Das Rennen ist nun offiziell eröffnet. Wirklich. Nachdem tagelang gemunkelt worden war, wer denn die scheidende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer beerben will, nachdem die CDU zunächst eine Teamlösung anstrebte – nach all den Berichten wissen wir jetzt: Es wird eine Kampfkandidatur. Vorerst ist es ein Dreikampf.
Bereits vergangene Woche war Norbert Röttgen vorgeprescht und hatte seine Kandidatur öffentlich gemacht. An diesem Dienstag zogen nun Armin Laschet und Friedrich Merz nach.
Vor allem Laschet und Merz waren sehr darauf bedacht, sich voneinander abzugrenzen, Merz sprach gar von einer "Richtungsentscheidung", die vor der Partei liege.
In welche Richtung soll es gehen? Was bekommt das CDU-Mitglied mit einem der drei Politiker für einen Chef? Ein Überblick:
Wie stehen die Kandidaten zur AfD und zur Linkspartei?
Alle drei Kandidaten haben eine Zusammenarbeit in irgendeiner Form mit der AfD kategorisch ausgeschlossen – ebenso wie mit der Linkspartei. Alle drei waren aber auch bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, die beiden Parteien miteinander gleichzusetzen.
Röttgen sagte, die AfD trage mit ihrem "nationalistischen Denken" zum Unfrieden in der Gesellschaft bei. Auch zur Linkspartei müsse die CDU eine Grenze ziehen, aber aus anderen Gründen. Beide Parteien seien nicht gleichzusetzen. Die Linke habe noch nicht begonnen, das Erbe der SED-Vergangenheit aufzuarbeiten.
Laschet hatte die AfD bei einem Karnevalsauftritt kürzlich "braune Raubritter" genannt, die Deutschland nicht brauche. Am Dienstag betonte er, die Beschlüsse der CDU, eine Zusammenarbeit mit AfD und Linke auszuschließen, gelten weiterhin. Die Begründung eines Kooperationsverbots mit Links übernahm Jens Spahn: Die Linkspartei unterstütze Diktatoren in aller Welt. AfD und Linke seien aber nicht miteinander vergleichbar, "weil sie nicht gleich sind", sagte Spahn mit Blick auf Thüringen.
Auch Merz hält am Parteitagsbeschluss fest, der eine Kooperation mit AfD oder Linkspartei ausschließt. Gleichwohl sei eine Differenzierung notwendig. Die Probleme mit Linksradikalismus seien "weitgehend unter Kontrolle". Mit dem Rechtsradikalismus gebe es "massive Probleme", sagt Merz. "Und die sind nicht unter Kontrolle."
Der Rechtsradikalismus
Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau äußerten sich alle Kandidaten bestürzt über Rechtsextremismus in Deutschland.
Röttgen sagte nach Hanau, der Anschlag dürfe nicht "isoliert" betrachtet werden. "Wir müssen das Gift bekämpfen, das von der AfD und anderen in unsere Gesellschaft getragen wird", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Laschet betonte bei seiner Rede am Dienstag: "In der Gesellschaft ist so viel Wut und Hass." Menschen mit Migrationshintergrund hätten Angst.
Auch Merz machte bei seinem Auftritt klar, dass er Rechtsextremismus als drängendes Problem in Deutschland sehe. Der Rechtsradikalismus sei über Jahre unterschätzt worden, sagte er.
Kurios wurde es allerdings, als ein Journalist den CDU-Politiker fragte: "Schließe ich aus Ihren bisherigen Aussagen richtig, dass Ihr Weg, den Rechtsradikalismus zu bekämpfen, die Thematisierung von Clankriminalität und rechtsfreien Räumen ist?" Worauf Merz sagte: "Ja."
Der Moment im Video:
Mit dieser Antwort auf den Rechtsradikalismus fällt Merz, im Gegensatz zu Laschet und Spahn, auf.
Rechtsstaat und Sicherheit
Die Debatte über den Rechtsstaat nahm bei Norbert Röttgens Verkündung vergangene Woche vergleichsweise wenig Raum ein. Er erklärte, dass der Staat die Bürger schützen müsse.
Laschet betonte dagegen ausdrücklich, dass er für "Null Toleranz" gegenüber Straftätern stehe. Zugleich müsse Deutschland aber ein "liberales, weltoffenes Land bleiben", sagte Laschet. "Das ist beides möglich."
Merz erklärte, die CDU müsse Vertrauen in den Rechtsstaat zurückgewinnen. Rechtsfreie Räume müssten geschlossen und Zuwanderung wieder unter Kontrolle gebracht werden.
Von allen drei Kandidaten versucht Merz bisher am stärksten für eine "Law and Order"-Politik zu stehen.
Migrationspolitik
Kein anderes Thema hat die CDU in den vergangenen Jahren so sehr gespalten. Auch hier sind sich die Kandidaten einig: Es gibt Verbesserungsbedarf:
Röttgen betonte bei seiner Rede: "Von Ordnung der Migration kann nicht die Rede sein." Er wollte das nicht als Vorwurf verstanden wissen. Er plädierte dafür, frühzeitiger auf absehbare Krisen wie etwa derzeit in der syrischen Provinz Idlib zu reagieren.
Laschet sagte bei seinem Auftritt, die Menschen hätten Ängste über Migration. Nannte dabei aber auch steigende Mieten oder den Klimawandel als Auslöser von Sorgen.
Merz betonte, man müsse "die nach wie vor stattfindende illegale Migration nach Deutschland" eindämmen. Explizit nannte er dabei auch den "Schutz der Außengrenzen Deutschlands" als mögliche Maßnahme.
Festhalten können wir: Röttgen und Merz kritisierten beide deutlich den Kurs der aktuellen Bundesregierung in der Migrationspolitik.
Bildungspolitik
Norbert Röttgen führte zur Begründung seiner Kandidatur nicht eigens einen Punkt zur Bildungspolitik auf. Anders bei Laschet und Merz:
Laschet betonte, dass Schulen in Brennpunkten bessere Ausstattung benötigen. "Den Kindern geht es besser als den eigenen Eltern: Dieses Aufstiegsversprechen muss wieder gelten", sagte Laschet. "Die Schule muss der strahlendste Ort sein."
Merz erklärte: "Wir müssen mehr für Ausbildung und Bildung tun, auch für die Perspektive junger Frauen. Wir müssen dafür sorgen, dass größere Teile der Bevölkerung am Wohlstand teilnehmen."
Klima- und Wirtschaftspolitik
Das Thema Klimaschutz entscheidet längst Wahlen in Deutschland. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Kandidaten:
Der frühere Umweltminister Röttgen sieht hier erheblichen Verbesserungsbedarf für die CDU: Die CDU müsse ökologische Glaubwürdigkeit im allgemeinen und klimapolitische Glaubwürdigkeit im Besonderen zurückgewinnen, kritisierte er die Bundesregierung deutlich. "Wenn wir das nicht tun, droht uns als Partei mindestens eine ganze Generation verloren zu gehen." Ohne ökologische Kompetenz gebe es keine Zukunftskompetenz.
Laschet äußerte sich hier moderater. Deutschland wolle aus der Kohle- und der Kernenergie aussteigen und zugleich ein modernes Industrieland bleiben, betonte er. In einem internen Schreiben von Laschet an die CDU-Mitglieder wird diese konservative Position nochmal deutlich: Deutschland müsse Vorreiter beim Klimaschutz sein – "aber nicht gegen die Menschen und nicht gegen die Wirtschaft“, zitiert der "Business Insider" aus dem Schreiben.
Merz betonte: "Der Klimawandel ist ein massives Problem." Er sagte aber auch: "Wir müssen die Wähler auf beiden Seiten gewinnen. Wir müssen uns mit den Grünen streiten, wie wir den Klimawandel lösen wollen. Wir müssen Ökologie und Ökonomie miteinander verbinden. Gleichzeitig müssen wir die Konservativen wieder anbinden."
Europapolitik
Norbert Röttgen machte Europa nicht zu einem eigenen Punkt seiner Rede vergangene Woche. Als Außenpolitik-Experte seiner Partei ist seine Position aber klar: Er plädiert für eine EU, die aktiver auf der internationalen Bühne auftritt.
Armin Laschet bekannte sich zur Zusammenarbeit mit Europa. "Ja, wir brauchen mehr Europa", sagte er. Wichtig sei insbesondere die Kooperation mit Frankreich.
Merz betonte die Führungsrolle Deutschlands, international sowie besonders in Europa. "Deutschland muss bereit sein zu führen", sagte Merz. "Das wird von uns erwartet." Europa verharre global gesehen in einer "routinierten Ratlosigkeit". Dies müsse sich ändern, Europa müsse "weltpolitikfähig" werden. Das gehe aber nur mit Deutschland: "Deutschland muss vorne sitzen." Er sagte, er hätte sich eine deutsche Antwort auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die EU gewünscht.
Die Mitte – oder weiter nach rechts?
Die viel beschworene Mitte reklamieren, wenig überraschend, alle Kandidaten für sich.
Röttgen betonte, die CDU müsse eine Partei der Mitte bleiben. Die CDU müsse aber auch die gesellschaftliche Mitte stärken und Partei der Offenheit und des Schutzes sein.
Laschet nutzte die Frage nach der Mitte, um sich scharf von Friedrich Merz abzugrenzen. "Merz hat gesagt, er will die AfD halbieren. Aber der Wettbewerb findet in der Mitte statt." In Hamburg habe die CDU Wähler an die Grünen verloren. Diese Wähler will Laschet offenbar ansprechen.
Merz wurde gefragt, ob er für einen Rechtsruck stehe. Seine Antwort: "Es geht hier nicht um eine Rechtsverschiebung der Union." Das Fundament der Partei müsse aber breiter werden, um Konservative und Liberale wieder einzubinden. "Da liegt eine große Chance für uns."
Die Frauen
Die Kandidaten haben erkannt, dass das männliche Bild, das ihr Dreikampf gerade abliefert, nicht ideal für die CDU ist.
Gegen Ende der Pressekonferenz von Laschet und Spahn preschte Röttgen mit einem Tweet vor:
Und auch Merz kündigte an, im Falle seiner Wahl zum Parteichef eine Frau als Generalsekretärin vorzuschlagen.
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