
Donald Trump (l.) ist für sein sehr gutes Verhältnis zu seiner Tochter Ivanka (r.) bekannt. Bild: abaca / Gripas Yuri/ABACA
Analyse
John Bolton rechnet in seinem kürzlich erschienenen Enthüllungsbuch "The Room Where It Happened" mit Donald Trump ab. watson hat die spannendsten Teile des Buches für euch zusammengefasst. Heute der siebte Teil der Serie über Donald Trumps Versuch, mit einem Statement über den Mord an Jamal Khashoggi von der E-Mail-Affäre seiner Tochter abzulenken.
02.07.2020, 14:2006.07.2020, 11:35
Dass Donald Trump sehr stolz auf seine Tochter Ivanka ist, zeigt er immer wieder gerne in der Öffentlichkeit. Er nimmt sie mit zu wichtigen Anlässen und hat ihr einen inoffiziellen Job als Beraterin des Präsidenten zu geschustert. Was in Deutschland undenkbar wäre, ist bei Donald Trump Normalität: Bei Staatsgipfeln begleitet ihn seine Tochter und spricht mit den Mächtigen der Welt, auch wenn das nicht immer klappt.
Ivanka Trump versuchte, beim G20-Gipfel in Osaka mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und EZB-Präsidentin Christine Lagarde ins Gespräch zu kommen – und scheiterte.Video: YouTube/BILD Aber wie das so ist mit der lieben Familie, sie kann auch mal zum Problem werden. So geschehen bei Donald Trump, als seine Tochter Ivanka 2018 wegen einer E-Mail-Affäre im Fokus der Presse stand. Sehr unangenehm für den US-Präsidenten, der doch seine Konkurrentin Hillary Clinton 2016 eben wegen einer solchen Affäre um Firmenmails hinter Gittern sehen wollte.

Die watson-Serie "Inside Trump" zum Enthüllungsbuch "The Room Where It Happened" – Teil 7.Bild: Kevin Lamarque /reuters / Kevin Lamarque /reuters
In seinem neuesten Enthüllungsbuch "The Room Where It Happened" schildert Ex-Sicherheitsberater John Bolton, wie Donald Trump Medienauftritte inszenierte, um von einer politischen Affäre seiner Tochter abzulenken. Dafür schreckte der US-Präsident auch nicht davor zurück, den Mord an einem Journalisten zu instrumentalisieren.
Eine E-Mail-Affäre belastet Ivanka Trump
2016 zog Donald Trump in den Präsidentschafts-Wahlkampf und machte die E-Mail-Affäre von Hillary Clinton zu einem Top-Thema seiner Kampagne. Clinton hatte von ihrem Diensthandy aus streng geheime Dokumente per E-Mail verschickt und die Mails anschließend gelöscht. Immer wieder forderte Trump, Clinton müsste dafür eingesperrt werden. Nur zwei Jahre später hatte seine eigene Tochter selbst einen handfesten Skandal um dienstliche E-Mails an der Backe.
Ivanka hatte ihr privates E-Mail-Konto genutzt, um hunderte Regierungsmails zu verschicken. Und das bereits vor ihrer offiziellen Ernennung zur Beraterin des Präsidenten. Die "Washington Post" berichtete im Herbst 2018 darüber. Plötzlich stand die Familie Trump unter hohem Druck, sich zu rechtfertigen, warum Hillary Clinton für ihre Praxis, E-Mails zu verschicken, ins Gefängnis gehen sollte – aber Ivankas Umgang damit völlig legitim war.
Mord an Khashoggi ist passende Gelegenheit
Glücklicherweise bot sich zur selben Zeit eine Möglichkeit, von dem E-Mail-Skandal abzulenken. Zumindest wenn man skrupellos genug ist, den Mord an einem Journalisten zu nutzen, um von eigenen Problemen abzulenken.
Im Oktober 2018 war der saudische Journalist Jamal Khashoggi unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen in der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul von Mitgliedern des saudischen Königshauses zunächst getötet und seine Leiche anschließend zerlegt und versteckt worden.

Der saudische Journalist Jamal Khashoggi arbeitete unter anderem für die "Washington Post" und wurde im Oktober 2018 in der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul getötet. Seine Leiche ist bis heute nicht gefunden worden.Bild: Getty Images Europe / Chris McGrath
Da Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter der USA ist und der getötete Journalist Khashoggi für eine us-amerikanische Zeitung, nämlich die "Washington Post" arbeitete, war Donald Trump hier in einer Zwickmühle. Laut Bolton machte der US-Präsident aber aus der Not eine Tugend: Trump versuchte demnach, durch eine besonders beherzte und kontroverse Rede über Khashoggi vom E-Mail-Skandal seiner Tochter abzulenken.
Die watson-Serie: "Inside Trump – alles zum neuen Enthüllungsbuch 'The Room Where It Happened'"
"Die Donald-, Jared- und Ivanka-Show"
Im Vorfeld der Rede hatten Ex-Sicherheitsberater John Bolton und US-Außenminister Mike Pompeo überlegt, wie man auf den Tod Khashoggis reagieren könnte. Der Stabschef John F. Kelly, der bereits zu Beginn von Boltons Amtszeit gesagt hatte, dass das Weiße Haus kein schöner Ort sei, um dort zu arbeiten, hatte gerade Außenminister Mike Pompeo und John Bolton mitgeteilt, dass er seinen Job kündigen werde.
Sichtlich demotiviert aufgrund des Weggangs von Kelly sagte Mike Pompeo nun zu Bolton: "Diese ganze Sache könnte die Donald-, Jared- und Ivanka-Show werden." Pompeo bezog sich damit auf den Einfluss von Ivanka Trump und Jared Kushner, Ivankas Ehemann, die ihre Macht im Weißen Haus stetig ausweiteten und auch Trumps Meinung zu außenpolitischen Themen beeinflussten.
Und tatsächlich wollte Donald Trump sein Talent als langjähriger Reality-TV-Star nutzen, um die Öffentlichkeit von den Anschuldigungen gegen seine Tochter abzulenken. Als es also darum ging, ob Donald Trump einfach ein schriftliches Statement zum Fall Khashoggi abgeben sollte oder etwas dazu sagen wollte, erklärte der US-Präsident, er werde das Statement vor der Presse vortragen.
Dann soll Trump laut Bolton gesagt haben:
"Das wird von Ivanka ablenken. Wenn ich ein Statement vorlese, wird das von der Ivanka-Sache ablenken. (...) Verdammt nochmal. Warum hat sie nicht ihr Handy gewechselt? Was für ein Chaos wir hier haben wegen ihres Handys."
Die kontroverse Trump-Rede
Anschließend ging der Präsident vor die Presse – und erklärte zunächst, dass man nach wie vor hinter der Partnerschaft mit Saudi-Arabien stehe. Seine Äußerungen stießen auf viel Kritik, da selbst Republikaner harte Konsequenzen gegenüber dem saudischen Königshaus aufgrund einer solch skrupellosen Tat forderten. Weiter sagte der Präsident:
"Unsere Geheimdienste werten derzeit noch alle Informationen aus, aber es ist sehr gut möglich, dass der Kronprinz keinerlei Wissen über dieses tragische Ereignis hatte (...). Wir werden vielleicht nie alle Umstände des Mordes an Mr. Jamal Khashoggi kennen. In jedem fall wird unsere Beziehung zum Königreich Saudi-Arabien bestehen bleiben. Sie waren bisher ein großartiger Verbündeter im wichtigen Kampf gegen Iran."
Donald Trump in seiner Rede zur Ermordung von Jamal Khashoggi
Insbesondere die Feststellung, dass das saudische Königshaus vermutlich nichts von der Ermordung wusste, stieß auf große Empörung, da die Indizienlage zu diesem Zeitpunkt recht eindeutig war und sich im Nachhinein auch bestätigen sollte: Das saudische Königshaus steckte hinter der Ermordung Khashoggis und das war bereits früh erkennbar.
Doch wahrscheinlich ging es in der Rede gar nicht um die Wahrheit. John Bolton verteidigt die Trump-Äußerungen entsprechend in seinem Buch. Er ist der Meinung, dass es keine Alternative gab, als hinter seinem Verbündeten Saudi-Arabien zu stehen, weil der Nahe Osten sonst in Chaos und Konflikte geraten würde.
Trumps Presse-Statement zum Tod von Jamal Khashoggi im November 2018, mit dem er von Ivankas E-Mailaffäre ablenken wollte. Video: YouTube/Global News 
"The Room Where It Happened" von John Bolton ist am 23. Juni 2020 im Verlag Simon & Schuster erschienen.Bild: simon&schuster
Trumps Plan scheitert
Donald Trumps Plan, von der E-Mail-Affäre seiner Tochter abzulenken, klappte allerdings nicht ganz. Die Reporter fragten Trump in der anschließenden Fragerunde trotzdem nach den E-Mails seiner Tochter (siehe Video oben). Mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind die Anschuldigungen gegen Ivanka Trump jedoch aus einem anderen Grund.
Das liegt schlicht daran, dass in der Zwischenzeit derart viel gravierendes Fehlverhalten des US-Präsidenten zutage getreten ist – wie die Ukraine-Affäre oder die Verwicklung Trumps in einen Bankenskandal in der Türkei – dass es schlicht unmöglich geworden ist, den Überblick zu behalten. Rechtliche Konsequenzen hatte die Affäre für Ivanka übrigens bis heute nicht.
Und so richtig geschockt ist man bei Enthüllungen über Donald Trump deshalb nur relativ kurz, denn inzwischen scheint beim US-Präsidenten alles möglich zu sein. Im Guten, aber noch viel öfter im Schlechten.
Philipp Amthor gehört mit 32 Jahren zu den jüngsten Abgeordneten im Bundestag. Dort sitzt er seit 2017 für die CDU/CSU. Amthor punktet mit seiner kecken Art und hat sich auch als Redner einen Namen gemacht. Zudem ist er ein oft gesehener Gast bei diversen Politik-Talks im Fernsehen.