Viele junge Menschen fordern ihr Recht auf politische Partizipation ein.Bild: imago images / Tabea Guenzler/Eibner-Pressefoto
Meinung
Nun müssen die Fridays-for-Future-Aktivistinnen Franziska Wessel und Linus Steinmetz wohl doch nicht vor Gericht ziehen. Die nicht nur von ihnen geforderte Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Bundestagswahlen soll nach dem Willen von FDP, Grünen und SPD endlich kommen. So steht es im Sondierungspapier, das am Freitagnachmittag von den Parteien veröffentlicht wurde. Und das ist gut so.
Die Herabsetzung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre wurde 1972 im Bundeswahlgesetz verankert. Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung argumentierten damals viele Befürworter, "dass 18- bis 20-Jährige teilweise bereits im Berufsleben stünden und im Schnitt sogar besser informiert seien als 21- bis 25-Jährige".
Die weltweite Vernetzung durch Social Media ist ein wichtiger Baustein im intellektuellen Reifeprozess
Ein ähnliches Argument könnte man auch heute anführen. Der digitale und gesellschaftliche Wandel hat in den vergangenen Jahrzehnten aus Bravo-lesenden Teenagern weltgewandte Internet-User gemacht. Jeder Zehntklässler hat heute mehr Zugriff auf Wahnsinn und Weisheit dieser Welt in der Hosentasche, als Abiturientinnen um die Jahrtausendwende im Bücherregal.
Natürlich treiben sich viele Angehörige der Generation Z lieber auf Tik Tok und Instagram herum, als das in der Tagesschau-App Wirtschaftsnachrichten zu wälzen. Aber die weltweite Vernetzung durch Social Media ist ein wichtiger Baustein im intellektuellen Reifeprozess. Wo sonst wird man in einer solchen Intensität mit dem gesamten Spektrum an individuellen Lebensentwürfen, klugen und dummen Ideen und anderen Kulturen versorgt?
Heute ist die politische Partizipation diverser, außerparlamentarischer, spontaner, vielfältiger
1972 reichte der Horizont junger Menschen genau bis zu dem Punkt, den Printmedien, das behäbig-piefige Fernsehen oder sporadische Reisen einem wiesen. Für heutige Jugendliche sind solche Grenzen abstrakte Echos einer längst vergangenen Zeit. Sie sind nur einen Klick entfernt von der Entdeckung der Welt – wenn sie denn wollen. Und dass viele wollen, zeigen letztlich auch Bewegungen wie Fridays For Future.
Sicher, auch in der Bonner Republik gab es junge Menschen, die sich für politischen und gesellschaftlichen Wandel einsetzten. 1973 erreichten die Jusos mit 300.000 ihre bisher höchste Mitgliederzahl. Aber heute ist die politische Partizipation wesentlich diverser, außerparlamentarischer, spontaner, vielfältiger.
Und das ist eben auch ein Effekt der informationellen Emanzipation, welche von der nicht mehr ganz so neuen digitalen Realität getragen wird. Und weil das so ist, ist die Zeit für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre überreif. Gut, dass die Ampel-Koalition in spe dies anerkennt.