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Was die Berliner Clubszene im Sommer 2021 plant – und was ihr Sorge macht

Große Partys finden 2021 vermutlich eher im Freien statt. (Symbolbild)
Große Partys finden 2021 vermutlich eher im Freien statt. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / nd3000
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"Sommer voll auskosten": Was die Clubszene 2021 plant – und was ihr Sorgen macht

19.05.2021, 16:3722.05.2021, 11:18
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Trinken, tanzen, ausgelassen feiern – vielen Menschen fehlt das nach über einem Jahr Corona mehr denn je. Dichtes Menschendrängen in Keller-Clubs wird wohl noch eine Weile unmöglich sein, doch erste Lockerungsschritte in mehreren Bundesländern geben auch Party-Wütigen neue Hoffnung.

So dürfen Berliner Clubs mit Außenbereichen am Wochenende zum Beispiel wieder bis zu 250 Menschen empfangen, sofern sie nur an Tischen zusammensitzen und einen negativen Schnelltest an der Tür vorweisen können.

Ist das der erste, vorsichtige Start zurück ins Nachtleben? Wie werden wir die Sommermonate im zweiten Corona-Jahr feiern können? Watson sprach darüber mit Lutz Leichsenring. Er ist Sprecher der Berliner Clubcommission und Mitinitiator von "United We Stream".

"Wir hoffen jetzt, dass die Inzidenzen niedrig bleiben und das Wetter mitmacht, damit wir den Sommer voll auskosten können."

watson: Wann machen die Clubs wieder auf?

Lutz Leichsenring: Die ersten Clubs werden ab diesem Wochenende in Berlin wieder ihre Tore öffnen können. In sehr kleinem Rahmen natürlich, heißt: Nur die Außenbereiche sind nutzbar und es dürfen maximal 250 Besucher kommen. Tanzen geht vorerst nicht, aber Gastronomie wird wieder möglich sein.

Ist diese Öffnung für die Betreiber ein erster Hoffnungsschimmer?

Ja. Die Vorbereitungen für die Öffnung laufen schon seit Wochen, zahlreiche Förderprogramme haben die Clubs in den vergangenen Monaten dabei unterstützt, die Läden "Corona-sicher" zu gestalten. Nun scheint sich das endlich auszuzahlen und der langersehnte Sommer ist in greifbarer Nähe. Ab dem 18. Juni dürfen dann bis zu 1000 Leute bei Veranstaltungen im Freien zusammenkommen, das ist für das Nachtleben eine positive Perspektive.

"Etwa zwei Drittel der Berliner Clubs haben keine Außenflächen – wenn ich also von Öffnungen spreche, betrifft das weiterhin nur einen Bruchteil."

Aber viele Clubs liegen ja im Innenstadtbereich und haben Nachbarn. Ist da Feiern im Freien überhaupt möglich?

Die Clubbetreiber kennen ihre Nachbarn ja nicht erst seit gestern und werden sich natürlich an die Lärmschutzregeln halten. Aber wir erhoffen uns da von Verwaltung und Nachbarn ein bisschen Toleranz nach dem langen Lockdown. Es ist sicher sinnvoll, die Leute so lange wie möglich draußen feiern zu lassen, weil da die Infektionsgefahr bekanntermaßen einfach niedriger ist, als wenn sich die Menschen in Innenräume zurückziehen müssen.

Was ist mit den Clubs ohne Außenbereiche?

Die müssen leider weiter abwarten. Etwa zwei Drittel der Berliner Clubs haben keine Außenflächen – wenn ich also von Öffnungen spreche, betrifft das weiterhin nur einen Bruchteil.

Könnten im Sommer nicht auch städtische Freiflächen für Partys genutzt werden?

Es gibt einen engen Austausch mit den Senatsverwaltungen und tatsächlich wurden uns zehn Flächen bereitgestellt, auf denen wir Partys organisieren können. Berlin plant, diesen Sommer viel Kulturleben nach draußen zu verlagern. Wir hoffen jetzt, dass die Inzidenzen niedrig bleiben und das Wetter mitmacht, damit wir den Sommer voll auskosten können.

Wie wird ein Clubbesuch in der Übergangszeit aussehen?

Vorerst werden nur bestuhlte Außenbereiche geöffnet. An den Tischen dürfen maximal fünf Personen zusammensitzen, die eine Maske tragen müssen, sobald sie den Sitzplatz verlassen. Eigentlich hatten wir das so schon im vergangenen Sommer. Zum Hygienekonzept jetzt gehört aber auch, dass man einen aktuellen, negativen Testnachweis mitbringt und sich zusätzlich über eine App zur Nachverfolgung registriert. Für viele Veranstalter wäre es hilfreich, wenn Testergebnisse und Impfnachweise zunehmend in diesen Apps hinterlegt werden können, das wird wohl aber noch ein wenig dauern.

"Wir müssen uns darauf verlassen können, dass digital vorgezeigte Test- und Impfnachweise echt sind."

Wer prüft diese Nachweise denn? Die Türsteher?

Das ist eine Frage, die uns noch sehr beschäftigt. Wir sehen da dringenden Gesprächsbedarf und fordern die Entscheidungsträger auf, ein einheitliches System einzuführen, das betrugssicher ist. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass digital vorgezeigte Test- und Impfnachweise echt sind. Solange nur Außenbereiche geöffnet werden, ist das noch nicht so dringend, aber sobald es um die Öffnung von Innenbereichen geht, muss eine verlässliche Lösung her. Ansonsten wäre das Risiko zu groß, dass ein Infizierter durchrutscht und den ganzen Raum ansteckt.

Wäre denn der Club haftbar, wenn sich ein Gast mit gefälschtem Impfpass einschmuggelt?

Der Clubbetreiber müsste zumindest nachweisen, dass er sein Bestmögliches getan hat, um die Angaben zu prüfen. Das ist noch eine rechtliche Grauzone. Einen gefälschten Impfpass oder Schnelltest in ein paar Sekunden an der Tür zu erkennen, ist aber unrealistisch, deshalb halten wir es für so wichtig, ein einheitliches, sicheres und digitales System festzulegen. Abgesehen davon wäre es auch für die Gäste komfortabler, wenn nicht in jedem Club etwas anderes gilt und man fünf Apps vorzeigen muss, um Einlass zu bekommen.

Sind die Gäste überhaupt bereit, ihre Daten an der Tür abzugeben?

Das kommt sehr auf die Szene an. Ein Fetisch-Club wird wohl eher damit Probleme haben, dass sich die Gäste registrieren als ein Konzertsaal, weil die Besucher anonym bleiben wollen. Letztlich wird jeder Clubbesitzer mit Blick auf seine Gäste abwägen müssen, ob sich eine Öffnung unter den Corona-Bedingungen für ihn überhaupt finanziell tragbar ist und mit der Philosophie des Ladens vereinbar ist.

Fehlen den Menschen ihre Clubs?

Ja, sehr. Die Leute wollen feiern, Kunst und Kultur genießen! Das sieht man ja schon an den ganzen Partys, die inzwischen im Verborgenen stattfinden und zu einem echten Problem geworden sind. Es war an der Zeit, den Menschen wieder eine legale Alternative zu bieten. Illegale Veranstaltungen ohne Hygienekonzepte sind nicht nur schädlich für das Geschäft der Clubbesitzer, sondern auch epidemiologisch riskant.

"Die Leute wollen feiern!"

Immer wieder wurde vor dem großen Club-Sterben gewarnt. Ist das eingetroffen?

Die Clubs in Berlin haben die Corona-Krise – auch dank finanzieller Hilfen – bislang überlebt. Die große Frage für uns ist aber: Kommen wir jemals wieder auf das gleiche Niveau von früher zurück? Wenn nicht, wird im Nachklang sicher der eine oder andere Laden schließen müssen. Alleine 30 Prozent der Clubbesucher in Berlin sind zum Beispiel Touristen – ob die in dem Ausmaß wieder zurückkommen, steht noch in den Sternen.

Totensonntag: Welche Regeln gelten?

Der Totensonntag ist in der Evangelischen Kirche ein Gedenktag für die Verstorbenen. Viele evangelische Christ:innen erinnern an diesem Tag an Menschen, die im Vorjahr verstorben sind. Der Gedenktag findet immer am letzten Sonntag vor dem ersten Adventssonntag statt. Dieses Jahr ist das der 24. November.

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