Es gibt nichts, was im Preis-Leistungs-Verhältnis an ein Fahrrad herankommt (maximal Kratz-Eis für 40 Cent). Für ein paar Hundert Euro kommt man auf kürzeren Strecken überall hin und tut etwas für seine Gesundheit und die Umwelt. Es müsste eine Wonne sein, in einer Stadt wie Berlin Fahrrad zu fahren. Die Straßen sind breit und es gibt überall was zu sehen. Doch leider vertragen sich Spree-Metropole und Fahrräder so gar nicht.
Im Fahrrad-Klima-Test des ADAC von 2016 landet Berlin auf Platz 36 von 39 getesteten Städten. Darin bewerten die Bürger Fahrradfreundlichkeit ihrer Heimat. 2012 lag die Hauptstadt immerhin noch auf Platz 24 von 38.
Warum ist Radfahren in Berlin so zur Qual geworden?
Lasst euch das von jemandem erklären, der seit vier Jahren Fahrrad in Berlin fährt und langsam am Ende seiner Nerven angelangt ist.
Einst legte ich mir ein sehr schönes und teures Fahrrad zu. Es war rot, mit braunen Leder-Griffen, und es muckte nie auf. Vor einigen Wochen fuhr ich damit nach Prenzlauer Berg, schloss es vor einem Einkaufszentrum (!) ab. Als ich es gegen Mitternacht abholen wollte, lag mein aufgeknipstes Schloss auf dem Boden und mein Rad war weg.
Ich habe es so oft schon im so vermeintlich gefährlichen Kreuzberg oder Neukölln abgeschlossen und nie wurde es geklaut. Dann fahre ich einmal nach Prenzel-Berg und es ist weg. Wahrscheinlich lohnt sich das Klauen von Bonzen-Rädern aus dem P-Berg auch mehr. Man denkt, es trifft einen nie, doch das ist Quatsch. 2017 wurden in Berlin pro 100.000 Einwohner 848 gestohlene Fahrräder gemeldet. Das ist Spitzenwert. Im Saarland waren es gerade mal 113.
Berlin hat sich mal den Slogan „Arm aber sexy“ gegeben. Für Radfahrer gilt dadurch: arm aber saugefährlich. Was diese Stadt Radweg nennt, ist ein Witz.
Radwege in Berlin sind gerne mal:
Es bleibt einem fast nichts übrig, als auf der Straße zu fahren, was natürlich auch die Autofahrer zur Weißglut treibt.
Vor allem im Sommer. Überall liegen Scherben und zwar nicht nur vor Bars oder Spätis. Betrunkene Feier-Biester überziehen die Stadt mit ihrer Rücksichtslosigkeit und gerade in den Sommerferien findest du überall zerbrochene Bierflaschen. Und die liegen teils Tage dort rum.
Innerhalb von zwei Wochen hatte ich zweimal einen Platten durch Scherben. Willst du versuchen, sie zu umfahren, musst du dich auf waghalsige Manöver einlassen, die nicht nur dich gefährden.
Leihräder sind ein Thema für sich. Besonders schön ist es, wenn sie motivationslos mitten auf dem Gehweg abgestellt werden oder wie ein misshandelter Metall-Kadaver in einer Neuköllner Seitenstraße herumliegen.
Vor allem Touristen haben Leihbikes für sich entdeckt. Und so fahren ganze Touri-Schwärme auf Instant-Drahteseln durch die Straßen. Das Problem nur: Wenn du nicht häufig Fahrrad fährst, dann ist Berlin nicht der Ort, um es zu üben. Ein Tipp für Besucher an dieser Stelle:
Vor ein paar Monaten erlebte ich, wie ein Autofahrer einem Radfahrer ganz mies die Vorfahrt nahm. Der radelte um sein Leben, um den Autofahrer an der Ampel einzuholen und ihm in die Hintertür zu treten. Der Fahrer stieg aus seinem Auto aus und säbelte den Radfahrer ansatzlos mit seiner Rechten vom Rad.
Woher kommt dieser Hass im Straßenverkehr? In einer so direkten und schnellen Stadt wie Berlin nimmt kaum ein Verkehrsteilnehmer Rücksicht auf den anderen. Auto- und vor allem Taxifahrer sind regelmäßig genervt von Fahrradfahrern und Deliveroo-Boten auf der Straße, die sich durch ihre Wendigkeit auch jeden Vorteil im Verkehr einräumen.
So heizen Rasende Radfahrer auch auf dem Bürgersteig durch die Fußgängermassen. Vielleicht sollten sich mal alle beruhigen und dran denken, dass auch immer andere Menschenleben im Spiel sind.