Russland kappt Internet von Touristen: SIM-Karten gehen nicht mehr
Europäer:innen sollten wegen der angespannten politischen Lage aktuell nicht nach Russland reisen. Die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes raten von nicht unbedingt notwendigen Reisen ab und warnen vor willkürlichen Festnahmen, insbesondere für deutsch-russische Doppelstaatler.
Doch trotz des Krieges zieht es noch viele Menschen in das von Wladimir Putin regierte Land, etwa jene aus verbündeten Ländern oder Menschen mit russischen Wurzeln. Doch Reisen sind mit massiven Einschränkungen verbunden.
Wer in diesen Wochen in Russland landet, erlebt eine weitere unangenehme Einschränkung: Das Handy zeigt Empfang, aber das Internet bleibt tot. Ausländische SIM-Karten funktionieren nicht mehr, weder für mobile Daten noch für SMS.
Wie das unabhängige russische Exil-Medium "Meduza" berichtet, betrifft die Sperre seit Mitte Oktober praktisch alle ausländischen Besucher:innen. Offiziell soll sie der Sicherheit dienen – doch mit der neuen Netzblockade verschärft sich die Isolation jetzt auch digital.
SIM-Karte in Russland down, angeblich zum Schutz vor Drohnen
Bereits im August kündigte das russische Digitalministerium an, einen sogenannten "Abkühlungszeitraum" für ausländische SIM-Karten einzuführen. Dahinter steckt offiziell folgende Idee: Ausländische Nummern sollen in den ersten Stunden nach der Einreise automatisch gesperrt werden, angeblich um den Einsatz von Drohnen mit Mobilfunksteuerung zu verhindern.
"Diese Maßnahme ist notwendig, um gegen SIM-Karten in Drohnen vorzugehen", sagte Digitalminister Makzut Schadajew laut "Meduza". Geplant war ursprünglich eine mehrstündige Netzsperre nach Einreise, daraus wurde ein 24-Stunden-Stopp.
Doch in der Praxis funktioniert das System kaum: Zahlreiche Nutzer:innen berichten, dass das Internet tagelang abgeschaltet bleibt, teilweise auch für SMS. Selbst russische Experten halten das für Symbolpolitik: "Nicht alle Kampfdrohnen werden per SIM-Karte gesteuert – und oft sind es russische Karten", zitierte die "Taz" den Drohnenhersteller Nikita Danilow.
Maßnahme gilt als Teil der Strategie von Putin zur digitalen Isolation
"Meduza" berichtet mit Berufung auf "Kommersant"-Recherchen, dass es nur einem Anbieter gelang, die Sperre technisch korrekt umzusetzen. Bei allen anderen blieb die Verbindung dauerhaft blockiert. Ein Insider sagte der Zeitung: "Die meisten Unternehmen konnten den Zeitraum technisch nicht begrenzen. Für sie gilt die Sperre während des gesamten Aufenthalts im Land." Das Digitalministerium kommentierte die Ausfälle bislang nicht.
Offiziell geht es um Schutz vor Angriffen. Doch laut "Meduza" verfolgt der Kreml ein anderes Ziel: digitale Kontrolle. Die SIM-Sperre passt in Putins Konzept der "digitalen Souveränität": ein abgeschottetes Internet, unabhängig vom Westen.
Ein IT-Sicherheitsexperte erklärte demnach gegenüber "Wedomosti": "Diese Einschränkungen werden die Gefahr von Drohnenangriffen nicht beseitigen. Aber sie zeigen, dass Russland die totale Kontrolle über mobile Kommunikation anstrebt."
Das Institute for the Study of War (ISW) bewertet solche Maßnahmen als Teil von Putins Strategie, die Kontrolle über den Informationsraum auszubauen. Der Kreml teste damit laut ISW, wie weit sich Russland technisch vom globalen Netz isolieren lasse.
SIM-Karten-Problem betrifft auch Menschen aus Russland
Betroffen sind nicht nur Tourist:innen. Wer russische Dienste mit ausländischen Bankkarten nutzt, bekommt keine SMS-Codes mehr und kann sich nicht einloggen. Viele digitale Bezahlmöglichkeiten sind dadurch blockiert. Damit verliert auch ein Teil der russischen Bevölkerung Zugriff auf westliche Zahlungsanbieter oder Online-Dienste.
Für Reisende ist die Lage besonders absurd: Um eine russische SIM-Karte zu bekommen, müssen sie laut Meduza eine registrierte "Gosuslugi"-ID, einen notariell übersetzten Pass, eine Sozialversicherungsnummer (SNILS) und biometrische Daten vorlegen.
Der Vorgang dauert Tage und endet oft trotzdem ohne Internetzugang. Denn vielerorts wird das mobile Netz regelmäßig aus "Sicherheitsgründen" abgeschaltet. Nur bestimmte, staatlich geprüfte Webseiten bleiben dann erreichbar: Für sie gibt es nur eine Art gefiltertes, russisches Internet.