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Nackte Brüste im Schwimmbad? In dieser Stadt soll das bald möglich sein

Topless woman at the beach
Oben ohne zu baden ist für Frauen an vielen Orten in Deutschland nicht erlaubt. null / Marcos Calvo Mesa
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Nackte Brüste im Schwimmbad? In dieser Stadt soll das bald möglich sein

28.04.2022, 10:3328.04.2022, 15:37
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Es gibt Frauen, die lieben es, "oben ohne" zu baden. Und andere, die das niemals tun würden. Jene, die es lieben, fühlen sich oft benachteiligt und in ihrer Freiheit eingeschränkt. Denn in den meisten Schwimmbädern und Badeanstalten ist das Baden ohne Brustbedeckung für sie verboten. Und die Männer? Die dürfen das. Deutschlandweit ist deshalb eine Diskussion um Freikörperkultur und Gleichberechtigung ausgebrochen. Und eine Stadt setzt nach einer heißen Diskussion nun ein klares Zeichen für freie Brüste.

Der Auslöser: Rausschmiss und Hausverbot im Freibad

In Göttingen hatten unbedeckte weibliche Brüste im Sommer 2021 für Ärger gesorgt – danach war das Thema monatelang heiß diskutiert worden.

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Anhänger der "Freie Brüste"-Bewegung setzen sich fürs Schwimmen ohne Bikinioberteil ein.Bild: dpa / Julian Stratenschulte

Eine Person, die sich laut einem Bericht der "taz" nicht als männlich oder weiblich identifiziert, wurde aus dem Göttinger Badeparadies "Eiswiese" geworfen, weil sie ihr Bikinioberteil abgelegt hatte. Der Bademeister kannte kein Pardon und verhängte ein Hausverbot. Nackte Brüste seien laut Badeordnung nicht erlaubt.

Unterdessen äußerte sich auch Andreas Gruber, der Geschäftsführer des besagten Bades, gegenüber watson: "Die bisherige Badeordnung – so wie diese in den Bäder in Deutschland gilt – sah vor, dass entsprechend der üblichen Badebekleidung die weibliche Brust als sekundäres Geschlechtsmerkmal während des Aufenthalts in den Bädern bedeckt sein muss."

Viele Frauen gingen auf die Barrikaden. Warum dürfen Männer oberkörperfrei baden, Frauen aber nicht? Wer entscheidet, welche Brust männlich, welche weiblich ist? Die Initiative "Gleiche Brust für alle" schaltete sich ein – und eröffnete unter anderem einen Twitter-Account. Dort beschreibt die Initiative ihr Ziel so: "Wir sind gegen die sexistische, trans-und interfeindliche Praxis von Bademeister*innen, Polizei und Security-Mitarbeitenden, die Menschen immer wieder wegen ihrer nackten Oberkörper aus Schwimmbädern, Parks usw. verweisen – nur weil sie ihnen ein 'weibliches' Geschlecht zuordnen."

Einen Tag später thematisierte sie online den Vorfall in Göttingen und forderte Gleichberechtigung.

Mit teilweisem Erfolg: Göttingen macht Schluss mit dem strikten Oben-ohne-Verbot: Vom 1. Mai an dürfen alle Badegäste ohne Oberkörperbekleidung Schwimmbäder in Göttingen besuchen – allerdings nur an bestimmten Tagen. Der Sportausschuss der Stadt sprach sich in dieser Woche für eine entsprechende Regelung aus, wie ein Stadtsprecher am Mittwoch bestätigte.

Gruber äußert sich gegenüber watson zu den Änderungen in seinem Badebetrieb: "Die Göttinger Ratspolitik hat im Sportausschuss (...) empfohlen, dass alle Personen an Wochenenden (...) die Göttinger Freibäder ohne Oberkörperbekleidung nutzen können. Dieser Empfehlung ist die GoeSF gerne gefolgt und setzt sie ab dem 1. Mai 2022 um."

Die Änderungen empfindet er als guten Kompromiss im Vergleich zur strikten Regelung vorher. "Wir sind verantwortlich für die Badeordnung in unseren Bädern der Stadt Göttingen und werden den Beschlussvorschlag des Sportausschusses als ein öffentlichen Gremiums sehr gerne umsetzten." Dies sei ein guter Kompromiss und berücksichtige die Wünsche der unterschiedlichen Nutzergruppen, findet Gruber.

Das Baden "oben ohne" ist in Göttingen nun also samstags und sonntags erlaubt. Die Regelung gelte für alle Schwimmbäder, die von der Göttinger Sport- und Freizeitgesellschaft betrieben werden, sagte der Stadtsprecher. Zunächst sei eine Testphase bis zum 31. August vorgesehen. Zuvor hatte das "Göttinger Tageblatt" darüber berichtet.

Diskussion um Brüste als sekundäre Geschlechtsmerkmale

Auf Twitter wurde die Diskussion mit dem Beschluss neu entfacht. Schließlich soll die neue Regelung nur mit Einschränkungen gelten: nur in Göttingen und nur am Wochenende.

"Auch männliche Brüste sind sekundäre Geschlechtsmerkmale"
Twitter-User

Ein Tweet stößt etwa auf besonders große Resonanz. Die Verfasserin kritisiert darin die Sexualisierung von Brüsten und das Verhalten der Männer: "Ein Göttinger Schwimmbad erlaubt Frauen testweise oberkörperfreies Schwimmen. In den Kommentarspalten überschlagen sich Männer, dass man jetzt auf jeden Fall nach Göttingen fahren müsse. Nur für den Fall, dass jemand das Problem sucht, warum genau Frauen unwohl ist unter Männern."

Die meisten Kommentatoren pflichten der Verfasserin bei und sind für Entscheidungsfreiheit in Sachen "Brüste bedecken". Doch einige zeigen sich auch zwiegespalten: "Als sekundäre Geschlechtsmerkmale lenken Brüste schon den Blick auf sich. Im Alltag bedeckt im Freibad unbedingt nackt? Das passt für mich nicht zusammen. Und schwimmen ist ab Cup D übrigens unangenehm. Kann ich Euch aus Erfahrung sagen." Der Beitrag blieb nicht unkommentiert.

Ein anderer Nutzer kontert: "Auch männliche Brüste sind sekundäre Geschlechtsmerkmale. In den 90ern war das bei uns in den Freibädern gang und gäbe. Und niemanden hat es gejuckt. Bin schockiert, dass das von einer Frau kommt."

Es zeigt sich: Die Diskussion ist vielschichtig – und noch lange nicht vorbei. Und an vielen Orten in Deutschland ist "oben ohne" zwar nicht explizit erlaubt, aber zumindest toleriert – abhängig von der Region und der jeweiligen Akzeptanz der Freikörperkultur.

Die allermeisten nehmen das Thema zumindest mit Humor. Der Twitter-User "Grantler" etwa schreibt: "Göttingen erlaubt Schwimmen Oben-Ohne für Frauen. In Wahrheit sind wahrscheinlich FFP2-Masken gemeint?"

(ast)

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