Atomenergie soll in die sogenannte Taxonomie der EU aufgenommen werden – also in die Vorgaben für nachhaltige Investitionen.Bild: iStockphoto / Iurii Garmash
Analyse
04.01.2022, 17:1304.01.2022, 18:01
Es war der 11. März 2011, als ein Erdbeben und ein dadurch ausgelöster Tsunami Japan und die Welt in Alarmbereitschaft versetzten. Damals, vor knapp elf Jahren, folgte in Fukushima auf die Naturkatastrophe der GAU, der größte anzunehmende Unfall in einem Atomkraftwerk. Und in Deutschland ein Jahr der Anti-Atomkraft-Proteste – und die Entscheidung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Ausstieg aus der Kernenergie zu beschleunigen.
Die EU-Kommission will Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke nun unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einstufen. Das geht aus dem Entwurf für einen sogenannten Rechtsakt hervor, der am Neujahrstag öffentlich wurde. Deutschland hatte sich gegen die Aufnahme der Atomkraft in die sogenannte Taxonomie ausgesprochen, aber gleichzeitig für ein grünes Label für Gas als notwendige Brückentechnologie gekämpft. Länder wie beispielsweise Frankreich sehen die Atomkraft als eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft.
Die Taxonomie
Die sogenannte Taxonomie ist eine EU-Verordnung aus dem Juni 2020. Sie soll einen Rahmen schaffen, der nachhaltige Investitionen erleichtert. So sollen Anlegerinnen und Anleger zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. Verabschiedet wurde die Verordnung – also ein europäisches Gesetz, das direkt in allen EU-Mitgliedsstaaten wirksam wird – vom Europäischen Parlament und vom Rat, in dem die Fachminister der Mitgliedsstaaten vertreten sind. Parlament und Rat haben die Europäische Kommission beauftragt, in sogenannten delegierten Rechtsakten Details zur Taxonomie festzulegen: Unter anderem geht es in diesen Rechtsakten darum, ob Gaskraftwerke und Kernkraftwerke grundsätzlich die Kriterien für nachhaltige Investments erfüllen.
Kurz gesagt: Setzt die EU ihre Pläne, die Atomkraft als "grün" einzustufen, durch, dürften Anleger künftig häufiger in Atomenergie investieren. Es wird außerdem damit gerechnet, dass die Einstufung weitreichende Auswirkungen hat, da sich als nachhaltig eingestufte Projekte deutlich leichter und günstiger finanzieren lassen dürften.
Das Europäische Parlament (mit der Mehrheit seiner Abgeordneten) oder der Europäische Rat (mit einer qualifizierten Mehrheit von mindestens 20 Staaten, die für mindestens zwei Drittel der EU-Bevölkerung stehen) könnten den Rechtsakt zur Atomkraft noch stoppen. Das erscheint momentan aber als unwahrscheinlich.
Auf watson-Nachfrage erklärt das von Grünen-Politiker Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium, die Bundesregierung wolle die Vorschläge der EU-Kommission prüfen und sich in der Bundesregierung abstimmen. Weiter heißt es vonseiten des Ministeriums:
"Wir sind uns einig, dass Atomenergie keine nachhaltige Energie ist. Atomenergie als nachhaltig zu labeln, halten wir daher für falsch. In Deutschland ist der Weg hier auch eindeutig geregelt: Der Atomausstieg in Deutschland ist beschlossen, gesetzlich klar geregelt und gilt.
Die Atomenergie ist also lautstark zurück – und mit ihr der Streit um sie. Um Strahlung, um Sicherheit. Um CO2-Bilanzen und Endlager. Der sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder war es, der im Jahr 2000 den Atomausstieg mit den Energieunternehmen aushandelte.
In diesem Jahr, 2022, werden in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz gehen – so zumindest der Plan. Ein Erfolg für die sozialen Bewegungen, die in Orten wie Wackersdorf, Gorleben und Brokdorf für das Ende der Kernenergie kämpften.
Proteste gegen das geplante Atommüllager Gorleben.Bild: Zoonar.com/Reinhard Pantke / Reinhard Pantke
Fast hätte die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel im Jahr 2010 diesen Sieg zunichtegemacht: Sie machte den Ausstieg rückgängig. Nach dem GAU im japanischen Fukushima hat sie diese Entscheidung allerdings revidiert. Die Anti-Atomkraft-Demonstrationen wichen Anti-Kohle-Demos und "Fridays for Future".
Nun aber ist die Kernenergie auch in der deutschen Debatte zurück. Watson hat für dich die wichtigsten Punkte zusammengefasst, die du über Atomenergie wissen musst – und Argumente für und gegen den Einsatz von Kernenergie gesammelt.
Kernenergie sorgt für eine geringe CO2-Belastung
Der größte energetische Aufwand bei der Stromerzeugung durch Kernkraft, liege in der Anreicherung des Urans. Insgesamt sei die Kernenergie allerdings auch mit Blick auf die Emissionskette emissionsarm, sagt Mycle Schneider. Er ist Energie- und Atompolitikberater für zivile und politische Organisationen, darunter die EU-Kommission und Greenpeace. Er ist außerdem Koordinator und Herausgeber des World Nuclear Industry Status Report. Trotz der geringen Emissionen ist die Atomenergie aus Sicht des Experten nicht klimaeffizient.
Schneider sagt:
"Wenn ich einen Euro ausgebe, muss ich schauen, dass ich möglichst viel Treibhausgase verringere, also Emissionen vermeide und das Ganze möglichst schnell passiert. Klimaschutzeffizienz bedeutet möglichst wenig Emissionen möglichst schnell. Also die Verbindung zwischen Zeit und Kosten pro investiertem Euro. Und wenn ich mir anschaue, welche die Optionen heute sind, dann ist Atomkraft eben nicht nur die teuerste Variante, sondern vor allen Dingen die langsamste."
Was er damit meint: Der Bau von Kernkraftwerken dauert lange.
"Die reine Bauzeit für ein Atomkraftwerk sind im Schnitt zehn Jahre", sagt Schneider. Und diese zehn Jahre starteten erst, wenn das Fundament für die Meiler gegossen würde. Planungs- und Genehmigungsverfahren kämen dazu. Schneider fasst zusammen: "Das heißt: In der Regel haben wir mindestens 15 Jahre Vorlaufzeit, bis ein solches Werk steht."
Vor allem in China werden aktuell neue Kernkraftwerke gebaut.Bild: picture alliance / Photoshot
Anders sieht es Rainer Klute, der Vorsitzende des Vereins Nuklearia, der für ein Comeback der Atomkraft wirbt. "Ich finde es richtig, dass die Kernenergie als grün klassifiziert worden ist, denn sie ist nun mal nahezu CO2-frei", sagt er.
Klute führt aus:
"Die CO2-Emissionen der Kernenergie liegen über den gesamten Lebenszyklus, also vom Bau des Kernkraftwerks über Brennstoffgewinnung, Herstellung der Brennelemente, Betrieb, Rückbau und Endlagerung in derselben Größenordnung wie Windkraft und sind viermal günstiger noch als Photovoltaik."
Auch Klute ist bewusst, dass es lange dauern wird, bis neue Reaktoren gebaut und ans Netz gegangen sind. Er zieht allerdings einen anderen Schluss als Schneider.
Klute sagt:
"Klar, vor 20 Jahren wäre ein besserer Zeitpunkt gewesen, Kernkraftwerke zu bauen. Aber heute ist der zweitbeste Zeitpunkt und andere Möglichkeiten, um CO2-frei zu werden haben wir nicht. Ja, die Erneuerbaren gibt es auch. Aber die Kapazität der Kernkraftwerke durch Erneuerbare zu ersetzen, das braucht seine Zeit. Das kriegt man nicht mal eben mit einem Fingerschnipsen. Bei Dunkelheit und Flaute liefern die Erneuerbaren ohnehin nicht. Daher brauchen wir ohne Kernkraft immer auch einen fossilen Anteil."
Die Energiezufuhr soll gesichert sein
"Flatterstrom", so werden Wind- und Solarenergie hin und wieder genannt. Der Vorwurf zu den Erneuerbaren: Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, liefern sie keinen Strom. Anders soll es mit der Atomenergie aussehen. Hier ist die Zulieferung ins Netz garantiert. Zumindest dann, wenn keines der Werke ausfällt – geplant oder ungeplant.
Und das kommt laut den Aufzeichnungen Mycle Schneiders gar nicht mal so selten vor. "Wir schauen uns regelmäßig die Ausfälle von Atomkraftwerken in Frankreich an: und es kommt fast täglich zu ungeplanten Ausfällen", sagt Schneider. Das Problem: Fällt ein Kernkraftwerk aus, fehlen dem Netz mit einem Schlag tausend Megawatt.
Bei Nacht und Windstille kann kein die erneuerbarer Strom erzeugt werden. Bild: dpa / Julian Stratenschulte
Statt auf Atomenergie wird Deutschland auf Gas als Brückentechnologie setzen. Der fossile Brennstoff ist in dem Entwurf der EU ebenfalls grün eingestuft worden – geplant ist, dass Gaskraftwerke in Zukunft auf den Wasserstoffbetrieb ausgerichtet sein sollen. "Es kommt daher nun darauf an, den Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft und den Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur mit mehr Tempo als bisher voranzutreiben", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Nach eigenen Angaben wurden dahingehend die ersten Projekte angestoßen – sowohl auf deutscher als auch auf internationaler Ebene.
Mini-Atomkraftwerke sollen mehr Sicherheit bieten
Emmanuel Macron, Frankreichs Präsident, hat sie angekündigt: Mini-Kernkraftwerke (Small Modular Reactor / SMR). Die kleinen Meiler erzeugen zwar weniger Energie als die großen, sollen aber sicherer und klimafreundlich sein. Ein Gutachten, das das private Öko-Institut gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin und dem Physikerbüro Bremen im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung erstellt hat, kommt allerdings zu dem Schluss, dass die kleinen Kraftwerke keine Antwort auf die Klimakrise seien.
Atomkraft-Gegner Olaf Scholz mit dem Atomkraft- Befürworter Emmanuel Macron.Bild: newscom / DAVID SILPA
Der Grund dafür: Die SMR erzeugten zu wenig Strom. Dadurch müssten Tausende installiert werden. In dem Gutachten heißt es:
"Anstelle von heute etwa 400 Reaktoren mit großer Leistung würde dies also den Bau von vielen tausend bis zehntausend SMR-Anlagen bedeuten. Dabei sind aber Fragen zu Sicherheit, Transport, Rückbau sowie zur Zwischen- und Endlagerung bislang ungeklärt."
Wirtschaftlich würden sich die Meiler laut Gutachten ebenfalls nicht lohnen, da sie im Bau in Relation zu großen Anlagen unverhältnismäßig teuer seien. Auch für den schnelleren Bau, der immer wieder ins Feld geführt würde, finden die Autoren keine Anhaltspunkte. Vielmehr weisen sie darauf hin, dass die meisten Baustellen neuer Reaktoren sehr viel länger bestünden als angesetzt.
Christoph Hoffmann ist Referent für klimakompatible Finanzflüsse bei der Nichtregierungsorganisation Germanwatch und arbeitet unter anderem zur EU-Taxonomie. Er sieht keinen Sinn darin, Atomstrom als "grün" einzustufen. Als Gründe dafür nennt er die mangelnde Sicherheit der Reaktoren und den radioaktiven Müll – aber auch deren niedrige Wirtschaftlichkeit und geringen Beitrag zum Klimaschutz, die auch im Gutachten des Öko-Instituts genannt werden.
"Außer sie kommen in Massenproduktion, aber, wenn überhaupt, dann frühestens in 20 bis 30 Jahren, zu spät fürs Klima."
Mycle Schneider, Atompolitikberater
Für Germanwatch sei klar: Atomenergie sei wegen des Lobbydrucks aus Frankreich in die Taxonomie aufgenommen worden. "Beobachtet man die französische Debatte und Einstellung in der Bevölkerung, ist die Einstellung gegenüber Atomkraft eine ganze andere als in Deutschland", sagt Hoffmann. In diesem Jahr sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen – und der Atomstrom könnte eine entscheidende klima- und energie- und wirtschaftspolitische Frage sein.
Der Atompolitikberater Schneider hält auch nichts von dem Vorstoß, auf kleine Kraftwerke zu setzen.
Er sagt:
"Die Mini-Kraftwerke sind in der Geschichte der Atomkraft nichts Neues: Genau genommen hat die Geschichte mit ihnen angefangen. Und dann hat man sie größer gemacht, weil das wirtschaftlicher war. Jetzt sagen manche Ingenieure, große Reaktoren sind zu teuer, wir machen sie klein – aber dadurch werden sie in Wirklichkeit noch teurer. Außer sie kommen in Massenproduktion. Aber, wenn überhaupt, dann frühestens in 20 bis 30 Jahren, zu spät fürs Klima."
Im Grunde genommen, meint Schneider, sei die Technologie der Atomenergie vom Aussterben bedroht.
Langsamer Bau: Neue Meiler würden zu spät kommen
Der Bau der Atomkraftwerke dauert also ohnehin schon lange – zusätzlich kommt es außerdem immer wieder zu Verzögerungen. Beispielsweise im Atom-Land Frankreich. Bereits vor zehn Jahren hätte hier ein dritter Reaktor in Flamanville ans Netz gehen sollen. Passiert ist das bis heute nicht. Frühestens 2023 soll er für die Stromerzeugung genutzt werden.
In Zukunft möchte Frankreich weitere, neue Reaktoren bauen. Ein Vorstoß, der aus Sicht Mycle Schneiders keine gute Idee ist.
Schneider sagt:
"Die französische Regierung geht davon aus, dass wenn alles gut geht, das erste Atomkraftwerk, dass neu gebaut wird, 2039 in Betrieb genommen werden kann. Worüber reden wir hier eigentlich? Wenn wir über den Klimanotstand reden, reden wir über die 20er Jahre."
Wirkliche Klimaeffizienz sieht für Schneider anders aus. "Es reicht nicht, Milliarden in eine Industrie zu stecken, die es nicht fertigbringt, ein einziges Atomkraftwerk fertig zu stellen", sagt Schneider. Grund dafür: Es fehle am Know-How. "Wir leben nicht mehr in den 60er, 70er oder 80er Jahren. Damals wurden Atomkraftwerke noch in Serie gebaut. Alle Beschäftigten sprachen dieselbe Sprache und waren auf allen Ebenen qualifiziert: vom Zementarbeiter bis zum Manager", sagt Schneider.
Im Französischen Flamanville verzögert sich die Fertigstellung des dritten Reaktors seit Jahren. Bild: Maxppp / Stéphane Geufroi
Der Neubau von Reaktoren verschlimmert aus Sicht des Experten sogar die Klimakrise. Schneider sagt: "Das ist eine kontraproduktive Maßnahme. Jeder Euro, der in die Atomenergie investiert wird, kann nicht in Energieeffizienz und erneuerbare Energien investiert werden." Anders stehe es um Bestandsreaktoren: Hier müsse von Reaktor zu Reaktor geschaut werden, wie lange der Betrieb rein klimapolitisch sinnvoll sein könnte. Wie alt ein solcher Reaktor werden kann, sei bisher nicht klar.
Schneider sagt:
"Es gibt praktisch keine Erfahrungen mit Reaktoren, die länger als 50 Jahre am Netz hingen. Viele können allerdings schon viel früher nicht mehr mit Effizienz und Erneuerbaren konkurrieren."
Unzufrieden ist Schneider auch mit dem Vorstoß, Gas als grüne Energie in die Taxonomie aufzunehmen.
Das Problem mit der Endlagerung und der Strahlung
Fukushima und Tschernobyl: Die Städte in Japan und der heutigen Ukraine stehen für die zwei verheerendsten Unfälle der Geschichte in Atomkraftwerken – und somit für das Unvorhersehbare, Unbeherrschbare der Kernenergie. Aus Sicht des Atomkraftbefürworters Klute stehen die Unfälle aber dafür, dass die Kernenergie extrem sicher ist.
Er sagt gegenüber watson: "Erst einmal ist es eine geringe Zahl an Unfällen. Und wenn man jetzt noch genauer hinguckt, dann merkt man, dass sich diese Unfälle gar nicht auf die Kernenergie als solche übertragen lassen."
In Tschernobyl sei ein Reaktortyp im Einsatz gewesen, der von Grund auf ein gewisses Risiko eingebaut hatte. Solche Reaktoren habe es nur in der damaligen Sowjetunion gegeben – heute noch habe Russland einige, allerdings nachgebesserte, Reaktoren dieses Typs im Einsatz.
Zum Unglück von Fukushima meint Klute:
"Wenn wir uns Fukushima anschauen: Auch hier war nicht die Kernenergie als solche das Problem, sondern die ziemlich überraschende Tatsache, dass Japan keine unabhängige Atomaufsicht hatte. Die Atomaufsichtsbehörde war an das Wirtschaftsministerium angegliedert und hatte nicht die Kompetenzen, um auch mal eine Anlage stillzulegen, solange da irgendein Sicherheitsproblem bestand, sondern die konnten immer nur Vorschläge machen."
Eine solche Aufsicht allerdings sei wichtig, meint Klute. Und auch die Frage der Endlagerung muss laut EU-Taxonomie-Beschlussvorlage geklärt sein.
Heute noch zieht das verstrahlte Tschernobyl etliche Abenteuerlustige an.Bild: Zoonar.com/Robert Ruidl / Robert Ruidl
Ein Projekt gibt es bereits in Finnland. Hier soll Mitte der 2020er Jahre erster Atommüll eingelagert werden. Klute sagt darüber:
"Die Endlagerung in tiefen geologischen Schichten ist auf eine sichere Art und Weise möglich, das sagt auch die EU-Kommission in der Taxonomie. Deshalb stellt sie als Anforderung für die Genehmigung eines Kernkraftwerks, dass der EU-Mitgliedsstaat, in dem diese Anlage läuft, einen detaillierten Plan für ein Endlager haben muss, das spätestens 2050 in Betrieb geht."
Außerdem gebe es erste Modellprojekte mit Schnellreaktoren, die Abfälle aus Kernkraftwerken verarbeiten könnten.
Der FDP-Politiker Michael Kruse zeigt sich mit Blick auf die Kernenergie weniger optimistisch. "Die Einordnung von Kernenergie als nachhaltig ist nicht zukunftsorientiert", schreibt er. Warum er die Energieform nicht für zukunftsorientiert hält, erklärt er gegenüber watson damit, dass auf der einen Seite die Endlagerthematik jahrzehntelang nicht abschließend geklärt werden konnte – und Kruse nicht davon ausgeht, dass sie das zeitnah werde.
Als zweiten Punkt führt er folgenden an:
"Kein Unternehmen findet eine Versicherung für ein Kernkraftwerk. Damit werden mögliche Schäden der Gesellschaft aufgebürdet. Das widerspricht marktwirtschaftlichen Prinzipien, wonach Erfolg wie Misserfolg im Verantwortungsbereich des Betreibers liegen."
Kostenintensiver Rückbau
Nicht nur der Bau von Kernkraftwerken ist zeitintensiv und teuer, sondern auch der Rückbau. Laut dem Energieunternehmen Preussenelektra ist der Rückbau eine "enorme logistische Herausforderung". Besonders aufwändig werde er, weil bewertet werden müsse, ob das abzubauende Material radioaktiver Abfall sei oder nach einer entsprechenden Reinigung in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden könne. "Dies bedeutet, dass alle Bestandteile des Kontrollbereichs zu 100 Prozent gemessen werden müssen, teilweise mehrfach", heißt es vonseiten Preussenelektras.
Ein Arbeiter geht durch die Umkleide im inzwischen stillgelegten Kernkraftwerk Brokdorf. Bild: dpa / Christian Charisius
Weiter führt eine Sprecherin des Unternehmens aus:
"Der gesamte Prozess wird durch die Aufsichtsbehörde und von Sachverständigen begleitet und dokumentiert. Dies lässt vielleicht erahnen, weshalb wir für den Rückbau des Kontrollbereichs so viele Jahre, nämlich ca. 10 – 15 Jahre, veranschlagen. Daran schließt sich der konventionelle Abriss der Gebäude an, mit weiteren circa zwei Jahren."
Rund vier Jahre brauche außerdem der Abtransport der gebrauchten Brennelemente. Neben der strahlenden Brennelemente fielen beim Rückbau zudem schwach- und mittelradioaktive Abfälle an, die innerhalb der Anlage so aufbereitet würden, dass sie im Anschluss sicher zwischen- und später endgelagert werden könnten. "Für diese Abfallarten wird derzeit das Endlager Konrad errichtet, die Inbetriebnahme von Konrad ist nach Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ab 2027 vorgesehen", erklärt die Sprecherin.
"Nur Deutschland hat sich für einen anderen Weg entschieden, den wir von der Preussenelektra nun konsequent umsetzen."
Sprecherin des Energiekonzerns Preussenelektra
Für Preussenelektra sei klar, dass Kernkraftwerke einen Beitrag zum Klimaschutz leisteten und eine wichtige Brückentechnologie hin zur reinen Versorgung durch erneuerbare Energien sein könnte. Aber: "Nur Deutschland hat sich für einen anderen Weg entschieden, den wir von der Preussenelektra nun konsequent umsetzen."
Fazit: Für die Atomkraft ist es too little, too late
Es spricht manches dafür, dass die Aufnahme der Atomenergie in die Taxonomie möglicherweise nur ein letztes Aufbäumen eines alten Riesen ist. Durch lange Bauzeiten und Genehmigungsverfahren, durch Strahlung, Endlager und zu kleinen Energieausstoß, könnte diese Technologie für die Klimakrise zu spät kommen. Too little, too late sozusagen.