Über ein halbes Jahr dauert der russische Angriffskrieg in der Ukraine bereits an. Obwohl Russland einen Waffenvorteil behält und etwa 20 Prozent des ukrainischen Territoriums kontrolliert, hat es laut New York Times Mühe, weitere Fortschritte zu erzielen.
Während Putin die Truppengröße der russischen Armee auf 1,15 Millionen erhöhen will, geht das Ringen um besetzte Gebiete als auch um das Atomkraftwerk Saporischschja weiter. In den vergangenen Wochen war die Gegend des AKW Saporischschja wiederholt beschossen worden, wofür sich die Ukraine und Russland gegenseitig verantwortlich machten.
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Die ukrainische Armee hat eine Großoffensive zur Rückeroberung der seit Monaten von russischen Truppen besetzten Großstadt Cherson im Süden des Landes gestartet. In der gesamten Region liefen "starke Artillerieangriffe auf feindliche Stellungen", sagte der stellvertretende Chef des Regionalrats, Serhij Chlan, am Montag dem Fernsehsender Pryamyj TV. "Dies ist die Verkündung dessen, worauf wir seit dem Frühling gewartet haben – der Anfang vom Ende der Besatzung in der Region Cherson", sagte Chlan.
Ziel ist es demnach, die russischen Truppen auf das andere Ufer des Dnipro zurückzustoßen. Das nahe der von Russland annektierten Halbinsel Krim gelegene Cherson war Anfang März als erste Großstadt der Ukraine nach dreitägiger Belagerung von der russischen Armee eingenommen worden.
Für die Ukraine ist mehr als sechs Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs eine Nato-Mitgliedschaft über einen vorherigen Beitrittsplan keine Option mehr. "Nur die Mitgliedschaft" selbst auf direktem Weg komme noch in Frage, sagte am Montag die für die Nato-Integration zuständige Vizeregierungschefin, Olha Stefanischyna, der "Ukrajinska Prawda". Die Ukraine habe faktisch sehr viele Praktiken der westlichen Militärallianz übernommen. Zudem würden die Soldaten über eine einzigartige Kampferfahrung verfügen, die die Militärs der Nato-Mitglieder nicht hätten.
Im südukrainischen Gebiet Cherson sollen ukrainische Truppen die russischen Frontlinien durchbrochen haben. "Die Streitkräfte der Ukraine haben Offensivhandlungen in vielen Abschnitten im Süden der Ukraine begonnen", zitierte das Internetportal Hromadske die Pressesprecherin der Südgruppe der ukrainischen Armee, Natalija Humenjuk.
Demnach sollen Einheiten der Donezker Separatisten und unterstützender russischer Marineinfanterie zum Rückzug gezwungen worden sein. Genauere Ortsangaben wurden nicht gemacht. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Nach dem wiederholten Beschuss des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja hat sich ein Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf den Weg dorthin gemacht. "Der Tag ist gekommen, die Unterstützungs- und Hilfsmission der IAEA ist jetzt auf ihrem Weg nach Saporischschja", teilte IAEA-Chef Rafael Grossi am Montag im Onlinedienst Twitter mit. Die Mission unter seiner Führung treffe "später diese Woche" am größten Atomkraftwerk Europas ein.
Auf einem Foto zu seinem Tweet posiert der IAEA-Chef mit einem Team aus 13 Menschen, die Mützen und Westen mit dem Logo der UN-Nuklearbehörde tragen. Grossi hatte seit Monaten Zugang zur Anlage in Saporischschja gefordert - und Anfang August vor der "sehr realen Gefahr einer nuklearen Katastrophe" gewarnt.
Nach dem Beschuss des von Moskaus Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja ist nach Angaben Russlands und der Ukraine keine erhöhte radioaktive Strahlung festgestellt worden. Die Strahlensituation bleibe normal, teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag in Moskau mit. Ähnlich äußerte sich der ukrainische staatliche Betreiber Enerhoatom.
Beide Seiten werfen sich gegenseitig einen Beschuss des AKW vor. Russland teilte am Mittag weiter mit, es habe in den vergangenen 24 Stunden zwei Artillerieangriffe gegeben. Eine Granate sei in der Nähe von Block 6 eingeschlagen, andere an einer Pumpstation, die für die Kühlung sorge. Diese Angaben ließen sich nicht überprüfen.
Die Lage in dem von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja bleibt nach ukrainischen Angaben gefährlich. Nach erneutem mehrmaligen Beschuss bestehe das Risiko eines Austritts von Radioaktivität, teilte der staatliche ukrainische Energiekonzern Energoatom am Samstag mit. Erst am Vortag war das AKW wieder ans ukrainische Stromnetz angeschlossen worden, nachdem es davon einen Tag lang abgeschnitten gewesen war. Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte im Anschluss, die Gefahr eines GAUs bleibe bestehen.
Laut des AKW-Betreibers Energoatom hatten russische Truppen die Anlage "im Laufe des vergangenen Tages wiederholt" beschossen. Dadurch sei die Infrastruktur des größten Atomkraftwerks Europas beschädigt worden. Es bestehe eine hohe Brandgefahr und das Risiko, dass radioaktive Stoffe freigesetzt werden könnten. Nach Angaben des Betreibers lief das AKW seit Samstagmittag "mit dem Risiko, Radioaktivitäts- und Feuerschutz-Standards zu verletzen".
Russland hat zum Ende einer vierwöchigen UN-Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags die Verabschiedung einer gemeinsamen Abschlusserklärung blockiert. Trotz einmonatiger Verhandlungen und einer um mehrere Stunden verschobenen Abschlusssitzung sei "die Konferenz nicht in der Lage, eine Einigung zu erzielen", erklärte der Vorsitzende der Konferenz, der Argentinier Gustavo Zlauvinen, am Freitag am UN-Sitz in New York.
Der Vertreter Russlands, Igor Wischnewetzki, hatte zuvor einen Mangel an "Ausgewogenheit" in dem mehr als 30-seitigen Entwurf der Abschlusserklärung kritisiert. Russland habe Einwände "gegen bestimmte Absätze, die offenkundig politisch sind", sagte er. Russland sei aber nicht das einzige Land sei, das grundsätzliche Einwände gegen den Text habe.
Nach Angaben aus Verhandlungskreisen brachte Russland vor allem Einwände gegen Passagen zum ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja vor, welches von russischen Truppen besetzt ist und in den vergangenen Wochen wiederholt beschossen wurde.
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(lc/ast/mit Material von dpa/afp)