Depeche Mode trifft auf Rammstein und Leni Riefenstahl. So könnte man den Stil des 21 Jahre alten Rammstein-Musikvideos "Stripped" beschreiben.
Nur eine Woche lang war es auf "MTV" zu sehen, bevor es der Sender wegen Bedenken wieder aus dem Programm nahm. Das Video hatte zuvor im deutschen Feuilleton für einen Aufschrei gesorgt und war von internationalen Weltstars harsch kritisiert worden. Der Grund: Nazi-Vorwürfe gegen Rammstein und die Frage: Wie weit darf Kunst beim Thema Politik eigentlich gehen?
Zeitsprung ins Jahr 2019
Wieder hat Rammstein mit einem Musikvideo eine heftige Debatte ausgelöst. "Deutschland" sorgte für heftige Emotionen. Die einen verteidigten die Band, die anderen machten ihr Vorwürfe. Jetzt steht ein neues Album an und eine große Tour... und Rammstein? Lädt das 21 jahre alte "Stripped"-Video plötzlich wieder auf YouTube hoch – und lässt den alten Skandal damit wieder hochkochen.
Schaut euch hier das Video zum Song "Stripped" an:
Rammstein nahmen den Song "Stripped" für das Depeche Mode Tribute-Album "For the Masses" 1998 im Hamburger Vox-Klangstudio auf. Die Aufnahmen dauerten sechs Tage. Rammstein-Sänger Richard Kruspe erklärt im Making-Of (nächstes Video), wie schwer sich sein Frontmann Till Lindemann mit den Aufnahmen tat. Im Original von Depeche Mode heißt es "Let me see you/ Stripped down to the bone". Weil Lindemann das nicht hinbekam wurde daraus im Rammstein-Cover: "Let me see you stripped". Den Mitgliedern von Depeche Mode hätte die Coverversion ihres Songs gefallen, heißt es dort von mehreren Bandmitgliedern – David Gahan soll sogar vom Video überwältigt gewesen sein.
Aber warum posteten die Band das Video erneut? Das versuchen Rammstein in einem Making-of zu erklären:
Wir haben die wichtigsten Aussagen zusammengefasst:
Philipp Stölzl, der Director des Videos:
"Schwarz-weiß, heroische Ästhetik, Körper, Speerwerfen, ich dachte, dass das eine gute Wahl war. Rammstein, diese Jungs sind ja auch sehr männliche Männer-Männer. Ich dachte das passt eigentlich."
Als er den Bandmitgliedern die Original-Aufnahmen von Riefenstahl gezeigt habe, hätten die diese so passend gefunden, dass die für das Video verwendet worden seien, erklärt Stölzl weiter.
Und: "Die Rezeption von heroisch gefilmten Sportlern in schwarz-weiß ist ja nur dann geschmacklos, wenn du den Kontext dazu kennst. Also wenn du sagst: 'Aha das ist ja die Olympiade 1936'."
"Der Grusel gehört ja zum Rammstein-Gefühl dazu. Sexuelle Grenzüberschreitungen, Blut, Feuer, Pisse, SM, Drogen, etc.. (...) Das ist immer extrem düster und hat einen gewissen dunklen, drohenden Grusel, der dazugehört. Und 'Stripped' passt da schon rein."
Paul Landers, Gitarrist:
"Die Frage nach der Trennung von Kunst und Politik ist eine Interessante und eine, die man bis heute nicht wirklich beantworten kann. Das ist auch was individuelles (...). Im Endeffekt gibt es ein Bild und man kann darüber streiten, ob man das gut finden darf, oder nicht."
Christoph Schneider, Schlagzeuger:
"Das war natürlich sehr naiv und wir haben nicht über die Folgen nachgedacht und das, was es auslösen könnte."
Rammstein und die bewusste Vieldeutigkeit
Der Musikjournalist Klaus Walter erklärte, anlässlich des jüngsten Skandals zum Lied "Deutschland" die Rammstein-Strategie beim Deutschlandfunk Kultur: "Seit Jahrzehnten ist es Strategie, zunächst eine Provokation in den Raum zu stellen, dann ein bisschen zurückzurudern, ein bisschen zu relativieren und letztlich alles vieldeutig zu lassen, so dass alle Möglichkeiten der Interpretation gegeben sind." Im Jahr 2016 sagte Till Lindemann in einem Interview im "Playboy" zu der ewigen Nazi-Frage und der Frage, ob er "Stripped" noch einmal veröffentlichen würde: "Nein, weil ich müde bin zu hören, wir seien eine rechte Band. Das war ein Punkt, an dem ich mir gesagt habe: Da haben wir eine Grenze überschritten."
Heute sieht er das wieder anders. Im Making-Of sagt Frontmann Till Lindemann:
"Alle, die es in unserem engen Kreis gesehen haben, waren begeistert. Sie waren durch die Bilder angetan, wie das Riff passte und die Schnitte und dann kam der Schlag in den Magen."
"Ich war auch gar nicht so vertraut mit den ganzen Leni Riefenstahl-Geschichten. Ich habe einfach nur das Video gesehen (...) und dachte: Geil. Ich finde es heute immer noch toll."
Doch es gibt diese eine Frage, die keiner der Rammstein-Musiker im über zehnminütigen Making-Of beantwortet: Warum hat man sich, 21 Jahre später und mit einem großen Aufschlag, dazu entschieden, das Video nun doch wieder zu veröffentlichen? Ein Schelm, wer dabei an das anstehende Album und eine anstehende Tour denkt ...
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