Neue Regeln wie ein Aus-Knopf für Mikrofone sollten dafür sorgen, dass es dieses Mal gesitteter zuging. Und das klappte auch – weitgehend. Im letzten Aufeinandertreffen der beiden US-Präsidentschaftskandidaten vor der Wahl am 3. November ging es dieses Mal tatsächlich auch um Sachthemen.
Für Donald Trump war es die letzte Chance, seinen Rückstand in den Umfragen aufzuholen. Ob er dabei punkten konnte? Watson hat sich das TV-Duell angeschaut und analysiert die Aussagen der Kandidaten.
Eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf und insbesondere beim ersten direkten Aufeinandertreffen von Joe Biden und Donald Trump seit dessen Corona-Erkrankung war natürlich der Umgang mit der Pandemie. Also ging es mit diesem Thema auch direkt zu Beginn los.
Donald Trump erzählte zunächst von seiner eigenen Corona-Erkrankung und der Erfahrung damit. "Ich hatte die Erkrankung. Es ging sehr schnell wieder besser." Auch sei er nun immun, wisse aber nicht wie lange. Vielen Amerikanern ginge es nach einer Infektion wieder besser.
Trump spielte das Virus auch im TV-Duell herunter, forderte ein Ende der Auflagen und erklärte, die Wirtschaft müsse sich wieder erholen können: "Wir können unsere Nation nicht komplett runterfahren. Die Maßnahmen gegen die Pandemie dürfen nicht schlimmer sein, als die Pandemie selbst." Er behauptete, dass es bald einen Impfstoff geben werde und erklärte, man müsse sich daher keine großen Sorgen machen:
Seinem Herausforderer warf Trump hingegen vor, die Angst vor dem Coronavirus zu schüren, die USA komplett in den Shutdown bringen zu wollen. Trump selbst beteuerte, er wolle die Schulen und das Land weiterhin "offen halten". Nicht nur er, sondern auch sein Sohn Baron hätten das Virus erstaunlich gut und schnell überstanden. Jugendliche seien besonders robust, wahrscheinlich aufgrund ihres guten Immunsystems, so Trump. Er sehe daher keinen Anlass, Schulen aufgrund der Pandemie zu schließen. Immer wieder verglich er das Coronavirus mit der Schweinegrippe und erklärte damit, es sei deutlich harmloser als angenommen.
Die Corona-Maßnahmen der US-Regierung waren ein gefundenes Fressen für Herausforderer Biden. Er ging Trump direkt an und erklärt, dass durch die vielen Toten in den USA, "Plätze an Küchentischen" leer blieben. Donald Trump hätte mit seinem Umgang mit der Pandemie dafür gesorgt, dass viele Amerikaner gestorben seien und übernehme keine Verantwortung, so Bidens Kritik.
"Der Präsident hat keinen Plan, wie man die Krise in den Griff bekommen kann", erklärte Biden und nannte Trumps Krisenmanagement tragisch. In der Tat sind inzwischen 230.000 Menschen in den USA am Coronavirus gestorben und es ist kein Abflachen der Kurve in Sicht.
Das Problem mit Rassismus und Polizeigewalt war nach den Protesten im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung natürlich auch wichtiges Thema am gestrigen Abend.
Joe Biden kritisierte Trumps Einwanderungspolitik und dessen Plan, eine Mauer zu bauen, der bis heute nicht umgesetzt wurde. Trumps Regierung hatte an der mexikanischen Grenze Kinder von ihren Eltern getrennt, Videos von Zellen, vollgestopft mit Minderjährigen, gingen um die Welt. Für Joe Biden ein Skandal:
Joe Biden erklärte daher, eine Einwanderungsreform auf den Weg bringen zu wollen, die unter Obama seiner Meinung nach zu lange gedauert habe. Auch das Rassismus-Problem innerhalb der amerikanischen Gesellschaft erkannte Biden an und nannte das Kind beim Namen:
Das konnte Donald Trump natürlich so nicht auf sich sitzen lassen, auch wenn er die meiste Zeit still zugehört hatte, während Joe Biden sprach. Er erklärte in üblich drastischen Worten:
Im Anschluss verglich er sich mit Abraham Lincoln, dem US-Präsidenten, der die Sklavenbefreiung im 19. Jahrhundert vorangetrieben hatte. Dieser habe vielleicht, aber auch nur vielleicht so viel für die Afroamerikaner bewirkt, wie der aktuelle US-Präsident, so Trump. Wirklich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass es Donald Trump beim vorangegangenen TV-Duell nicht für nötig sah, sich von weißen Rassisten zu distanzieren.
Anschließend ließ sich Trump noch zu einem Statement hinreißen, das hinsichtlich einer Schwarzen Moderatorin im TV-Studio wirklich unangebracht war:
Die Klimakrise ist auch nach Meinung von Experten wie Julius van de Laar ein immer wichtiger werdendes Thema – auch in der US-amerikanischen Gesellschaft. Traditionell sind hier die Demokraten näher am Thema, auch weil sie mit Ex-Präsidentschaftskandidat Al Gore einen überzeugten Kämpfer für den Klimaschutz haben.
Joe Biden ging entsprechend selbstbewusst in die Offensive und attestierte Donald Trump eine katastrophale Klimapolitik:
Biden habe mit Umweltschutzorganisationen gesprochen und wolle eine klimafreundlichere Politik ermöglichen. Unter anderem erklärte er, dem Pariser Klimaschutz-Abkommen wieder beitreten zu wollen. Trump hatte 2017 erklärt, aus dem Abkommen austreten zu wollen.
Trump reagierte auf die Vorwürfe, wie auch in der Vergangenheit, immer wieder mit dem Vorwurf, die Demokraten wollten die Wirtschaft mit ihren Klimaschutz-Plänen schädigen. Die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez stecke hinter dem Klimaplan von Joe Biden, was dieser dementierte. Anschließend erklärte Trump, Windenergie sei teuer und schädlich für Tiere:
Eine Behauptung, die schlicht falsch ist. Genauso wie die Behauptung Trumps, Länder wie Deutschland würden kleinere Fenster, "tiny windows", einbauen, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Abschließend ging es auch um die Ölindustrie, ein Reizthema. Joe Biden erklärte, Fracking weiterhin zuzulassen, aber die Ölindustrie nicht weiter subventionieren zu wollen. Eine Position, die in den USA im Gegensatz zu Deutschland hochumstritten ist. Für Populist Trump eine Menge Angriffsfläche:
Möglicherweise ein Punkt, bei dem Trump viele Amerikaner in Staaten, die vom Öl abhängig sind, überzeugen konnte. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott kritisierte im Anschluss an das Duell, Joe Biden wende sich von Texas und hart arbeitenden Familien ab.
Mehrfach hielt sich Joe Biden sichtlich zurück, dem US-Präsidenten ins Wort zu fallen. Auch Donald Trump versuchte dieses Mal betont höflicher zu sein, fragte teilweise sogar, ob er auf Angriffe von Biden reagieren dürfe. Selbst zum beratungsresistenten US-Präsidenten schien nach dem letzten TV-Duell durchgedrungen zu sein, dass man mit gegenseitigen Beleidigungen und Niederschreien des Herausforderers keine neuen Wähler gewinnt.
So lobte der US-Präsident Moderatorin Kristen Welker während der TV-Übertragung dezidiert, sie würde das gut machen. Dabei hatte er sie zuvor auf Twitter noch als parteiisch bezeichnet.
Ganz ohne Trumps typische persönlichen Attacken gegen seinen Konkurrenten ging es aber natürlich nicht. Wieder warf er Joe Biden vor, sich im Keller abzuschotten und auf das Ende der Corona-Pandemie zu warten. Er selbst könne es sich als US-Präsident nicht leisten, in einem "Bunker" zu leben. Doch auch Joe Biden ging ganz schön in die Offensive:
Als es um das Thema Steuern ging, warf Biden dem US-Präsidenten vor, dass er nach "New York Times"-Recherchen 2016 lediglich 750 US-Dollar an Abgaben gezahlt habe. Außerdem habe Trump laut Biden ein Bankkonto in China und erhalte finanzielle Unterstützung aus Russland.
Die Attacke saß: Darauf angesprochen ging Trump aus dem Sattel und erklärt, er habe viele Steuern gezahlt, auch im Voraus. Auch habe er nie finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Wie so oft kam auch bei dieser Kritik der obligatorische Vorwurf gegenüber den Medien und den Demokraten, es handle sich um eine "Hexenjagd" gegen ihn als US-Präsidenten.
Es war ein ausgeglichenes Duell, auch wenn Joe Biden gerade bei Sachthemen deutlich punkten konnte. Im Gegensatz zu Donald Trump konnte sein Herausforderer klare Konzepte liefern und Positionen zu Sachthemen beziehen. Der Präsident hingegen fiel eher durch Falschbehauptungen auf. Umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Donald Trump bereits seit vier Jahren die USA regiert und inzwischen zumindest in den wichtigen Themen Klimaschutz, Rassismus und Corona-Bekämpfung Fachwissen haben sollte.
Im Gegenzug präsentierte sich der US-Präsident dieses Mal aber deutlich präsidialer und konnte möglicherweise auch einige unentschlossene Wähler davon überzeugen, dass er nicht nur der laute Populist sein kann. Außerdem könnte er mit seiner Kritik, Joe Biden wolle die Ölindustrie abschaffen, viele Amerikaner in Staaten mit Ölindustrie für sich gewinnen.
Doch ein wirklicher "Gamechanger" war das Aufeinandertreffen wohl nicht, auch weil bereits fast ein Drittel der Amerikaner per Briefwahl abgestimmt haben. An dem Vorsprung von Joe Biden in Umfragen wird dieses TV-Duell wohl nichts ändern können.