Wer auf der Straße lebt, riecht – vor allem im Sommer. Gerade jetzt fällt Obdachlosigkeit eher durch einen beißenden, stechenden Geruch auf. Kein Wunder. Denn im Gegensatz zu uns haben Obdachlose selten die Möglichkeit, morgens oder abends zu duschen, ihre durchgeschwitzte Kleidung zu waschen oder vor der Hitze an einen kühlen, klimatisierten Platz zu flüchten.
Einige Notunterkünfte und Einrichtungen für Bedürftige haben zudem im Sommer geschlossen. Zum einen sind viele ehrenamtliche Mitarbeiter im Urlaub, zum anderen fehlen Mittel, Hilfsprojekte das ganze Jahr über finanziell zu unterstützen. Und so übernachten einige Obdachlose nachts unter freiem Himmel oder in behelfsmäßigen Zelten in Parks – doch spätestens bei Sonnenaufgang werden diese Orte vom Ordnungsamt oder Sicherheitspersonal geräumt.
"Früher war das noch nicht so", berichtet Uwe, ein ehemaliger Obdachloser t-online.de. Da wurde es den auf der Straße lebenden Menschen sogar noch gestattet, kostenlos in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen zu duschen. "Mittlerweile kostet alles Geld", sagt Uwe, der bei Stadtführungen von querstadtein e. V. Interessierten das Leben auf der Straße aus seiner Sicht erklärt. Teilweise sei es aber auch für Bedürftige nicht mehr möglich, Sanitärräume in öffentlichen Einrichtungen aufzusuchen. Das Sicherheits- und Wachpersonal hindere sie daran.
Man gewöhne sich an die mangelnde Hygiene, sagt er. Es gibt aber auch viele Obdachlose, für die ein gepflegtes Äußeres sehr wichtig ist.
Viele Obdachlose besitzen nur wenige Sachen, die sie wenn möglich, immer bei sich tragen. So auch im Sommer. Das hat zur Folge, dass viele von ihnen trotz hoher Temperaturen sehr dick angezogen sind. Entweder weil sie ihre Kleidung sonst in Tüten mich sich herumschleppen müssten oder weil sie nicht ausreichend luftige Kleidung besitzen. Einige Obdachlose tragen trotz hoher Temperaturen ihre lange Kleidung aber auch, um sich vor der Sonne zu schützen. Sonnenschutzcremes besitzen die wenigsten – schwere und schmerzhafte Sonnenbrände sind die Folge, wenn die Haut nicht durch die Kleidung geschützt wird.
Das hat gesundheitliche Folgen: Auf der Straße lebende Menschen schwitzen schnell und stark und dehydrieren häufiger. Zudem können Wunden, Hauterkrankungen sowie eitrige Flechte oder Pilzerkrankungen wegen der Kleiderschichten, dem Schweiß und der mangelnden Hygiene nicht verheilen. Zwar gibt es Duschmöglichkeiten, diese dürfen jedoch – beispielsweise bei der Caritas – nur bei gesundheitlichen Notfällen benutzt werden. Andere Möglichkeiten, beispielsweise öffentliche Duschen an Hauptbahnhöfen – sind häufig teuer. Sie zu benutzen kostet rund sieben Euro. Geld, das viele Obdachlose nicht haben, oder lieber für andere Dinge ausgeben.
In Berlin weiß man das und so hat die Deutsche Bahn mit der Berliner Stadtmission 2015 das bisher einzige Hygienecenter in Deutschland eröffnet. "Dort haben Obdachlose und Bedürftige die Möglichkeit, sich zu duschen, sich zu rasieren oder sich auch mal die Haare schneiden zu lassen", erklärt Ortrud Wohlwend, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Stadtmission. "Das Angebot ist kostenlos und steht jedem zur Verfügung." Wohlwend berichtet t-online.de, dass das Angebot gerne angenommen werde. Die Hygiene und die Pflege gebe ihnen ein Stück Würde zurück. Einige nehmen das kostenlose Angebot sogar fast täglich an, erklärt Wohlwend stolz.
Aufgrund der extremen Hitze will der Berliner Senat am Wochenende kostenlose Wasserflaschen und Sonnencreme an Obdachlose verteilen.
Obdachlosen fehle es an geschützten Rückzugsräumen, angemessener Kleidung und wetterangepasstem Essen und Trinken.
"Trinken ist wichtig, sonst versagt der Kreislauf", weiß auch Uwe aus eigener Erfahrung. Dass Obdachlose, wie einige Medien berichten, absichtlich dehydrieren, um dann im Krankenhaus einige Tage versorgt zu werden, ist ihm nicht bekannt. Vor allem in Berlin gebe es genug Möglichkeiten, an Trinkwasser zu gelangen, bestätigen Uwe und auch Ortrud Wohlwend. "Vielmehr ist das Problem im Sommer, dass du mehr trinkst. Und zwar Alkohol. Unter anderem, um deine Psychosen auszublenden", so Uwe.
Diese treten im Sommer verstärkter als im Winter auf. Denn wenn es kalt ist, geht es ums nackte Überleben. Sobald die Temperaturen wieder angenehm sind, kommt alles hoch, was man während des Winters so gut verdrängt hat: Depressionen, Halluzinationen und andere psychische Störungen. Diese sind teilweise so stark, dass eine Bewältigung des Alltags kaum möglich ist. Dabei ist gerade die Kombination, Alkohol und Hitze, besonders gefährlich. Der Alkohol verschlechtert den Gesundheitszustand drastisch und mache zudem noch aggressiv. Doch in dem Moment sei dir das egal, so Uwe.
Möchten Menschen helfen, aber einem auf der Straße Lebenden kein Geld geben, so können Trinkwasser, Limonade, Hygieneartikel (Deo, Seife, Sonnenschutzcreme) oder Obst gespendet werden, sagt Uwe. Auch über ein Eis freuen sich viele Obdachlose an heißen Tagen. Am besten fragen Sie vorher, welche Dinge benötigt werden. Zudem sollen Spender nicht enttäuscht sein, falls ihr Geschenk nicht angenommen werde, rät Uwe. "Einige auf der Straße lebenden Menschen sind manchmal sehr eigen." Viele nehmen Hilfe ungern an. "Es gibt Möglichkeiten, aus diesem Sog der Obdachlosigkeit herauszukommen. Aber der Weg ist steinig, hart und schwer. Das bedeutet: Stolpern, hinfallen und wiederaufstehen", sagt Uwe. Und das könne man nur, wenn man wirklich will und sich helfen lässt.
Wer keinen bedürftigen Menschen direkt helfen möchte, kann dies auch über soziale Einrichtungen tun. Beispielsweise sammelt der Hamburger Verein Hanseatic Help seit mehreren Jahren Schlafsäcke, Isomatten und Zelte nach Festivals wie Hurricane oder Deichbrand von Besuchern oder auf dem Gelände ein. Sie werden dann aufbereitet und an Obdachlose und Bedürftige verteilt.
Till Bork von der Caritas-Ambulanz für Wohnungslose in Berlin sagt t-online.de: "Nicht nur Sachspenden wie Schlafsäcke und Isomatten sowie Socken und festes Schuhwerk sind willkommen." Auch Sommerkleidung, gute Sandalen oder Hygieneartikel werde benötigt. "Hygieneartikel wie Einwegrasierer, Sonnencreme und Zahnbürsten werden immer gebraucht und direkt an die Wohnungslosen weitergegeben."
Dieser Text erschien zuerst auf t-online.de