Die Räumung von Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier, das der Energiekonzern RWE abbaggern will, um die Braunkohle darunter zu fördern, geht am Sonntag weiter. Von den Aktivist:innen, die sich dort verschanzt haben, sollen sich nach Angaben der Polizei nur noch wenige in Lützerath aufhalten.
Am Samstag haben viele Tausend Menschen im benachbarten Ort Keyenberg gegen die Räumung und den Abriss demonstriert. Darunter war auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Am Rand der Großdemonstration kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Polizei. Auf beiden Seiten wurden laut Polizeiangaben Menschen verletzt.
Was in Lützerath passiert, erfährst du in unserem Live-Ticker. Hier liest du, wie am Samstag der vierte Tag der Räumung lief.
Die Polizei hat am Sonntag nach eigenen Angaben in Lützerath alle noch verbliebenen Aktivisten aus Baumhäusern und von Bäumen heruntergeholt. "Es sind jetzt nur noch die beiden im Tunnel übrig", sagte ein Polizeisprecher. Die Räumung des Dorfes Lützerath hatte am Mittwoch begonnen.
Der Abriss von Lützerath schritt unterdessen schnell voran, die meisten Gebäude standen am Sonntag schon nicht mehr. Nach Angaben der Polizei hielten sich auch nur noch wenige Aktivist:innen auf dem Gelände auf. In einem unterirdischen Tunnel harrten aber noch immer zwei Klimaaktivist:innen aus. Wenn die Räumung und der Abbruch beendet sind, will der Energiekonzern RWE die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern.
Die Veranstalter der Proteste gegen den Abriss des Dorfes Lützerath am Samstag haben der Polizei Gewalt-Exzesse vorgeworfen. Bei der Demo habe es "ein unglaubliches Maß an Polizeigewalt" gegeben, sagte eine Sprecherin von "Lützerath lebt" der Deutschen Presse-Agentur. Eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Demonstrierenden sagte, es sei am Samstag eine "hohe zweistellige bis dreistellige Zahl" von Teilnehmern verletzt worden. Darunter seien viele schwerverletzte und einige lebensgefährlich verletzte Personen gewesen.
Die Verletzungen seien teils durch Pfeffersprays, Schlagstock- und Faustangriffe der Polizisten zustande gekommen. Es habe dabei besonders viele Kopfverletzungen gegeben. "Die Polizei hat also nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch auf den Kopf von Aktivistinnen und Aktivisten geschlagen", sagte die Sprecherin.
Ein Video zeigt, wie auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer und andere Aktivist:innen auf einem Feld von Einsatzkräften der Polizei abgedrängt werden.
Zwei Klimaaktivist:innen harren auch vier Tage nach Beginn der Lützerath-Räumung noch in einem unterirdischen Tunnel aus. Wie lange es dauern werde, sie dort herauszuholen, sei völlig unklar, sagte am Sonntag ein Sprecher des Energiekonzerns RWE, dessen Betriebsfeuerwehr die als "Rettung" bezeichnete Aktion übernommen hat. Die Feuerwehr kontrolliere an dem Schacht regelmäßig ein Belüftungsgerät. Eine Sprecherin der Aktivistengruppe "Lützerath lebt" sagte am Sonntag, der Zustand der beiden sei stabil.
Mehr als 70 Beamte sind laut Polizeiangaben im Zusammenhang mit den Protesten seit Mittwoch verletzt worden. Ein Teil davon sei auf den Einsatz bei einer Großdemonstration am Samstag zurückzuführen, sagte ein Sprecher der Polizei Aachen am Sonntag. Die Verletzungen gehen demnach sowohl auf Auseinandersetzungen mit Klimaaktivisten als auch auf Fehltritte wegen der Bodenbeschaffenheit oder andere Umstände zurück. Die meisten Beamten seien weiterhin dienstfähig.
Nach Angaben der Initiative "Lützerath lebt" gab es am Samstag bei den Protesten der Kohle-Gegner "zahlreiche Schwerverletzte" unter den Demonstrierenden und in einem Fall sogar eine lebensgefährliche Verletzung. Die Polizei habe auf den Feldern vor Lützerath "massiv Schlagstöcke, Pfefferspray, Räumpanzer, Wasserwerfer, Hunde und Pferde" gegen die Klimaaktivist:innen eingesetzt.
Bei Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Polizei am Rande einer Großdemonstration am Samstag sind nach Polizeiangaben auf beiden Seiten Menschen verletzt worden. Die genaue Zahl der Verletzten und die näheren Umstände wurden zunächst nicht bekannt. Die Polizei sprach von 15.000 Teilnehmenden an der Demonstration, die Veranstalter schätzten die Zahl auf 35.000.
Ein Teil der Demonstrierenden versuchte, nach Lützerath, einige versuchten auch, in das Tagebaugebiet zu gelangen. Die Polizei drängte sie gewaltsam zurück. Bis zur Tagebaukante zu laufen, sei lebensgefährlich, weil der Boden durch den Regen aufgeweicht sei und Erdrutsche drohten, warnte die Polizei. Einzelne Demonstrierende attackierten nach Polizeiangaben auch Einsatzwagen der Polizei und warfen Pyrotechnik in Richtung der Beamten. Ein Sprecher erklärte, Reifen seien zerstochen und Außenspiegel abgetreten worden.
Von den laut Polizei rund 15.000 Angereisten hätten sich rund 5000 nicht an der Versammlung beteiligt. Sie hätten sich sofort Richtung Abbaukante und Lützerath bewegt und seien daher als "Störer" betrachtet worden. Rund 1000 von ihnen, größtenteils vermummt, hätten erheblichen Druck auf Polizeiketten an der Tagebaukante und am Rande von Lützerath ausgeübt, sagte der Sprecher weiter. "Infolgedessen kam es zum Einsatz von Einsatzmehrzweckstöcken und Pfefferspray." Auch Wasserwerfer seien genutzt worden, um Personen vor dem Eindringen nach Lützerath abzuhalten.
Der Sprecher betonte, dass Stock und Wasserwerfer erst zum Einsatz gekommen seien, nachdem den Personen "unzählige Male" Zwang angedroht worden sei.
In den sozialen Medien werden vielfach verschiedenen Videos von Samstag geteilt. Das Vorgehen der Polizei wird darin heftig kritisiert.
(Mit Material von dpa und AFP)