Beschleunigte Energie-Trendwende: Deutschland soll seinen Strom binnen 13 Jahren weitgehend aus erneuerbaren Quellen beziehen - jedenfalls, wenn es nach Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck geht. Das Bundeskabinett beschloss dazu am Mittwoch das sogenannte Osterpaket des Grünen-Politikers.
Es umfasst einen riesigen Katalog an Vorhaben zum Ausbau von Wind- und Sonnen-Energie und der entsprechenden Infrastruktur. Der Koalitionspartner FDP kündigte allerdings schon Nachbesserungsbedarf für die Beratungen im Bundestag an.
"Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende für die Energieversorgung in Deutschland", heißt es in dem Gesetzentwurf. "Energiesouveränität ist zu einer Frage der nationalen und europäischen Sicherheit geworden." Das knüpft an die "Zeitenwende"-Rede von Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, der Ende Februar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eine erhebliche Steigerung der Rüstungsausgaben ankündigte.
Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 sollen es fast 100 Prozent sein. Aktuell liegt Deutschland nach Branchenangaben bei 42 Prozent. Die FDP meldete erhebliche Zweifel an, dass das Ziel für 2035 erreicht werden könne.
Fraktionschef Christian Dürr sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Hier wäre es wesentlich besser, das Ziel realistischer zu wählen, und stattdessen die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass das Ziel auch tatsächlich erreicht wird." FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte: "Ein klimaneutrales Stromsystem bis 2035 ist zwar wünschenswert, aber in Deutschland praktisch nicht zu erreichen."
Verbraucher und Firmen sollen von Juli an keine EEG-Umlage mehr über die Stromrechnung bezahlen. Die Umlage zur Förderung von Ökostrom wird dann aus dem Bundeshaushalt beglichen. Die Stromanbieter sollen verpflichtet werden, die Entlastung in vollem Umfang an ihre Kunden weiterzugeben. Auch hier zeigt sich die FDP skeptisch. Dürr sagte, die Pläne sähen eine Möglichkeit zur späteren Wiedereinführung vor.
Energieversorger, die ihre Verträge mit Haushaltskunden beenden wollen, sollen diese und die Bundesnetzagentur künftig mindestens drei Monate im Voraus informieren. Die Aufsicht der Bundesnetzagentur soll gestärkt und Strompreise sollen transparenter werden.
Der Ausbau der Windenergie auf See trat in Deutschland in den vergangenen Jahren ziemlich auf der Stelle. Keine einzige Anlage ging 2021 zusätzlich ans Netz. Dabei will die Ampel-Koalition Offshore-Windparks massiv ausbauen: Deren Leistung soll von 7.8 Gigawatt (GW) auf mindestens 30/40/70 GW in den Jahren 2030/35/45 steigen. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen gestrafft werden.
Auch beim Bau von Windrädern an Land soll es deutlich zügiger vorangehen, mit bis zu 10 GW pro Jahr. Ziel ist eine Kapazität von 115 GW bei Wind an Land 2030. Zum Vergleich: Ende 2021 lag sie bei 56.13 GW. Die wesentlichen Hemmnisse, wie zum Beispiel eine mangelnde Ausweisung von Flächen für Windparks, will Habeck im nächsten großen Gesetzespaket, dem "Sommerpaket", angehen. Geplant ist, dass zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen reserviert werden.
Bis 2030 soll die Leistung der installierten Solaranlagen auf 215 GW ansteigen, von zuletzt 59 GW. Dazu soll die jährliche Ausbaurate auf 22 GW wachsen. Zugebaut werden soll je zur Hälfte auf Dächern und Freiflächen. Die Vergütung für bestimmte Anlagen soll attraktiver werden, was schon fürs laufende Jahr geplant ist. Für Solaranlagen auf dem Boden sollen die Kriterien so geändert werden, dass mehr Flächen infrage kommen, etwa am Rand von Äckern oder in Mooren.
Der Bau von Windrädern an Land und auf See und bei Solaranlagen soll künftig als "im überragenden öffentlichen Interesse" gelten - und damit im Konfliktfall besonderes Gewicht erhalten. Das Komplettverbot für den Bau von Windkraftanlagen in Schutzgebieten soll wegfallen. Stattdessen soll einzeln geprüft werden.
Die bürokratischen Hürden für lokale Wind- und Solarprojekte sollen sinken. Zudem sollen mehr Möglichkeiten zur finanziellen Beteiligung von Kommunen entstehen. Für Solaranlagen auf dem Boden sollen die Kommunen Naturschutz-Vorgaben machen können.
Der Netzausbau soll vorangetrieben werden, auch mit strafferen Planungs- und Genehmigungsverfahren. In Deutschland fehlen wichtige Leitungen für den Energietransport.
(ast/dpa)