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Gaza: Hamas wegen Verhandlungen mit Israel um Waffenstillstand gespalten

ARCHIV - 22.02.2025, Palästinensische Gebiete, Nuserait: Vermummte und bewaffnete Mitglieder der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen während einer früheren Waffenruhe. (zu dpa: «Bericht: Hamas be ...
Nuserait: Vermummte Hamas-Mitglieder während einer früheren Waffenruhe.Bild: AP / Abdel Kareem Hana
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Gaza: Verhandlung um Waffenstillstand mit Israel spaltet die Hamas

Zwischen Kriegsmüdigkeit und Ideologie: Die Verhandlungen mit Israel offenbaren tiefe Gräben innerhalb der Hamas.
04.07.2025, 10:4104.07.2025, 10:41
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Die Kämpfe im Gazastreifen dauern an – und doch wächst die Hoffnung auf ein mögliches Ende. Während Israels Sicherheitskabinett am Donnerstag über die nächsten Schritte beriet und Premierminister Benjamin Netanjahu sich auf Gespräche mit Donald Trump in Washington vorbereitet, formieren sich diplomatische Initiativen für einen Waffenstillstand.

Erste Einigungen über die Lieferung humanitärer Hilfe, den Austausch von Geiseln und einen Teilrückzug israelischer Truppen scheinen greifbar. Doch hinter den Kulissen wird deutlich: Nicht nur die politischen Fronten sind verhärtet. Auch innerhalb der Hamas tobt ein Machtkampf – über Strategie, Einfluss und die Frage, ob es überhaupt noch eine gemeinsame Linie gibt.

Gaza und Katar: Hamas ist eine Organisation mit zwei Lagern

Laut Informationen des "Guardian" bevorzugt die politische Hamas-Führung im Ausland, insbesondere in Katar und der Türkei, einen Waffenstillstand. Die Lage sei militärisch wie humanitär prekär, ein Deal mit Israel könne zumindest Zeit verschaffen – so die Einschätzung mehrerer mit der Bewegung vertrauter Personen. Ganz anders klingt es aus Gaza selbst.

An Israeli army tank advances in the Gaza Strip, as seen from southern Israel on Thursday, July 3, 2025. (AP Photo/Leo Correa)
Weite Teile des Gazastreifens sind zerstört.Bild: AP / Leo Correa

Dort stemmt sich die lokal agierende Hamas, die geschwächt, aber nicht entmachtet ist, weiterhin gegen jeden Kompromiss. Ihr Kalkül: Durchhalten, koste es, was es wolle. Die Kluft zwischen den Fraktionen zeigt, wie zerrissen die Terrororganisation inzwischen ist.

Die Differenzen sind nicht nur strategisch, sondern auch personell. Seit dem Verlust zahlreicher ranghoher Kommandeure und weiter Teile ihres Tunnelnetzwerks steht die Führung in Gaza unter immensem Druck.

Nach Recherchen von Reuters operieren viele Kämpfer inzwischen dezentral, ohne funktionierende Kommandostrukturen. Ein israelischer Sicherheitsbeamter schätzt, dass bis zu 20.000 Hamas-Mitglieder getötet wurden. Die Folge: wachsender Einfluss radikalerer oder rivalisierender Kräfte, teils sogar aus den eigenen Reihen.

Hamas in der Bredouille: Clans, Chaos und Kontrollverlust

Besonders deutlich wird das am Beispiel der Beduinengruppe um Anführer Yasser Abu Shabab. Laut Reuters kontrolliert sie große Teile des Ostens von Rafah und agiert zunehmend wie eine Parallelstruktur. Ihre bewaffneten Männer eskortieren Hilfslieferungen, rufen Geflüchtete zur Rückkehr auf und behaupten, eine unabhängige Selbstverwaltung etablieren zu wollen.

Es ist eine Kampfansage an die Hamas, die Abu Shabab wiederum Gewalt, Plünderung und Kooperation mit Israel vorwirft. Ein hochrangiger Hamas-Sicherheitsbeamter kündigte gegenüber Reuters an, Abu Shababs "Banden" mit "eiserner Faust" zerschlagen zu wollen.

Doch die Realität sieht komplizierter aus. "Die Hamas will ihn tot oder lebendig", heißt es laut Reuters aus internen Kreisen. Doch bislang entzieht sich Abu Shabab der Festnahme – geschützt von israelischen Truppen, so mutmaßen es zumindest mehrere Hamas-nahe Quellen. Gleichzeitig distanziert sich die Beduinengruppe von jeglicher Kooperation mit Israel und bezeichnet sich als reine Schutzmacht der Bevölkerung.

Palestinians children displaced by the Israeli air and ground offensive on the Gaza Strip, walk on an area at a makeshift tent camp in Khan Younis, southern Gaza Strip, Tuesday, July 1, 2025. (AP Phot ...
Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal.Bild: AP / Abdel Kareem Hana

Nicht nur Clans setzen der Hamas zu. Auch der Rückhalt in der eigenen Bevölkerung bröckelt. "Sie verstecken sich, weil sie ständig von Flugzeugen getroffen werden, aber sie tauchen hier und da auf, bilden Warteschlangen vor Bäckereien, schützen Hilfstransporter oder bestrafen Kriminelle", schildert Essam, ein Bauarbeiter aus Gaza-Stadt, im Gespräch mit Reuters. Die Hamas sei "nicht mehr so wie vor dem Krieg, aber es gibt sie".

Was es ebenfalls gibt: offene Zweifel an der Unterstützung durch den Iran. Nach der israelischen Offensive gegen Teheran sorgt sich die Hamas laut einem Insider, dass sich "die Form der Finanzierung und die Expertise" aus Teheran künftig verändern könnte.

Zwar betonte Hamas-Funktionär Sami Abu Zuhri gegenüber Reuters, der Iran bleibe "ein großes und mächtiges Land, das sich nicht besiegen lasse", doch auch innerhalb der Bewegung wird das Verhältnis inzwischen kritischer gesehen.

Hamas in Gaza: "In Wirklichkeit sieht es nicht gut aus"

Die nüchterne Einschätzung eines Hamas-Vertrauten gegenüber Reuters bringt die interne Zerrissenheit auf den Punkt: Ein Waffenstillstand sei notwendig, um "gegen die wachsende Macht der Clans anzukommen", doch die Bedingungen Israels – Entwaffnung, Exil der Führung – kämen einer Kapitulation gleich.

Diese Linie teilt auch Sami Abu Zuhri, der betont: "Eine Kapitulation ist keine Option." Und doch wirken viele Äußerungen zunehmend defensiv, realitätsnah, fast fatalistisch. "Wir halten an unserem Glauben fest, aber in Wirklichkeit sieht es nicht gut aus", heißt es laut Reuters aus dem Inneren der Organisation.

Yezid Sayigh vom Carnegie Middle East Center bringt es in einer Analyse gegenüber Reuters auf den Punkt: "Ihnen droht die Eliminierung vor Ort im Gazastreifen, wenn der Krieg nicht endet. Aber sie müssen auch damit rechnen, aus jeder Regierungsformel gestrichen zu werden."

Israel fährt in Gaza Taktik der Zermürbung

Dass Israel seine Offensive in den letzten Tagen noch einmal massiv verstärkte, dürfte auch als Signal zu verstehen sein. Nach Angaben des "Guardian" starben allein seit Mittwochabend etwa 90 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder. In Gaza-Stadt traf eine Rakete die Mustafa-Hafez-Schule, ein Schutzraum für Vertriebene. Zwölf Menschen wurden getötet, darunter auch Kinder.

Israel versucht offenbar, durch gezielte Härte die Spaltung innerhalb der Hamas weiter zu vertiefen.

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Auch der Druck durch die humanitäre Lage nimmt zu: Palästinensische Behörden berichten von Dutzenden Toten bei dem Versuch, Hilfsgüter zu erreichen. Israelische Streitkräfte hätten Menschen auf dem Weg zu Verteilstellen der von den USA unterstützten "Gaza Humanitarian Foundation" erschossen.

Die israelische Armee räumte ein, dass es bei der Hilfeverteilung zu Zwischenfällen kam. Sie beteuerte jedoch kryptisch, ihre "Lektionen gelernt" und neue Einsatzvorgaben formuliert zu haben.

Ob es zu einer Einigung kommt, ist offen. Israel erwartet von der Hamas die Freilassung von Geiseln, während die Hamas ein dauerhaftes Ende der Angriffe fordert. Laut Guardian sehen regionale Vermittler "eine große Chance", eine Einigung zu erzielen. Jetzt hängt es an der Zustimmung der Hamas.

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