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Nach Butscha: Habeck weiter gegen Gas-Embargo – Das ist Notfallplan Gasversorgung

Thema: Energiepreise, Heiuzkosten, Energiesparen. || Modellfreigabe vorhanden
Russland will Gaslieferungen nur noch mit Rubel bezahlen lassen, Habeck ruft die Frühwarnstufe aus: Werden wir in den kommenden Wochen frieren? Bild: PHOTOTHEK / Ute Grabowsky
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Bundesregierung lehnt Energie-Embargo weiter ab – wie es um die Versorgung im Land steht

04.04.2022, 15:5108.06.2022, 17:23
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Auch nach den Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha lehnt die Bundesregierung ein sofortiges Embargo für russische Energie ab. Auf die Frage, ob ein solcher Schritt ausgeschlossen sei, egal, was der russische Präsident Wladimir Putin tue, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montag in Berlin: "Wir arbeiten ja an der Unabhängigkeit von russischem Öl und von Kohle und Gas." Deutschland habe die Erdöl- und Erdgasförderung weitgehend eingestellt und sich gegen andere Lieferanten und Energieterminals entschieden. "Das bauen wir jetzt alles zurück und drehen es um", sagte Habeck. Insofern gebe es jeden Tag Schritte zu einem Embargo.

Auch weiterhin "Nein" zu einem Energie-Embargo

Ein sofortiges Embargo mit einem Stopp von fossilen Energielieferungen würde die deutsche Wirtschaft deutlich mehr schädigen als Putins Wirtschaft , hatte zuvor der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Oliver Krischer (Grüne), bei einem Online-Pressetermin der nordrhein-westfälischen Grünen gesagt.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, forderte hingegen erneut ein Embargo. Hofreiter sagte im Deutschlandfunk mit Blick auf Habecks Kurs: "Es gibt einfach eine unterschiedliche Einschätzung. Ich bin der Meinung, gestützt auf Unmengen Experten und nicht nur Wirtschaftswissenschaftlern, dass es möglich ist." Ein Embargo wäre allerdings extrem schwierig. "Und es hat Konsequenzen, denn wir brauchen dann ein Rettungspaket für die Industrie. Wir brauchen wieder umfangreiches Kurzarbeitergeld."

Ablehnend gegenüber einem sofortigen Energie-Embargo hatten sich am Wochenende auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) und SPD-Chef Lars Klingbeil geäußert.

Aktivisten von Greenpeace blockieren am frühen Morgen den Haupteingang zur Erdölraffinerie der PCK-Raffinerie GmbH. Mit der Aktion protestiert Greenpeace gegen die fossilen Importe aus Russland und di ...
Aktivisten von Greenpeace blockierten im März den Haupteingang zur Erdölraffinerie der PCK-Raffinerie GmbH, in der Rohöl aus Russland über die Pipeline «Freundschaft» ankommt.Bild: dpa-Zentralbild / Patrick Pleul

So fließt weiterhin indirekt deutsches Geld an Russland: Am 1. April war es zu einem Erlass von Putin gekommen, der ab sofort eine Umstellung der Zahlungen für russische Gaslieferungen nach Europa von Euro und Dollar auf Rubel erzwungen hatte. Laut dem Erlass der russischen Regierung müssen ausländische Gaskäufer jetzt ein Fremdwährungskonto und ein Rubel-Konto bei der Gazprombank unterhalten. Nach Angaben des Handelsblatt werden sie unter dem Namen "Spezialkonten K" geführt, worüber indirekt weiterhin Gas an der Moskauer Börse in Rubel eingekauft werden kann. Die Währungsumstellung auf Rubel soll als Druckmittel die rasant fallende russische Währung stützen.

Bundesregierung versucht, russische Abhängigkeit schrittweise aufzulösen

Um die Abhängigkeit Deutschlands von Russland bei fossilen Energieimporten abzubauen, hatte Wirtschaftsminister Habeck schon vergangene Woche in Berlin die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Am Montag bekräftigte der Grünen-Politiker, dass Deutschland in den vergangenen vier Wochen "überraschend" gut vorangekommen sei, um die Abhängigkeit zu reduzieren. "Im nächsten Schritt ist gerade in Bezug auf Öl, die Willkür und die Abhängigkeit von russischer Beeinflussung der Infrastruktur zu lösen und zu überwinden" – daran arbeite man mit Hochdruck.

Die Abhängigkeit von russischem Öl sei von zuvor 35 Prozent durch Vertragsumstellungen bereits auf etwa 25 Prozent gesunken, hatte das Ministerium Anfang der Woche mitgeteilt. Mitte des Jahres 2022 sollen die russischen Ölimporte nach Deutschland voraussichtlich halbiert sein, hieß es zudem im "Fortschrittsbericht Energiesicherheit": "Zum Jahresende streben wir an, nahezu unabhängig zu sein." Vor allem der Deutschlands Osten hängt über die "Druschba"-Pipeline an russischem Öl: Die Raffinerie versorgt rund 90 Prozent des Kraftstoffbedarfs der Region in Brandenburg.

Der genaue Ablauf der Energieversorgung in Deutschland könnte sich also auch in den kommenden Wochen noch verändern. Watson hat für euch deshalb eine Übersicht zu den jetzt wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Energie-Lage zusammengestellt.

Thema: Energiepreise, Heiuzkosten, Energiesparen. || Modellfreigabe vorhanden
Heizung runter, Rubel runter: Um Versorgungsengpässe in Deutschland zu vermeiden, hat die Bundesregierung die Frühwarnstufe Gas ausgerufen.Bild: PHOTOTHEK / Ute Grabowsky

Was bedeutet eine "Erstversorgung von Haushalten"?

Müssen wir zu Hause bald frieren? Hier gab die Bundesregierung Entwarnung, als Habeck vergangene Woche die Frühwarnstufe Gas ausrief. Diese solle als Aufruf an alle zum grundsätzlichen Energiesparen verstanden werden, damit Versorgungsengpässe herausgezögert werden können, bis neue Gaslieferungen eintreffen.

Nach dem Notfallplan gibt es drei Krisenstufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Die Frühwarnstufe bedeutet laut Ministerium, dass ein Krisenstab beim Wirtschaftsministerium zusammentritt, der aus Behörden und Energieversorgern besteht. Die Gasversorger und die Betreiber der Gasleitungen werden verpflichtet, regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einzuschätzen. Der Staat greift noch nicht preisregulierend ein.

Schiffe fahren vor Tanks in den Hafen von Rotterdam
Riesiger Container vor dem LNG-Terminal im Hafen von Rotterdam.Bild: dpa / Federico Gambarini

Stattdessen ergreifen Gashändler und -lieferanten, Fernleitungs- und Verteilnetzbetreiber "marktbasierte" Maßnahmen, um die Gasversorgung aufrechtzuerhalten: Dazu gehören laut Ministerium etwa die Nutzung von Flexibilitäten – also Preisanpassungen – auf der Beschaffungsseite, der Rückgriff auf Gasspeicher und die Optimierung von Lastflüssen, also die Erlaubnis dazu, die Betriebsspannungen an elektrischen Netzen zu verändern.

Dann gibt es noch den Zwischenschritt der Alarmstufe – und nur, wenn sich daraufhin die Versorgung noch drastischer verschlechtern sollte, würde die Notfallstufe ausgerufen: Erst hier greift der Staat in den Gasmarkt ein und übernimmt die Kontrolle über die zu dem Zeitpunkt noch verbleibenden Gasmengen. Nach Plan würden dann zu aller erst private Haushalte Gas erhalten sowie kritische Infrastrukturen wie Krankenhäusern, Feuerwehr und Polizei. Bedeutet: Wenn es hart auf hart kommt, werden deutsche Unternehmen beziehungsweise die Industrie das Nachsehen haben.

Bei der Frühwarnstufe steht damit vor allem eine generelle Mahnung an alle zum Energiesparen im Vordergrund: "Ab sofort ist jeder Gasverbraucher – von der Wirtschaft bis zu Privathaushalten – angehalten, seinen Verbrauch so gut wie möglich zu reduzieren", sagte Habeck dazu.

Werden sich die Gas-Preise noch weiter erhöhen?

Jein. Denn solange der Staat noch nicht in den Gasmarkt eingreift, gilt das Angebot-Nachfrage-Prinzip: Wer Gas einkauft, muss sich nach den Preisen der übrig gebliebenen Anbieter richten. Da Deutschland weder über größere eigene Gasvorkommen, noch über ein eigenes LNG-Terminal verfügt, bezieht es dann zunehmend LNG-Gas über Terminals aus anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Belgien oder den Niederlanden. Der weitere Transportweg machte das Flüssiggas lange teurer als das russische Pipeline-Gas.

Bundeswirtschaftsminister Habeck rechnet damit, dass es in den nächsten Wochen zu Preissteigerungen kommt, er betonte aber, dass diese nicht zu einer langfristigen Erhöhungen der Gaspreise führe: Man habe schon in den letzten Wochen gesehen, dass der Gaspreis deutlich heruntergegangen sei, weil andere Länder "besser, klüger, vorsichtiger" gehandelt hätten. Diese hätten sich mit Gas gut eingedeckt und Europa und Deutschland habe Gas nachkaufen können. "Wir haben gute Chancen, über den Sommer die Speicher vollzumachen", so Habeck.

Was passiert, wenn einem der EU-Staaten das Gas ausgeht?

Innerhalb der EU sind alle Mitgliedsstaaten zur Solidarität angehalten: Das verlangt die sogenannte SOS-Verordnung, die seit 2017 gilt. Sie sieht vor, dass wenn ein Nachbarland vor Engpässen steht, sich gegenseitig vorübergehend mit Gaslieferungen zu helfen. Würde also etwa in Deutschland das Gas knapp, müsste sich "als letztes Mittel", wie es in dem EU-Gesetz heißt, auch die Industrie von anderen Mitgliedsländern einschränken, um Gas zu deutschen Heizkraftwerken umzuleiten. Dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt. Das Gas, das dann unter Anstrengungen von deutschen Unternehmen beschafft worden wäre, würde dann dorthin fließen, wo die Energienot am größten ist.

Außenansicht am Europäischen Parlament in Straßburg. Aus Solidarität mit den Menschen in der Ukraine sind abwechselnd EU-Flaggen und ukrainische Flaggen aufgezogen. Straßburg, 10.03.2022
Bei Energieversorgungsengpässen sind die EU-Mitgliedsstaaten zu Solidarität angehalten.Bild: Geisler-Fotopress / Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Ab wann kommt es zu einer Umstellung auf andere Gaslieferanten?

Das könnte noch dauern, zumindest was die vollständige Umstellung betrifft. Dabei ist Katar ein wichtiger Lieferant in Habecks Strategie. Kurzfristig sollen von hier LNG-Lieferungen dabei helfen, für den kommenden Winter die Gasversorgung in Deutschland zu sichern. Mittelfristig soll auch LNG-Gas aus Katar an geplanten deutschen LNG-Terminals, etwa in Brunsbüttel oder Stade, anlanden. Hierfür bräuchte es zuerst ein Terminal, dessen Fertigstellung auf frühestens Ende 2026 geschätzt wird, und zudem Lieferverträge mit deutschen Unternehmen.

(mit Material von dpa)

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