Rekord-Temperaturen und ausbleibender Niederschlag: Landwirt:innen hatten dieses Jahr ganz besonders mit der Dürre zu kämpfen. Je nach Region fallen die Ernteeinbußen unterschiedlich aus. Klar ist aber: Langfristig müssen sich die Bauern auch in Deutschland auf heißere und trockenere Sommer einstellen.
"Sowohl die Land-, als auch die Forstwirtschaft muss die Art der Bewirtschaftung anpassen", sagt Johann Rathke, Koordinator für Agrarpolitik beim WWF, gegenüber watson. Der Fokus müsse darauf liegen, möglichst wenig Wasser zu verbrauchen. "Außerdem gilt es, Maßnahmen stärker zu etablieren, das Wasser möglichst lange im Wald, auf dem Feld und insgesamt in der Landschaft zu halten."
Zwar ist die gefürchtete Katastrophe einer miserablen Getreideernte ausgeblieben, dennoch: Der Negativtrend hält weiter an. Insbesondere Herbstkulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben haben unter ausbleibendem Regen gelitten. Entsprechend schlecht fällt auch die Ernte aus.
Besonders schlimm trifft die Dürre allerdings Tierhalter:innen. Zum einen, weil sich Hitze und Trockenheit auf die Produktivität der Tiere auswirken. Zum anderen, weil die Heu- und Maisernte schlecht ausgefallen sind – das Futter der Nutztiere.
Die Folge: Viele Landwirt:innen müssen bereits jetzt ihre Wintervorräte anbrechen – und im Winter teuer Heu zukaufen.
Sie haben also nicht nur Ernteeinbußen, sondern auch noch höhere Ausgaben.
Um der Nahrungsknappheit entgegenzuwirken, hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Flächen, die zugunsten des Artenschutzes eigentlich nicht mehr bewirtschaftet werden sollten, freigegeben. Als Ausnahme, wie der Minister immer wieder betont, und lediglich bis 2024. Flächen, die bereits dem Artenschutz dienen, dürfen aber auch in dieser Zeit nicht angetastet werden.
Speziell Tierhalter:innen wurde zudem genehmigt, sogenannte ökologische Vorrangflächen zum Anbau von Futtermitteln zu nutzen.
Wie schwer Tierhalter:innen derzeit getroffen werden, lässt sich allem voran an Milchkühen beobachten. Bereits in den ersten sieben Monaten dieses Jahres lag die Milcherzeugung unterhalb des Vorjahreswertes. Und auch die fiel schon 1,9 Prozent schlechter aus als 2020. "Einen solch nachhaltigen Rückgang der Milcherzeugung gab es in den letzten 20 Jahren nicht", teilt der Deutsche Bauernverband auf Nachfrage von watson mit.
Auch in den kommenden Monaten ist kein Wachstum zu erwarten. Im Gegenteil: Die schlecht ausfallende Ernte werde diese Entwicklung laut Bauernverband nur verstärken. Zwar geht der Verband nicht von einer Verknappung von Milch, Käse oder Sahne aus. Es sei aber anzunehmen, dass die Preise weiter steigen werden.
"In der Tat sind sehr hohe Temperaturen ein möglicher Stressfaktor für Milchkühe", erklärt der Bauernverband. Ist den Tieren zu heiß, geben sie weniger Milch, was wiederum wirtschaftliche Verluste für die Tierhalter:innen mit sich bringt.
Ein Teufelskreis.
Umso relevanter sei es Agrarexperte Johann Rathke zufolge, den Fokus von der Produktintensivierung hin zu mehr Stabilität zu richten. "Der Erhalt der Produktion und somit die Stabilisierung der Agrarökosysteme muss Vorrang haben vor dem Ansatz, einfach weiterhin kurzfristig die Produktion zu steigern", erklärt er.
Immerhin zeige die Erntebilanz der letzten Jahre deutlich, dass die Produktion stagniere oder gar zurückgehe.
Rathke ergänzt:
Ein Teil des Problems: Rund 60 Prozent des in Deutschland produzierten Getreides landen im Futtertrog von Nutztieren. "Wir brauchen in Deutschland einen ehrlichen Austausch darüber, wie wir die Tierbestände senken und mehr Fläche gewinnen für die direkte menschliche Ernährung", betont Rathke.
Dass die Massentierhaltung insbesondere in Bezug auf die Klimakrise ein Problem ist, sieht man auch im Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL).
"Die landwirtschaftliche Tierhaltung ist für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen im Agrarsektor verantwortlich", erklärt eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage von watson. Deshalb werbe das BMEL auch dafür, den individuellen Fleischkonsum zu reduzieren, auch aus gesundheitlichen Gründen.
Das Ziel der Bundesregierung: der Umbau der Tierhaltung. Einer der ersten Schritte dafür ist eine verpflichtende Haltungskennzeichnung von Tieren, die das Ministerium derzeit auf den Weg bringe. So könnten Kund:innen sehen, wie das Tier, dessen Fleisch sie kaufen, gehalten wurde.
Zudem sollen Landwirt:innen finanziell dabei unterstützt werden, ihre Ställe so umzubauen, dass die Tiere mehr Platz haben. "Insgesamt sollen also weniger Tiere gehalten werden, dafür aber besser", erklärt die Sprecherin.