Die Frage, die bei dieser Präsidentschaftswahl im Zentrum steht, ist gleichermaßen gigantisch wie beängstigend. Es ist nicht die Frage nach dem einen oder dem anderen Kandidaten, nicht die nach der einen oder der anderen Partei – es ist keine geringere als die nach der Zukunft der Demokratie in Amerika. Es geht auch nicht darum, ob ein paar Millionen mehr oder weniger in Klimaschutzmaßnahmen gesteckt werden. Sondern vielmehr, ob ein Präsident, der wissenschaftliche Fakten so notorisch leugnet, dass sein eigenes Wahlkampfteam irritiert davon ist, vier weitere Jahre im wohl mächtigsten politischen Amt der Welt innehat. Damit ist die US-Wahl auch eine Klimawahl für die ganze Welt.
Die Frage, welcher der beiden Kandidaten klimapolitisch tragbarer ist, ist überflüssig. Der Kontrast könnte nicht größer sein; die Entscheidung, wenn man die Relevanz des Themas 'Klimakrise' auch nur in ganz groben Zügen begriffen hat, nicht leichter. Im Gegensatz zu Trump ist Biden generell gewillt, die Klimakrise anzupacken. Darauf lässt sich aufbauen.
Fürs Klima heißt das in etwa: Verglichen mit keiner Klimaagenda, ist es nicht schwierig, eine verhältnismäßig gute Klimaagenda zu präsentieren. Also mal ein Blick auf Bidens Klimapläne:
Joe Biden will dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten – und er hat einen Klimaplan, für den er insgesamt 2 Billionen Dollar vorsieht. Diese Gelder fließen etwa in den Ausbau der Elektromobilität oder hohe Subventionen in erneuerbare Energien. Alles in allem erinnert Bidens Klimaplan ein bisschen an deutsche Klimapolitik: Der Titel klingt vielversprechend, der Inhalt hält aber nicht wirklich das, was man sich erhofft hatte – geschweige denn das, was nötig wäre.
Long story short: Joe Biden ist kein Klimakandidat. Weil ein verhältnismäßig guter Plan eben nicht reicht für Paris. Weil in der Klimaphysik eben nicht mit relativen Emissionen zu anderen Ländern oder Jahrzehnten gemessen wird, sondern in absoluten Zahlen. Eine dieser Zahlen ist das verbleibende Emissionsbudget, bei dem die globale Erwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius gehalten werden kann. In den USA ist dieses Restbudget gerade bei ungefähr 30 Gigatonnen CO2. Die Frage, die gestellt werden muss, ist also nicht, wie Bidens Klimapolitik im Vergleich zu der von Trump abschneidet. Sondern ob eine Regierung unter Biden es tatsächlich schaffen würde, die Sektoren so umzubauen und die Wirtschaft zu dekarbonisieren, dass die USA dieses Budget einhalten kann.
Wenn die Worte Trump und Klima in einem Atemzug fallen, wird damit verbunden oft von Climate-Inaction gesprochen. Was Trump während seiner Amtszeit getan hat, hat mit Climate-Inaction aber denkbar wenig zu tun. Am laufenden Bande wurden klimaschädliche Industrien wie Öl und Gas subventioniert, bestehende ökologische Standards verwässert oder gestrichen, Naturschutzgebiete zur Zerstörung freigegeben, Pipelines quer durch den Kontinent gebaut. Finanzierung für Wissenschaftsprogramme, wie etwa den Weltklimarat, wurde gestrichen, Fracking in beispiellosem Maße ausgebaut.
Und ausgerechnet seit dem 04.11.2020, dem Tag nach der Präsidentschaftswahl, sind die USA offiziell nicht mehr Teil des Pariser Klimaabkommens. Die letzten vier Jahre waren nicht geprägt von Climate-Inaction, sondern von systematischer ökologischer Demontage.
Was passiert mit dem Klima, wenn Trump die Wiederwahl gelingt? Zwei Dinge stehen dann fest: Zum einen, dass die nächsten Jahre dennoch die entscheidenden zur Einhaltung des Pariser Abkommens sind. Zum anderen, dass wir auf weitere vier Jahre zählen können, in denen das Staatsoberhaupt der USA versuchen wird, das bisschen Klimaschutz, das die letzte Amtszeit überlebt hat, mit Engagement in den Boden zu stampfen.
Wie also weiter? Zum einen würde Europa in diesem Fall eine noch größere Verantwortung zukommen, als es in seiner globalen Rolle ohnehin innehat. Weiter müsste man sich neue Klima-Alliierte suchen, mit denen zusammen schnelle, globale Antworten geschaffen werden könnten. Auch müsste ein neuer Meilenstein in Sachen internationale Klimaabkommen her, der diese verheerenden Entwicklungen des Landes mit den global zweithöchsten Emissionen berücksichtigt.
Auch in Amerika hätte ein second term Trump eine Verschiebung der Verantwortlichkeiten zur Folge: Die einzelnen Staaten, von denen 24 bereits eigene Klimaziele haben, sowie große Städte müssten deutlich mehr eigene Initiative beim Klimaschutz zeigen und Maßnahmen selbst umsetzen.
Wenn Biden gewinnt, ist die Ausgangslage eine vollkommen andere. Der Fokus wird darauf liegen, den Präsidenten an die Einhaltung seiner Wahlversprechen zu erinnern. Dass dies eine Monsteraufgabe ist, wird klar, wenn man bedenkt, wie schwierig das allein hier in Deutschland ist, wo die Klimakrise nicht als Glaubensfrage behandelt wird – und wie viel gesellschaftlichen Druck es braucht, bis kleinste Dinge sich ändern.
Joe Biden hat eine historische Chance: Die Chance, die Klimapolitik des vielleicht mächtigsten Landes der Welt so zu gestalten, dass das Pariser Klimaabkommen noch eine Chance hat. Dafür braucht er vor allem auch starke Verbündete, beispielsweise in Klimabündnissen mit der EU. Und weiterhin den Druck von der Straße, diesseits und jenseits des Atlantiks.