Politik
watson antwortet

Nach Explosionen in Iran: Was das für den Nahostkrieg bedeutet

ADDS SOURCE - Injured people get aid after an explosion in Kerman, Iran, Wednesday, Jan. 3, 2024. Iran says the deadly twin bomb blasts occurred at an event honoring a prominent Iranian general slain  ...
Ein Mann wird nach den Explosionen in Kerman, Iran, behandelt.Bild: Mehr News Agency / Mahdi Karbakhsh Ravari
watson antwortet

Nach Explosionen in Iran: Was das für den Nahostkrieg bedeutet in vier Punkten

04.01.2024, 11:3504.01.2024, 16:19
Mehr «Politik»

Bei einer Gedenkfeier zum Todestag des prominenten iranischen Generals Kassem Soleimani wurde offenbar ein Anschlag verübt. Laut Staatsmedien sollen die Zwillingsbombenexplosionen mehr als 100 Menschen getötet haben.

Später wurde die Zahl immer wieder korrigiert, aktuell schätzt der Chef des nationalen Rettungsdienstes, Dschafar Miadfar, die Todeszahl auf 84 (Stand: 4. Januar 2024, 11 Uhr). Zudem seien 284 Menschen verletzt worden, teilt die staatliche Nachrichtenagentur IRNA mit. Zum Hintergrund: General Soleimani wurde 2020 bei einem US-Luftangriff getötet.

dpatopbilder - 03.01.2024, Iran, Kerman: Ein Mann trägt die Leiche eines Opfers in einem Leichensack nach zwei Explosionen in der Stadt Kerman, etwa 510 Meilen (820 Kilometer) südöstlich der Hauptstad ...
Ein Mann trägt die Leiche eines Opfers in einem Leichensack nach zwei Explosionen in der Stadt Kerman, Iran.Bild: Iranian Students' News Agency, I / Sare Tajalli

Nun beginnt die Suche nach dem Schuldigen. Wie die USA und Israel auf den mutmaßlichen Anschlag reagieren und ob der Vorfall den Nahostkrieg weiter anheizen könnte, klärt watson in vier Punkten.

Wie reagiert Iran?

Die Führung in Teheran stuft den Anschlag als Terrorakt ein und erklärt den 4. Januar "zu einem Tag der öffentlichen Trauer im ganzen Land". Der iranische Präsidentenberater Mohammad Dschamschidi macht Israel und die USA für den Anschlag verantwortlich. Die "Verantwortung für dieses Verbrechen" liege "bei den USA und dem zionistischen Regime und der Terrorismus ist nur ein Werkzeug", schreibt Dschamschidi im Online-Dienst X, vormals Twitter.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi erklärt, es bestehe "kein Zweifel, dass die Urheber dieses feigen Akts bald identifiziert und bestraft werden". Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Chamenei, machte die "bösen und kriminellen Feinde der iranischen Nation" verantwortlich und kündigte eine "scharfe Reaktion" an.

Wie reagieren die USA und Israel?

Die USA weisen jegliche Verantwortung für den mutmaßlichen Anschlag in Iran zurück. "Die Vereinigten Staaten waren in keinerlei Weise beteiligt, und jegliche Andeutung des Gegenteils ist lächerlich", sagt der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller. Er fügt hinzu, seine Regierung habe auch "keinen Grund zu der Annahme", dass Israel mit dem Vorfall zu tun habe.

January 3, 2024, Kerman, Iran: Police at the scene after explosions at a commemoration ceremony next to the tomb of Iran s Revolutionary Guards General Qasem Soleimani in the Saheb al-Zaman mosque in  ...
Die iranischen Behörden untersuchen den Vorfall der tödlichen Explosionen.Bild: imago images / Tasnim News Agency

Die US-Tageszeitung "Wall Street Journal" betont, dass die verheerenden Explosionen in Iran am Todestag des Generals Soleimani nicht im Interesse von USA und Israel liegen.

Es heißt:

"Die Bombenanschläge sind verabscheuungswürdig, unabhängig davon, wer sie verübt hat. (...) Das (iranische) Regime könnte versucht sein, Israel und die USA, seine üblichen Verdächtigen, dafür verantwortlich zu machen. Aber solche Explosionen liegen nicht im Interesse der beiden Länder. Die USA und Israel haben iranische Ziele bislang auch nicht auf diese Art verfolgt, wenn sie dies wollten."

Die israelische Methode sehe aus wie die Explosion am Dienstag in Beirut, bei der Saleh al-Aruri, ein hochrangiger Hamas-Führer, getötet wurde. Auf diese Weise haben die USA auch Soleimani auf Befehl des damaligen Präsidenten Donald Trump vor vier Jahren getötet.

Zivilisten bei einer Gedenkfeier ins Visier zu nehmen, wäre taktisch und strategisch dumm und zudem unmoralisch, schreibt die Tageszeitung. Wenn überhaupt, dann habe die Regierung von Präsident Joe Biden alles versucht, um eine gewaltsame Auseinandersetzung mit Iran zu vermeiden.

Families of victims of the explosions gather at the courtyard of a hospital in the city of Kerman, about 510 miles (820 kilometres) southeast of the capital Tehran, Iran, Wednesday, Jan. 3, 2024. Two  ...
Opfer des mutmaßlichen Anschlags stehen unter Schock.Bild: Iranian Students' News Agency, ISNA / Sare Tajalli

Ein hochrangiges Mitglied der US-Regierung vergleicht den Anschlag mit Angriffen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). "Es sieht nach einem Terroranschlag aus, wie ihn der IS in der Vergangenheit verübt hat, und davon gehen wir im Moment aus", sagt der Regierungsvertreter vor Journalisten.

Israel äußert sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Armeesprecher Daniel Hagari betont, Israel bleibe "konzentriert auf den Kampf gegen die Hamas", sei aber zugleich "in hohem Maße auf jedes Szenario" vorbereitet.

Eskaliert der Nahostkrieg jetzt weiter?

Neben den tödlichen Explosionen in Iran ereignete sich auch die Tötung des Hamas-Vizechefs Saleh al-Aruri im Libanon. Laut Expertenstimmen soll Israel dahinter stecken. Demnach wachsen die Befürchtungen vor einer Ausweitung des seit 7. Oktober andauernden Kriegs zwischen Israel und der Hamas.

Denn: Die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon, die wiederum vom Iran unterstützt wird, droht mit Vergeltung für die Tötung al-Aruris. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warnt Israel vor einem Krieg gegen den Libanon, den seine Miliz dann "ohne Regeln, ohne Grenzen" führen würde.

Allerdings gibt der politische Analyst Makram Rabah Entwarnung.

Laut ihm sind weder die Hisbollah noch ihr größter Unterstützer, Iran, bereit, sich größeren Vergeltungsmaßnahmen zu stellen, sagt Rabah der Nachrichtenagentur dpa. "Seit Beginn des Konflikts ist klar, dass Iran kein Interesse an einer umfassenden Konfrontation hat", führt er aus.

Fakt ist: Bisher reklamierte niemand den mutmaßlichen Anschlag für sich. Laut "Wall Street Journal" besteht aber das Ziel des Anschlags offenbar darin, die Spannungen zwischen Israel und Iran in einer Zeit erhöhter Sensibilität zwischen beiden Seiten nach der Ermordung des Hamas-Anführers al-Arouri weiter anzuheizen.

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

US-Außenminister Antony Blinken reist nun in den Nahen Osten angesichts der Furcht vor einer weiteren Eskalation des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Es wäre Blinkens vierte Nahostreise und sein fünfter Besuch in Israel seit dem Überfall der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober.

U.S. Secretary of State Antony Blinken deplanes at the Felipe Ángeles International Airport (AIFA) in Zumpango, on the outskirts of Mexico City, Wednesday, Dec. 27, 2023. (AP Photo/Fernando Llano)
US-Außenminister Antony Blinken soll sich erneut auf den Weg nach Israel befinden.Bild: AP / Fernando Llano

Auch Deutschland zieht offenbar Konsequenzen aus den Ereignissen im Nahen Osten.

Wie reagiert das Auswärtige Amt auf die Lage?

Wegen der Spannungen an der israelisch-libanesischen Grenze hat das Auswärtige Amt deutsche Staatsangehörige aufgefordert, den Libanon so schnell wie möglich zu verlassen. Deutsche, die sich noch in dem Land aufhalten, sollten "auf schnellstem Wege" ausreisen, schreibt das Auswärtige Amt am auf der Plattform X. "Eine Eskalation an der Grenze zwischen Israel und Libanon ist nicht auszuschließen", heißt es.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert seit mittlerweile fast drei Monaten an. Am 7. Oktober hatten Hunderte Hamas-Kämpfer in einem brutalen Angriff Israel überfallen und Gräueltaten verübt. Dabei wurden rund 1140 Menschen getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Israel greift seither in einer massiven Militärkampagne Ziele im Gazastreifen an und tötete nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 22.300 Menschen.

(Mit Material der dpa und afp)

Haftbefehl gegen Netanjahu: Welche Folgen die IStGH-Entscheidung hat

Der Gazastreifen liegt in Schutt und Asche, das Sterben gehört dort zum Alltag, Kinder leiden massiv: Der Nahost-Konflikt und das brutale Agieren Israels im Gazastreifen spaltet die Gesellschaft. Es hagelt seit Monaten Kritik zur ungeheuren Brutalität, mit der das Land unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Enklave vorgeht. Auch in Israel wird der Widerstand größer.

Zur Story