"Na Ruby, magst du Bananen?", fragt Ali das kleine Mädchen mit den blonden Locken, das mit seiner Mutter an Alis Obststand steht. Das Kind nickt schüchtern. "Willst du dir selbst eine abbrechen?" Ruby lächelt. "Ja", sagt sie, bricht sich eine Banane ab. Ihre Mutter bedankt sich überschwänglich für die nette Geste.
Ali grinst. "An Kinder verschenke ich immer Sachen – die sind unsere Zukunft", sagt er im Gespräch mit watson.
Trotz der Klimakrise.
Trotz des Angriffskriegs in der Ukraine.
Trotz der Inflation.
Die Krisen machen sich auch in seinem Portemonnaie bemerkbar.
Erst stiegen die Preise in der Coronazeit – weil weniger Flugzeuge starteten und die Spritpreise stiegen. Jetzt steigen sie aufgrund des Krieges und der Inflation. "Noch bekomme ich die Gesichter zu sehen, die ich sonst auch sehe", sagt Ali. Er ist sich nicht sicher, ob das so bleiben wird. "Das Problem ist: Wir werden das noch zu spüren kriegen, wenn es in Richtung Winter geht."
Ali, 31 Jahre alt, hat den Obststand 2016 von seinem Vater übernommen. Seitdem pendelt er zwischen dem Hamburger Isemarkt und dem Goldbekmarkt hin und her.
Dass die Preise schwanken, kennt er schon. In solch einem Ausmaß wie in den vergangenen Monaten ist das aber auch für ihn neu. Um rund zehn Prozent habe er die Preise maximal für seine Kundschaft erhöht: "Bei uns auf dem Markt geht es ja noch, weil vieles von dem Obst gerade Saison hat."
Gegenüber watson sagt Ali:
Dazu kommt noch, dass die Wintermonate ohnehin schwieriger sind für die Marktverkäufer:innen: Die Auswahl an regionalen Obst- und Gemüsesorten sinkt, Kälte und Wind machen den Bummel über den Markt ungemütlich. "Noch ist alles okay und die Preise werden akzeptiert. Aber ja, ich habe Angst vor dem Winter", sagt Ali.
Dass die Preise für Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt gestiegen sind, merkt auch Christine. Die Kommunikationsdesignerin hat eigentlich zweimal die Woche den Isemarkt besucht. Mittlerweile geht sie nur noch etwa alle zwei Wochen, oder wenn es am Wochenende mal etwas Besonderes geben soll, hin.
Gegenüber watson sagt sie: "Als Freiberuflerin kann ich diese Preisspirale nur bedingt mittragen – es muss halt immer noch machbar sein." Statt auf dem Markt kauft sie nun vor allem in Discountern wie Netto ein. "Aber einmal die Woche darf unser Sohn sich etwas wünschen, was er gern vom Markt hätte. Der liebt Obst – und es schmeckt ja auch wirklich besser, wenn man es hier kauft."
Diese Woche hat er sich Mangos gewünscht. Die seien sogar noch verhältnismäßig günstig.
Trotzdem ist sie davon überzeugt, dass die Preise um weit mehr als nur zehn Prozent gestiegen sind. "Früher haben wir uns auch häufiger frische Nudeln vom Markt gekauft", erzählt sie. "Aber das sind Luxus-Sachen, die wir uns angesichts der Inflation nicht mehr leisten, das geht jetzt halt nicht mehr."
"Es ist ja bekannt, dass die Preise steigen", sagt auch Gabriele Gräfe vom Nudelmarkt am Grindel gegenüber watson. Ungefähr alle ein bis eineinhalb Wochen bekäme sie eine Preiserhöhung für die Milchprodukte. "Immer nur um jeweils zwei bis drei Prozent, und dann in einer Woche auf Butter und der nächsten auf Crème Fraîche – aber eben konsequent seit Kriegsbeginn."
Auch das summiert sich.
"Wir geben gar nicht alles an unsere Kunden weiter, sonst müssten wir ja alle zwei Wochen die Preise erhöhen", sagt Gräfe. Einbußen hätten sie bislang aber trotz der steigenden Preise nicht gemacht. "Während der Coronazeit haben die Leute die Qualität für gute Lebensmittel neu entdeckt – und das ist seitdem auch nicht mehr zurückgegangen."
Weit größere Sorgen bereiten Gräfe die Folgen der Klimakrise – und deren Einflüsse auf die Ernährungssicherheit. "Gerade erst ist auch in Indien ein großer Teil der Weizenernte weggefallen, durch die vielen Dürren wird das nur noch mehr. Das muss endlich zu den Leuten durchsickern."
Auch Marie macht sich viele Gedanken um die Klimakrise sowie um Preis und Wert von Lebensmitteln. Auf den Markt geht sie mindestens einmal wöchentlich – um zu kaufen, was gerade Saison hat: "Ich muss im Winter keine Erdbeeren essen, dann kaufe ich eben Äpfel oder Orangen."
Gegenüber watson ergänzt sie:
Zwar seien die Preise angezogen, aber "man muss auch bedenken, dass es vorher eigentlich viel zu günstig war, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit in die Produktion fließt".
Wenn sie jetzt auf den Markt gehe, überlege sie vorher ganz genau, was sie die Woche über essen möchte. "Es kann ja auch nicht sein, dass immer die Hälfte weggeschmissen wird", betont sie.
Schade findet sie nur, dass das vermehrte Geld, das sie nun für die Lebensmittel ausgibt, nicht an der richtigen Stelle ankommt, sondern für die Inflation draufgehe. "Ich denke aber mal, dass ich trotz allem auch im Winter noch auf dem Markt einkaufen werde", sagt Marie.