Die Augen der Weltöffentlichkeit waren in den vergangenen Tagen erst auf das Mittelmeer gerichtet und dann auf den Atlantik. Denn in beiden Weltmeeren wurden, aus ganz unterschiedlichen Gründen, großangelegte Suchaktionen durchgeführt.
Am vergangenen Mittwoch kenterte vor der griechischen Halbinsel Peloponnes ein überladenes Fischerboot, mit dem Schleuser Geflüchtete aus Afrika und Asien nach Europa bringen wollten. Hier, an einer der tiefsten Stellen des Mittelmeers, war der Motor ausgefallen. Wenig später sank das hoffnungslos überladene Boot, auf das sich bis zu 700 Menschen gequetscht hatten.
82 Leichen wurden bisher geborgen, 104 Menschen konnten nach offiziellen Angaben gerettet werden. Die Opferzahl dürfte noch viel höher liegen, manche der Toten wird man nie finden.
Die Behörden haben die Suche nach Überlebenden längst eingestellt. Zu gering ist die Chance, noch lebende Geflüchtete zu finden. Kaum war die großangelegte Suchaktion im Mittelmeer beendet, startete Tausende Kilometer weiter westlich die nächste.
Am Sonntag brach im Atlantik, vor der Küste Neufundlands in Kanada, die Kommunikation zu einem Tauchboot ab, das auf dem Weg zum Wrack der 1912 dort gesunkenen Titanic war. An Bord waren fünf Menschen, unter ihnen Touristen, die das legendäre Wrack auf rund 3.800 Metern Tiefe sehen wollten.
Der Sauerstoff an Bord wird immer knapper. Für die US-Küstenwache, die mithilfe von Kanada das Gebiet um die Titanic durchkämmt, ist die Suche nach dem verschollenen Tauchboot ein Rennen gegen die Zeit.
Das Interesse von Medien und der Öffentlichkeit an der Suchaktion in den Tiefen des Atlantiks ist riesig. Für einige hat das einen faden Beigeschmack.
So auch für Oliver Kulikowski, Sprecher der Seenotrettungsorganisation Seawatch. Die gemeinnützige Initiative hat sich der Seenotrettung im Mittelmeer verschrieben. Denn der Weg über das Mittelmeer gilt als gefährlichste Fluchtroute der Welt: Seit 2014 sind über 20.000 Menschen bei dem Versuch gestorben, über das zentrale Mittelmeer nach Europa zu gelangen.
Auch Oliver Kulikowski bangt mit den im Atlantik verschollenen Titanic-Fans und ihren Familien. "Wir kritisieren die Rettungsversuche gar nicht, ganz im Gegenteil. Das ist genau die richtige Reaktion, um Menschen vor dem Ertrinken zu retten", sagt er.
Mit Blick auf die jüngste Katastrophe im Mittelmeer führt er jedoch fort: "Wir kritisieren, dass diese Anstrengungen nicht für alle unternommen werden. Erst letzte Woche sind bis zu 600 Menschen bei einem Schiffbruch vor Griechenland ertrunken. Der Fall war bekannt, Rettung blieb aus." Er fragt sich deshalb: "Was außer Herkunft und Vermögen macht den Unterschied in der Reaktion?"
Seenotrettungsorganisationen wie Seawatch kritisieren seit Jahren, dass Politiker:innen in Europa nicht genug tun, um die vielen toten Geflüchteten im Mittelmeer zu verhindern.