Innerhalb von 13 Jahren soll Deutschland laut Klimaschutzminister Robert Habeck größtenteils grünen Strom beziehen.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Energie
06.04.2022, 16:0706.04.2022, 16:08
Beschleunigte Energie-Trendwende: Deutschland soll seinen Strom binnen 13 Jahren
weitgehend aus erneuerbaren Quellen beziehen - jedenfalls, wenn es
nach Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck geht. Das
Bundeskabinett beschloss dazu am Mittwoch das sogenannte Osterpaket
des Grünen-Politikers.
"Energiesouveränität ist Frage nationaler und europäischer Sicherheit"
Es umfasst einen riesigen Katalog an Vorhaben
zum Ausbau von Wind- und Sonnen-Energie und der entsprechenden
Infrastruktur. Der Koalitionspartner FDP kündigte allerdings schon
Nachbesserungsbedarf für die Beratungen im Bundestag an.
"Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert eine
Zeitenwende für die Energieversorgung in Deutschland", heißt es in
dem Gesetzentwurf. "Energiesouveränität ist zu einer Frage der
nationalen und europäischen Sicherheit geworden." Das knüpft an die
"Zeitenwende"-Rede von Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, der Ende Februar
nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eine erhebliche
Steigerung der Rüstungsausgaben ankündigte.
Strom aus Erneuerbaren
Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen
kommen, bis 2035 sollen es fast 100 Prozent sein. Aktuell liegt
Deutschland nach Branchenangaben bei 42 Prozent. Die FDP meldete
erhebliche Zweifel an, dass das Ziel für 2035 erreicht werden könne.
Fraktionschef Christian Dürr sagte der Deutschen Presse-Agentur:
"Hier wäre es wesentlich besser, das Ziel realistischer zu wählen,
und stattdessen die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass das Ziel
auch tatsächlich erreicht wird." FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler
sagte: "Ein klimaneutrales Stromsystem bis 2035 ist zwar
wünschenswert, aber in Deutschland praktisch nicht zu erreichen."
Stromkunden
Verbraucher und Firmen sollen von Juli an keine EEG-Umlage mehr
über die Stromrechnung bezahlen. Die Umlage zur Förderung von
Ökostrom wird dann aus dem Bundeshaushalt beglichen. Die
Stromanbieter sollen verpflichtet werden, die Entlastung in vollem
Umfang an ihre Kunden weiterzugeben. Auch hier zeigt sich die FDP
skeptisch. Dürr sagte, die Pläne sähen eine Möglichkeit zur späteren
Wiedereinführung vor.
Energieversorger, die ihre Verträge mit Haushaltskunden beenden
wollen, sollen diese und die Bundesnetzagentur künftig mindestens
drei Monate im Voraus informieren. Die Aufsicht der Bundesnetzagentur
soll gestärkt und Strompreise sollen transparenter werden.
Wind auf See
Der Ausbau der Windenergie auf See trat in Deutschland in den
vergangenen Jahren ziemlich auf der Stelle. Keine einzige Anlage ging
2021 zusätzlich ans Netz. Dabei will die Ampel-Koalition
Offshore-Windparks massiv ausbauen: Deren Leistung soll von 7.8
Gigawatt (GW) auf mindestens 30/40/70 GW in den Jahren 2030/35/45
steigen. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen gestrafft werden.
Offshore-Windparks sollen massiv ausgebaut werden.Bild: blickwinkel / M. Woike
Wind an Land
Auch beim Bau von Windrädern an Land soll es deutlich zügiger
vorangehen, mit bis zu 10 GW pro Jahr. Ziel ist eine Kapazität von
115 GW bei Wind an Land 2030. Zum Vergleich: Ende 2021 lag sie bei
56.13 GW. Die wesentlichen Hemmnisse, wie zum Beispiel eine mangelnde
Ausweisung von Flächen für Windparks, will Habeck im nächsten großen
Gesetzespaket, dem "Sommerpaket", angehen. Geplant ist, dass zwei
Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen reserviert werden.
Solarenergie
Bis 2030 soll die Leistung der installierten Solaranlagen auf 215
GW ansteigen, von zuletzt 59 GW. Dazu soll die jährliche Ausbaurate
auf 22 GW wachsen. Zugebaut werden soll je zur Hälfte auf Dächern und
Freiflächen. Die Vergütung für bestimmte Anlagen soll attraktiver
werden, was schon fürs laufende Jahr geplant ist. Für Solaranlagen
auf dem Boden sollen die Kriterien so geändert werden, dass mehr
Flächen infrage kommen, etwa am Rand von Äckern oder in Mooren.
Vorfahrt für Erneuerbare
Der Bau von Windrädern an Land und auf See und bei Solaranlagen
soll künftig als "im überragenden öffentlichen Interesse" gelten -
und damit im Konfliktfall besonderes Gewicht erhalten. Das
Komplettverbot für den Bau von Windkraftanlagen in Schutzgebieten
soll wegfallen. Stattdessen soll einzeln geprüft werden.
Beteiligung vor Ort
Die bürokratischen Hürden für lokale Wind- und Solarprojekte
sollen sinken. Zudem sollen mehr Möglichkeiten zur finanziellen
Beteiligung von Kommunen entstehen. Für Solaranlagen auf dem Boden
sollen die Kommunen Naturschutz-Vorgaben machen können.
Netzausbau
Der Netzausbau soll vorangetrieben werden, auch mit strafferen
Planungs- und Genehmigungsverfahren. In Deutschland fehlen wichtige
Leitungen für den Energietransport.
(ast/dpa)
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