Von einer Infektion mit Covid-19 bekommen viele Jugendliche kaum etwas mit. Die Spätfolgen sind dagegen gefährlicher.Bild: dpa / Arne Dedert
Deutschland
Mit der Zunahme der
Corona-Ansteckungen bei Kindern und Jugendlichen sind nach
Einschätzung eines pädiatrischen Infektiologen auch mehr Spätfolgen
in diesen Gruppen zu erwarten. "Wir rechnen durch die Lockerungen der
Maßnahmen mit mehr Betroffenen mit meist diffusen, länger anhaltenden
gesundheitlichen Problemen", sagte Markus Hufnagel vom Zentrum für
Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Freiburg der
Deutschen Presse-Agentur. "Darauf ist die Pädiatrie im Vergleich zur
Versorgungssituation bei Erwachsenen nach überstandener Infektion
noch nicht vorbereitet."
Corona-Spätfolgen für Minderjährige gefährlich
Akute Corona-Infektionen laufen bei Kindern oft symptomlos ab,
schwere Krankheitsverläufe sind auch noch bei Jugendlichen eher
selten. Von Spätfolgen wird dennoch auch bei Minderjährigen
berichtet: Diese setzten manchmal auch erst Monate nach der
Corona-Infektion ein oder verschlechterten sich, schildert Hufnagel.
Für Ärzte gelte es in solchen Fällen zum Beispiel, das Vorliegen
anderer Infektionen durch Tests auszuschließen. Um den Betroffenen
ambulante Angebote machen zu können, gebe es Überlegungen zum Aufbau
von Spezialambulanzen für Kinder und Jugendliche.
In der Fachsprache ist bei dem Phänomen von Long Covid (Langes
Covid-19) oder Post Covid (Nach Covid-19) die Rede. Da für Kinder und
Jugendliche noch keine Covid-19-Impfstoffe zugelassen sind, zählen
sie zu den Gruppen, die noch einige Monate empfänglich für das Virus
sein werden. Mit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen mit Schul- und
Kita-Öffnungen rücken mögliche Spätfolgen der Infektion in diesen
Gruppen in den Fokus. Seit Wochen steigen die nachgewiesenen
Corona-Fälle bei Kindern und Jugendlichen nach Daten des Robert
Koch-Instituts (RKI) an.
Höhere Fallzahlen bedeuten mehr "Lange-Leidende"
"Das Krankheitsbild ist sehr variabel", erläutert Hufnagel und
zählt mögliche Folgen auf, die auch in Kombination auftreten könnten:
Darunter sind chronische Erschöpfung, generelle Leistungsminderung
und Gelenk- und Muskelschmerzen. Aber auch Hautveränderungen, ähnlich
Frostbeulen an den Zehen. Anhaltender Geruchs- und Geschmacksverlust
spiele hingegen im Vergleich zu Erwachsenen bei Kindern und
Jugendlichen eine untergeordnete Rolle. "Generell sind die Symptome
nicht Sars-CoV-2-spezifisch. Das heißt, wir kennen solche anhaltenden
gesundheitlichen Einschränkungen auch von anderen Virusinfektionen
wie dem Pfeifferschem Drüsenfieber", betonte Hufnagel.
Das Problem dürfe nicht unterschätzt werden: Je höher die
Fallzahlen insgesamt sind, desto größer werden auch die Zahlen der
Lange-Leidenden. "Das Problem wird derzeit eher größer als kleiner,
wir sehen schon jetzt deutlich mehr Post-Covid-Fälle", sagte
Hufnagel. "Das sind eher Patienten im Jugendalter; Fälle in den
ersten zehn Lebensjahren sind deutlich seltener." In der Regel hätten
Eltern den Verdacht auf einen Zusammenhang mit einer
Corona-Infektion, teils gebe es auch schon einen Antikörpernachweis.
Studie: Kinder wiesen Symptome auf, drei Monate nach Infektion
Daten aus Deutschland zu dem Thema gebe es bislang nicht, sagte
Hufnagel, der mit Kollegen der Dresdner Universitätskinderklinik ein
Register zu Krankheitsverläufen aller stationär behandelten Kinder
und Jugendlichen mit Sars-CoV-2-Infektion der Deutschen Gesellschaft
für Pädiatrische Infektiologie etabliert hat. Eine Studie, bei der
Haushalte mit Corona-Fällen über längere Zeit begleitet wurden, habe
gezeigt, dass fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 14
Jahren drei Monate nach der Infektion noch mindestens ein Symptom
aufwiesen. Bei Erwachsenen betreffe es hingegen bis zu jeden Dritten,
schilderte Hufnagel.
Schätzungen britischer Statistiker vom Office for National
Statistics (ONS) zeigen ebenfalls, dass die Last nach durchgemachter
Infektion bei Erwachsenen deutlich ausgeprägter zu sein scheint.
Während der Anteil derjenigen, die fünf Wochen nach einer Infektion
noch mindestens ein Symptom wie Husten, Fieber oder Müdigkeit haben,
bei den Zwei- bis Elfjährigen bei rund 13 Prozent liegt, sind es bei
den 12-bis 16-Jährigen 14,5 Prozent.
Allerdings spielt beim Auftreten der Spätfolgen nach Einschätzung
Hufnagels auch die generell belastende und ermüdende
Pandemiesituation eine Rolle - nicht nur das Virus allein. "Der
Lockdown ist ein großer Stressfaktor. Wenn sich die Pandemiesituation
bessert, dürften zumindest bei einem Teil der Betroffenen auch die
Ermüdungsanzeichen besser werden."
(vdv/dpa)
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