Sie nennen sich "Adam Angst" – spielen wuchtig, texten deutsch, direkt und rotzig. Gerade ist ihr zweites Album "Neintology" erschienen – ein durch und durch politisches Stück. Im watson-Interview sprechen wir mit Sänger Felix Schönfuss und Bassist Christian Kruse über Angst, Filterblasen und Campino.
watson: Wovor hat Adam Angst?
Schönfuss: Ich persönlich habe hauptsächlich Angst vor der
politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Dass Rechts weiter in die
Mitte rückt. Dass viele Formulierungen und Meinungen plötzlich normal werden. Dass
Politiker im Amt bleiben, die vor ein paar Jahren ganz sicher hätten den Hut
nehmen müssen. Natürlich: Wir sind mehr. Trotzdem hat man das Gefühl, irgendwie
bringt das alles nichts. Man kommt da nicht mehr gegen an. Ich frage mich einfach,
ob das in manchen Menschen einfach drin ist. Ob es im Deutschen einfach drin
ist.
Kruse: Es ist ja nicht nur im Deutschen drin. Es ist ein
Phänomen, was sich komplett durch Europa und die Welt zieht.
Ist der Albumtitel "Neintology“
eine Art Reflex darauf? Ein Nein zu solchen Entwicklungen?
Schönfuss: Nein. Wir brauchten einen Titel und "Neintology" fanden wir schön. Um mehr ging es nicht.
Das heißt, ihr seid
gar nicht so destruktiv, wie es der Titel vermuten lässt?
Schönfuss: Ich kann keine Songs schreiben wie "Haus am See" oder
so. Songs entstehen immer aus einem negativen Gefühl heraus. Ich habe auch gute,
schöne Tage. Aber dieses Gefühl sorgt nicht dafür, dass daraus ein Song
entsteht.
Setzt Kreativität denn
immer Wut voraus?
Schönfuss: Bei mir schon.
Kruse: Das hat auch damit zu tun, wie man aufgewachsen ist,
wodurch man musikalisch geprägt wurde. Aber ich sehe das auch gar nicht so
negativ. Wir sprechen halt Dinge ziemlich deutlich an.
Muss das so laut, geht
das nicht auch leiser? Die Frage ist
ja, ob sich das nicht irgendwann abnutzt?
Kruse: Das habe ich mich auch schon gefragt. Bei mir bisher
aber noch nicht.
Schönfuss: Wir versuchen, das durch die Musik aufzufangen. Gerade auf Konzerten erzeugen wir positive Energie. Wir wollen ja nicht, dass die Leute durch uns deprimiert werden. Wir haben sogar tanzbare Songs.
Ihr habt auf dem
Album einer ganz besonderen Frau ein Lied gewidmet: Alexa, der sprachgesteuerten
Amazone. Im Song heißt es: "Wir haben dich erzogen und dir alles anvertraut.
Doch du nahmst unser Leben mit in eine unbekannte Cloud."
Schönfuss: Wir wollten ein komplett irrsinniges Zukunftsszenario
schaffen. Alexa ist beleidigt, weil sie alle herumkommandieren und fängt dann
an, so terminatormäßig zu rebellieren. Sie macht sich selbständig und übernimmt
die Weltherrschaft.
Ihr thematisiert auch
Facebook und Filterblasen. In "Blase aus Beton" kritisiert ihr die virtuelle
Zweiteilung. "Pegida zieht durchs
ganze Land, doch hier kommen irgendwie nur Katzen an." Wie sehr seid ihr Blase?
Schönfuss: Wir können uns davon nicht freisprechen. Wir sind ja
selbst in unserer Blase. Ich folge ja auch nicht der NPD, weil ich irgendwie
informiert sein will. Ich will nichts von denen sehen und schmeiße Freunde von
der Freundesliste, die rechtes Zeug posten.
In einem anderen Song
heißt es: "Egal, wie viele das nicht erkennen, ich werde dich immer Nazi nennen." Das ist kein Aufruf zur Diskussion miteinander. Sondern eher: Blase greift
Blase an. Sollten wir nicht miteinander reden? Das zumindest fordert der
Bundespräsident in der Initiative "Deutschland spricht".
Kruse: Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren
eigentlich schon versucht wurde, miteinander zu reden, dass das aber zu nichts
geführt hat. Ein bisschen Provokation in Richtung richtiger Wixer muss auch
erlaubt sein.
Schönfuss: Natürlich gibt es auch Leute, die kann man nicht pauschal Nazi nennen. Die tragen vielleicht ein Onkelz-Shirt, wissen es nicht besser oder denen ist es einfach egal. Vielleicht haben sie auch schlechte Erfahrung gemacht. Mit diesen Leuten kann man ja auch reden.
Die Initiative "Deutschland
spricht" übertragen auf euch oder auf die Musikszene hieße ja, ihr müsstet
nicht nur mit den Fans von Freiwild reden, sondern ihr müsstet mit Freiwild
reden.
Schönfuss: Ja, mit denen müsste man mal ein ernstes Wörtchen
reden.
Sollen wir das mal
organisieren?
Kruse: Ich glaube, da haben die keinen Bock drauf.
Schönfuss: Uns ging es im Song im Grunde um die ganzen
Anzugrechten, die es in den Bundestag geschafft haben. Die ganzen Leute, die
rhetorisch geschult sind, die gepflegt auftreten und nach außen ein kompetentes
Bild abgeben. Das ist ja das Schlimme, dass die Nazis nach langer Zeit
verstanden haben, was sie tun müssen, um Anhänger zu bekommen. Früher waren es
halt Glatzköpfe in Bomberjacken, die Menschen durch die Straßen gejagt haben.
Heute wollen nicht
mal mehr die Nazis Nazis sein.
Schönfuss: Die kommen dann als Identitäre oder was weiß ich.
Aber egal, wie verkleidet diese Gruppen auftreten, wir müssen sie weiterhin als
das bezeichnen, was sie sind: Rassisten.
Adam Angst ist eine
politische Band. Sind euch die Kollegen manchmal zu ruhig?
Schönfuss: Nein. Von Musikern wird immer erwartet, dass sie sich
politisch äußeren. Ich finde es vermessen, zu sagen, wann meldet sich endlich
Mark Forster zu Wort. Gegenfrage: Wann meldet sich Manuel Neuer zu Wort? Natürlich.
Ich weiß schon, warum es diese Erwartungshaltung gibt. Musik hat im Gegensatz
zu Sport fast immer eine Aussage. Ich finde solche Forderungen trotzdem
komisch. Und würde das auch von niemandem verlangen. Wir machen es halt klar
und offen, aber auch nur, weil ich kein Bock habe, kryptische Texte zu
schreiben.
Solche Forderungen
haben ja immer auch eine zweite Seite. Die, die sich positionieren, werden dann
dafür kritisiert, dass sie sich positionieren. Campino von den Toten Hosen wird
als Staatspunk verspottet, weil er Merkel für ihre Flüchtlingspolitik 2015
lobte. Wie tagespolitisch darf eine Band sein?
Schönfuss: Ich finde, es ein Unding, wie Leute mit dieser klugscheißerischen
Art auf Campino rumhacken. Mit dieser zynischen Art vor allem, weil er beim
Echo diese Ansage gemacht hat und die Rapper Kollegah und Farid Bang wegen
einer antisemitischen Textpassage kritisierte. Als einziger wohlgemerkt! Das
ist auch ein Problem dieser ganzen intellektuellen Blase. Gegen Rechts zu sein,
ist anscheinend nicht mehr deren Niveau. Auch wenn es heute manchmal peinlich
und nachgesprochen rüberkommt, ist es nach wie vor wichtig. Ich werde das
niemals verurteilen oder irgendwelche lustigen Memes bauen.
Haltung schien nie so
einfach. Haltung ist heute nur einen Klick bei einer Online-Petition, ein
Hashtag oder ein Facebooküberzieherbild entfernt. Aber: Ist das noch Haltung?
Schönfuss: Ich glaube, dass auch die kleinste Handlung noch
immer etwas bewirkt. Es gibt die, die sagen, eine Ansage gegen Rechts auf einem
Konzert bringe nichts, wenn sowieso nur die eigene Blase vor der Bühne steht.
Das sehe ich nicht so. Man muss doch immer den Umkehrschluss sehen: Was
passiert denn, wenn keiner mehr etwas sagt? Selbst, wenn man nur sein Profilbild
ändert. Man muss ja bedenken, dass das Aufkommen der neuen Rechten mit dem
Internet zu tun hat. Insofern ist es richtig, auch in diesen Räumen Haltung zu
zeigen.
Über einen Song
müssen wir noch reden: In Hahn bei Wuppertal landen Außerirdische und die Welt
stürzt ins Chaos…
Schönfuss: Ja, die sind eigentlich nur gekommen, um zu gucken, wie es
so läuft. Aber die Menschheit gerät komplett in Panik und macht sich schließlich
selbst kaputt. Die Außerirdischen machen aber gar nix, sondern fliegen wieder
weg.
Das Fremde als
Projektion. Womit wir wieder bei der Angst wären. Was kann man tun gegen diese gefühlte Angst in diesen Angst getriebenen Zeiten?
Kruse: Einfach positiv auf Menschen einwirken. Gerade bei
jüngeren Menschen kann man damit vielleicht auch ein bisschen was prägen.
Schönfuss: Indem man versucht, sich schöne Momente zu schaffen. Und damit meine ich nicht, sich Fifa 19 zu bestellen und sich drei Tage lang einzuschließen. Rausgehen und sich zwingen, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, um zu merken, ey, die meisten Menschen wollen mir eigentlich nichts Schlechtes. Das geht überall. Und hilft gegen Angst, egal woher sie kommt. Wir schotten uns zu sehr ab. Auch durchs Internet. Der Begriff Nächstenliebe ist vielleicht ein bisschen abgegriffen. Aber da ist was Wahres dran. Wenn ich Menschen helfe, ihnen ein gutes Gefühl gebe, bekomme ich etwas zurück.
Moment. Am Ende ist Adam Angst eine christliche Band? Schönfuss: Ich habe nichts für die Kirche übrig, aber sie ist auch Träger vieler karikativer Zwecke. Wenn es Menschen hilft, okay. Mit dem sakralen, pompösen und geistlichen kann ich nichts anfangen. Mit Nächstenliebe schon.