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Wie ein Impfangebot für alle und 30 Millionen Dosen Sputnik V die Lage beeinflussen

Close up of a young man getting vaccinated
Ab Juni soll die Impfpriorisierung aufgehoben werden. Bild: Digital Vision / Marko Geber
Analyse

Impfangebot für alle ab Juni und 30 Millionen Dosen Sputnik V: Was das für die Entwicklung der Pandemie bedeutet

23.04.2021, 18:2323.04.2021, 19:45
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Im Juni soll es endlich so weit sein: Die Impfpriorisierung soll aufgehoben werden, allen Erwachsenen soll ein Impfangebot gemacht werden können. Viele Menschen warten schon seit Beginn der Pandemie auf diese Meldung. Doch Gesundheitsminister Jens Spahn minderte die Erwartungen bei der Bundespressekonferenz am Freitag: "Das heißt nicht, dass wir innerhalb von einer Woche gleich jedem einen Termin machen". Man könne nicht schon alle im Juni impfen, das "wird bis in den Sommer hinein gehen müssen", so Spahn.

Aktuell haben immerhin schon 22,2 Prozent der Bevölkerung eine Erstimpfung erhalten. Mehr als jeder Fünfte ist also bereits geimpft, bis Mai soll jeder Vierte geimpft sein, sagte Spahn. Und eine weitere Meldung sorgte am Donnerstag für Aufsehen: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte nach einem Gespräch mit dem russischen Gesundheitsminister Michail Muraschko gesagt, dass Deutschland 30 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V erwerben wolle. Voraussetzung sei die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde.

Gute Nachrichten also für die Impfwilligen in Deutschland? Watson hat mit dem Epidemiologen Timo Ulrichs von der Akkon Hochschule über diese Entwicklungen gesprochen und ihn um seine Einschätzung gebeten.

Wie sinnvoll ist es, die Impfpriorisierung aufzuheben?

Mitte April hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) noch davor gewarnt, die Impfpriorisierung aufzuheben. Stiko-Chef Thomas Mertens sagte dazu gegenüber der "Rheinischen Post", es müssten weiter möglichst Menschen mit hohem Risiko geschützt werden. Spahn erklärte am Freitag aber, dass es nach dem derzeitigen Stand ab Juni so viele Impfdosen geben werde, dass man die Priorisierung auflösen könne und genug für alle habe.

Auch Ulrichs betont im Gespräch mit watson, dass es dann sinnvoll sei, die Priorisierung aufzuheben, "wenn wir so viele Impfdosen zur Verfügung haben werden, dass im gleichen Tempo wie jetzt die priorisierten Gruppen geimpft werden können und auch alle anderen oder anteilig die nächsten Gruppen". Das werde bald der Fall sein. Weiter sagt er: "Wenn wir so schnell impfen, wie es geht, wenn genug Impfstoff zur Verfügung steht, dann schützen wir damit auch die Risikogruppen".

Wie könnte man mit einem Ansturm auf Impfzentren und Arztpraxen umgehen?

"Ich hoffe sehr, dass die Nachfrage nach Impfungen immer noch hoch bleibt, auch wenn sie kein knappes Gut mehr sein werden", so Ulrichs. Und er schlägt vor, weitere Gruppen an den Impfungen zu beteiligen, falls der Ansturm zu groß wird. Als Beispiele nennt er Medizinstudierende oder Tierärzte. "Aber auch die Betriebsärzte sollten frühzeitig beteiligt werden."

Wie könnte sich die Aufhebung der Priorisierung auf den Impffortschritt auswirken?

Ende 2020 begannen die Corona-Impfungen, bisher haben rund 20 Prozent der etwa 83 Millionen Menschen in Deutschland mindestens eine Dosis bekommen. Etwa jeder Fünfte also, Tendenz steigend. Auf der anderen Seite sind viele Millionen Menschen noch gänzlich ungeschützt, den zweiten der für den vollen Schutz nötigen Impftermine hatten bisher laut Statistik des Robert Koch-Instituts (RKI) erst etwa 7 Prozent der Bevölkerung.

Laut Ulrichs könnte die Zahl der verabreichten Impfungen pro Tag zunehmen, wenn die Priorisierung aufgehoben wird. "Wir sollten bald deutlich über 1 Million kommen", sagt er.

Was wissen wir über den Impfstoff Sputnik V?

Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema prüft den russischen Impfstoff Sputnik V vom Gamaleja-Institut derzeit. Damit ist aktuell noch nicht sicher, ob der Impfstoff in Deutschland eingesetzt wird – denn die Zulassung in der EU ist die Voraussetzung dafür.

Ulrichs erklärt gegenüber watson, dass es sich um einen "sehr guten, vektorbasierten Impfstoff" handelt. Es lägen allerdings noch nicht so viele Daten vor, "obwohl seine Anwendung in der russischen Bevölkerung schon einen Monat früher begonnen hat als bei den westlichen Impfstoffen". Sputnik V könne auch in Deutschland gut verimpft werden. "Es könnte sein, dass wir dann ebenfalls seltene Nebenwirkungen sehen werden, wie die Hirnvenenthrombose", so Ulrichs weiter.

Experten befürchten, dass die seltenen Blutgerinnsel in Hirnvenen ein generelles Problem von Vektorimpfstoffen, zu denen auch Astrazeneca zählt, sein könnten. Auch der russische Impfstoff Sputnik V könnte dann von Altersbeschränkungen – in Deutschland wird der Einsatz von Astrazeneca nur noch für Menschen ab 60 Jahren empfohlen – betroffen sein. "Ich sehe die Gefahr, dass uns wegen dieser seltenen Nebenwirkungen rund die Hälfte der Impfdosen für die Sommermonate wegbricht", sagt der Immunologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, zuletzt. "Dann haben wir für die Unter-60-Jährigen erst einmal noch nicht genügend mRNA-Impfstoffe." Zu den mRNA-Impfstoffen gehören die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, die in der EU als Erste zugelassen wurden.

Welchen Mehrwert haben 30 Millionen Dosen Sputnik V?

"Bis die geliefert werden, ist der Mehrwert für den Impffortschritt nur noch gering bis bei Null. Außerdem sollten wir keine nationalen Alleingänge machen. Das Koordinieren der Impfstoffbeschaffung über die EU hat zu einer guten Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der EU-Länder geführt", sagt Ulrichs dazu.

Wann könnte sich die Lage durch diese beiden Entwicklungen normalisieren?

Ulrichs gibt Hoffnung: "Ziemlich sicher zum Sommer, möglicherweise schon beginnend im Juli" könne sich die Lage normalisieren.

Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts kann Corona durch die Impfungen nicht in absehbarer Zeit ausgelöscht werden. RKI-Vize-Präsident Lars Schaade sagte am Freitag bei der Bundespressekonferenz, dass sich Corona als Virus etablieren werde, mit dem man aber umgehen könne.

Ermutigende Nachrichten aus Ländern mit raschem Impffortschritt wie Israel und Großbritannien zeigen, dass es schnell gehen kann mit dem Rückgang des Infektionsgeschehens, wenn erst mal ein großer Impffortschritt erreicht ist. In Israel ist inzwischen mehr als die Hälfte der neun Millionen Einwohner zweifach geimpft. Die Zahl der Corona-Infektionen, der Schwerkranken und der Toten sei inzwischen stark zurückgegangen, twitterte der Forscher Eran Segal vom Weizman Institut kürzlich.

(mit Material von dpa)

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