen.
Ein halbes Jahr nach dem Eindringen russischer Truppen in den Süden der Ukraine hat die ukrainische Armee eine Gegenoffensive begonnen. Die äußerste Verteidigungslinie der Russen im Gebiet Cherson sei an mehreren Stellen durchbrochen worden, teilte das ukrainische Militär mit.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach nur in Andeutungen über die Offensive. Niemand, der sich verantwortlich verhalte, werde im Krieg etwas zu seinen Plänen sagen. "Aber die Besatzer sollen es wissen: Wir treiben sie über die Grenze. Über unsere Grenze, an der sich nichts geändert hat." Wenn die russischen Soldaten überleben wollten, sei es "jetzt Zeit, nach Hause zu gehen."
Wie die Südgruppe der ukrainischen Armee mitteilte, seien Einheiten der Donezker Separatisten und russischer Marineinfanterie zum Rückzug gezwungen worden. Genauere Ortsangaben wurden nicht gemacht. Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf ukrainische Militärquellen, vier Dörfer bei Cherson, darunter Prawdyne, seien erobert worden.
Die Angaben waren zunächst nicht überprüfbar.
Die EU-Verteidigungsminister:innen wollen am Dienstag bei einem informellen Treffen in Prag über den Krieg in der Ukraine und die weitere Unterstützung der Streitkräfte des Landes beraten. Auch soll es um Investitionslücken der EU im Verteidigungsbereich gehen. Auch die Außenminister:innen der EU beginnen am Dienstag in der tschechischen Hauptstadt ein Treffen. Für Mittwoch stehen der Krieg und mögliche Einreisebeschränkungen für Russen in die EU auf der Tagesordnung.
Nach dem wochenlangen Tauziehen um die IAEA-Mission zum Kernkraftwerk Saporischschja brachen die Experten von Wien auf und wurden zunächst in Kiew erwartet, wie das ukrainische Außenministerium am Montag mitteilte. Das Gelände um das größte AKW ist in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden, wofür die russische und die ukrainische Seite sich gegenseitig verantwortlich machen.
"Wir freuen uns, dass das Team auf dem Weg ist, um die Sicherheit und den Schutz der dortigen Systeme zu überprüfen und die Arbeitsbedingungen des Personals zu evaluieren", sagte der Sprecher des US-Sicherheitsrates, Kirby, in Washington. Er plädierte erneut dafür, eine entmilitarisierte Zone rund um das Kraftwerk einzurichten. Das fordert auch die Ukraine, Russland lehnt dies ab.
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(ast/mit Material von dpa/afp)