Bei der Klima-Mahnwache am Brandenburger Tor sind 10.000 Menschen angemeldet.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
25.09.2020, 13:3428.09.2020, 11:26
"Wir sind hier, wir sind laut, weil
ihr uns die Zukunft klaut": Nach monatelanger Pause wegen der
Corona-Pandemie zieht es Klimaschützer in aller Welt am Freitag
wieder auf die Straßen. Rund um die Erde und bei Hunderten Aktionen
in Deutschland wollen sie im Rahmen eines internationalen
Klimaprotesttages wieder für mehr Tempo im Kampf gegen die Klimakrise
demonstrieren.
Die Klimabewegung Fridays for Future hat zum Aktionstag
aufgerufen, nachdem die Proteste monatelang hauptsächlich im Internet
stattgefunden hatten. Die Veranstalter versicherten, dass man sich an
Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie halten wolle. Fridays for Future
zufolge sind weltweit mehr als 3000 "Klimastreiks" registriert,
allein in Deutschland sind demnach mehr als 400 Demonstrationen
geplant, darunter eine Mahnwache am Brandenburger Tor in Berlin.
Wie viele Teilnehmer das Ganze haben wird, lässt sich aufgrund
der Pandemie vorab nur schwer einschätzen. Für die Veranstaltung am
Brandenburger Tor sind den Organisatoren zufolge 10.000 angemeldet.
Quang Paasch, Sprecher des Berliner Ablegers von Fridays for Future, sagte zu watson am Freitag in Berlin:
"Dass hier wieder so unfassbar viele Menschen sind zeigt: Das Thema war nie weg, das Thema hat sich in den Köpfen etabliert. Die Krise macht keine Verschnaufpause."
Was bei am Brandenburger Tor sofort auffällt: Längst geht es nicht mehr nur um den Klimawandel. Es geht um Menschenrechte, um Catcalling, um Black Lives Matter. Immer wird auch auf die Menschen im globalen Süden hingewiesen, die noch mehr von der Klimakrise betroffen sind. Aus dem Klimaprotest ist ein Protest für globale Gerechtigkeit geworden.
Warum demonstrieren sie gerade jetzt wieder, wo in vielen Ländern
die Corona-Zahlen wieder steigen? Paasch macht klar:
"Wir rasen weiter auf eine Erwärmung zu, die wir nicht mehr aufhalten können, trotz Corona."
Irgendwann würden die Staaten zurückkehren zu nicht-nachhaltigem Wirtschaften, fürchtet er. "Deshalb müssen wir uns wieder auf unserer alten Protestform besinnen und auf der Straße sein."
Luisa Neubauer, die deutsche Chef-Klimaakativistin, sieht das genauso: "Die Regierung lässt uns keine
andere Wahl, als gegen ihr anhaltendes Desinteresse an einer sicheren
Zukunft für unsere Generation auf die Straße zu gehen", sagte sie am Freitag. "Wir streiken mit Abstand und Maske." Es
solle auch ein Zeichen "verantwortungsbewussten, demokratischen
Widerstandes einer solidarischen Gesellschaft" sein – im Gegensatz zu
den Coronaprotesten der vergangenen Wochen, sagte sie. Der Aufwand,
das inmitten der Pandemie zu organisieren, sei "immens".
Breite Unterstützung für die Klimaaktivisten
Fridays for Future wird von zahlreichen gesellschaftlichen
Gruppen unterstützt, darunter kirchliche Initiativen, Umweltverbände,
Gewerkschaften und auch Parteien. Grünen-Chefin Annalena Baerbock
sagte der dpa anlässlich der Proteste: "Es ist höchste Zeit, dass die
Bundesregierung beim Klimaschutz endlich in den Macher-Modus kommt."
Der Ökostrom-Ausbau müsse mit voller Kraft vorangetrieben werden. In
der EU werden derzeit klimapolitische Weichen gestellt, es geht um
die Erhöhung des Ziels für 2030 beim Treibhausgas-Sparen.
Mit dem fortschreitenden Klimawandel ist Forschern zufolge auch
in Deutschland mit mehr und intensiveren Wetterextremen zu rechnen –
davor hat in dieser Woche erneut der Deutsche Wetterdienst gewarnt.
Nach DWD-Daten sei das aktuelle Jahrzehnt rund 1.9 Grad wärmer als
die ersten Jahrzehnte (1881-1910) der Aufzeichnungen.
"Auch dieses Jahr werden die Fakten immer alarmierender", sagte Quang Paasch. Waldbrände und Überschwemmungen
bestimmten zunehmend das Leben von Millionen Menschen. Während die
Wirtschaft in der Corona-Krise wieder angekurbelt werden solle, werde
die größte Chance zum Wandel hin zur Nachhaltigkeit und Ökologie
vertan. "Wir wollen, dass die Wissenschaft ernst genommen wird",
sagte Paasch. Politik und Wirtschaft dürften den Profit nicht über
den Wohlstand der Vielen stellen. Man sei eine
"Klimagerechtigkeitsbewegung".
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die vor gut zwei
Jahren mit einem "Schulstreik fürs Klima" angefangen hatte, kündigte
an, dass sowohl auf den Straßen als auch digital demonstriert werde.
"Wir werden das auf viele verschiedene Arten tun, je nachdem, wie die
Situation der Corona-Beschränkungen aussieht", sagte sie vorab. "Wir
tun das, um ein Signal zu senden, dass wir diese Krise als Krise
behandeln müssen." Am wichtigsten sei, darauf hinzuweisen, dass
diejenigen am meisten unter den Folgen des Klimawandels litten, die
am wenigsten dafür könnten.
(pcl/ftk/ mit Material von dpa)
Ein glatzköpfiger Mann in einem strahlend weißen Anzug steht auf einem Strohballen und tanzt. Das Feld im Hintergrund ist grün, die Sonne scheint. "Sing Hallemujah!", singt währenddessen eine Frau. "The milk is on the move, yeah! Milch, yeah! Moving towards the future".