NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ist aktuell einer von drei Bewerbern um den CDU-Vorsitz.Bild: EPA POOL / SASCHA STEINBACH
Analyse
Sein Sohn Joe fädelt Deal mit Maskenhersteller ein, Laschet verteidigt sich – doch ein Anwalt meldet Zweifel an
Der NRW-Ministerpräsident steht in der Kritik, weil er zu Beginn der Pandemie über seinen Sohn Schutzausrüstung bestellt hat. War das rechtens? Laut Juristen entscheiden Details darüber. Laschets politische Zukunft könnte auf dem Spiel stehen.
Großer Ärger um ein kleines Stück Stoff: Die Beschaffung einer großen Zahl Masken könnte für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gefährlich werden – und sogar seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz gefährden.
Der Deal, um den es geht, liest sich auf den ersten Blick herrlich einfach und einleuchtend. Im Frühjahr dieses Jahres waren Bundes- und Landesregierungen händeringend auf der Suche nach Mund-Nasen-Bedeckungen, um Polizisten oder Feuerwehrleute vor dem Coronavirus zu schützen. Masken waren knapp und begehrt: Auf internationaler Bühne kam es beinahe zum Eklat beim offenen Kampf um Kontingente der Schutzausrüstung. Noch auf dem Flugfeld beschlagnahmte die US-Regierung Anfang April Masken aus Hongkong, die für die Berliner Landesregierung bestimmt waren.
Umso erfreulicher, wenn man als Ministerpräsident einen Hersteller findet, der im eigenen Bundesland beheimatet ist – und der schnell und unkompliziert Masken produziert. Noch praktischer, wenn einem jemand den Tipp dazu gibt. Das Problem: Im aktuellen Fall war der Tippgeber für NRW-Landeschef Armin Laschet sein eigener Sohn. Johannes Laschet, genannt "Joe", ist Model und Influencer. Auf Instagram präsentiert er sich gerne in schicker Herrenmode. Dazu gehören Hemden der Marke "Van Laack", für die er Werbung macht.
"Van Laack", ein Textilunternehmen mit Sitz in Mönchengladbach, stellte seine Produktion im Zuge der Corona-Krise schnell auf Gesichtsmasken um und hatte bereits ein breites Sortiment an Modellen im Angebot, als die Suche auf Hochtouren lief. Joe Laschet stellte im Frühjahr schließlich den Kontakt zwischen Geschäftsführer und Ministerpräsident her. Der Deal war schnell perfekt.
Armin Laschets Sohn Johannes, genannt "Joe", arbeitet als Model und Influencer. Ihm wird eine Ähnlichkeit zu Hollywood-Star Ryan Gosling nachgesagt. Bild: www.imago-images.de / Jens Krick
"Sie rennen offene Türen ein"
Wenn man der Darstellung von Ministerpräsident und "Van Laack"-Chef Christian von Daniels folgt, dann ging alles sehr einfach: "Ich erinnere mich noch, dass im Fernsehen ein James-Bond-Film lief, als Herr Laschet sonntagabends anrief und sagte: Sie rennen offene Türen ein", erzählte der Geschäftsführer im Interview mit der "Rheinischen Post". Es wurden Mengen und Kosten geklärt und man war sich schnell einig.
Zwei Tage nach dem Telefonat saßen Mitarbeiter der Staatskanzlei in der Firma am Meeting-Tisch und vereinbarten einen Deal – der nun insgesamt 38,5 Millionen Euro Umsatz für das mittelständische Unternehmen beinhaltet. Inzwischen ist die Modemarke "Van Laack" zum größten Maskenhersteller in Deutschland geworden, die Masken gibt es unter anderem in Drogerien zu kaufen. Das Unternehmen konnte seine Erlöse im Vergleich zu 2019 verdoppeln – und hat unter anderem öffentliche Einrichtungen mit einer großen Anzahl Masken versorgt. Eine Win-Win-Situation und in der angespannten Lage zu Beginn der Pandemie ein Segen für die Staatskanzlei in Düsseldorf. Aber die Sache könnte einen großen Haken haben.
Eigentlich müsste Laschet es wissen
Nun könnte die Geschichte rund um die Masken Armin Laschet richtig gefährlich werden. Denn nach EU-Recht dürfen Aufträge von öffentlichen Stellen nicht einfach so an private Unternehmen vergeben werden – schon gar nicht nach Vermittlung eines Familienangehörigen. Die EU sieht hierfür ein Vergabeverfahren vor, bei dem europaweit ausgeschrieben wird und transparent ausgewählt wird, wer den Zuschlag bekommt. So sollen Korruption und Vetternwirtschaft unterbunden und der Wettbewerb gestärkt werden.
Das müsste jeder Politiker wissen – mit Sicherheit auch Ministerpräsident Armin Laschet, der selbst einige Jahre im EU-Parlament verbracht hat und sich daher gut mit EU-Recht auskennen sollte. Umso überraschender, dass er sich in diesem Fall offenbar einfach über europäisches Vergaberecht hinweggesetzt hat. Genau das wirft ihm der politische Gegner jetzt vor. Die Opposition im Landtag von Nordrhein-Westfalen hat daher eine kleine Anfrage eingereicht zum Vergabeverfahren – sie wittert sogar einen Korruptionsskandal.
Experte: "EU-Recht kann nicht ausgehebelt werden"
Der Ministerpräsident selbst verteidigte sich jüngst damit, dass ein EU-konformes Vergabeverfahren bis in den Herbst gedauert hätte und es in der angespannten Lage nicht möglich gewesen wäre, auszuschreiben. Er beruft sich auf eine Notlage.
Ganz so, wie der Ministerpräsident das darstellt, ist es aber nicht. Das sagt zumindest Experte Jens Steger von der Anwaltskanzlei Simmons & Simmons. Er berät Unternehmen und Regierungen zu Kartell- und Vergaberecht.
Steger weist darauf hin, dass europäisches Recht an sich nicht ausgehebelt werden kann. Öffentliche Einrichtungen seien verpflichtet, Aufträge EU-weit auszuschreiben, "insbesondere wenn es sich um einen Transaktionswert in dieser Größenordnung handelt", sagt Steger und ergänzt: "Fast 40 Millionen Euro sind ein beachtlicher Umsatz."
Grundsätzlich hätte ein entsprechender Auftrag daher ausgeschrieben werden müssen. Es gibt allerdings verschiedene Gründe, wegen derer eine Ausschreibung ausbleiben kann. So können beispielsweise Aufträge an Rüstungsfirmen für Militärausrüstung von Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Diese Ausnahmen umfassen allerdings laut Steger nicht den konkreten Fall der Maskenlieferungen. Er sagt:
"Es gibt keine Ausnahme, die die Aussetzung von EU-Vergaberecht rechtfertigt."
Allerdings beinhaltet das EU-Recht eine Ausnahme, bei der das Vergabe-Verfahren nicht öffentlich gemacht werden muss. Konkret muss dafür ein unvorhersehbarer Notfall eintreten. Das Handbuch der EU-Kommission hat hierfür klare Regelungen vorgesehen, die Steger folgendermaßen erklärt:
"Die öffentlichen Auftraggeber verhandeln ohne Auftragsbekanntmachung mit einer oder mehreren Parteien über die Auftragsbedingungen. Dies ist ein ausgesprochener Ausnahmefall, bei dem von den Grundsätzen eines offenen, transparenten und wettbewerblichen Verfahrens abgewichen wird. Die Beweislast bezüglich der Umstände, die ein Verhandlungsverfahren rechtfertigen, liegt beim öffentlichen Auftraggeber. Dieses Verfahren kommt hauptsächlich in den folgenden Fällen zur Anwendung: In Fällen äußerster Dringlichkeit, die sich durch unvorhersehbare Umstände rechtfertigen. Dieses Verfahren bezieht sich auf Fälle äußerster Dringlichkeit, die der öffentliche Auftraggeber zu Beginn des Vergabeverfahrens nicht vorhersehen konnte und die er nicht durch eigene Maßnahmen verschuldet hat (beispielsweise Naturkatastrophen, Überschwemmungen und so weiter)."
Hatte zunächst mit der korrekten Handhabung von Masken zu kämpfen und nun mit der korrekten Beschaffung: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.Bild: www.imago-images.de / Noah Wedel
Hat das Land NRW die Verspätung bei Masken verschuldet?
Damit diese Ausnahme greift – und der öffentliche Auftraggeber also auf eine öffentliche Ausschreibung verzichten kann – muss er nachweisen, dass die Dringlichkeit des schnellen Verfahrens nicht selbstverschuldet ist. Das ist in diesem Fall aber gar nicht so einfach. Robert-Koch-Institut (RKI) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatten Bund und Länder seit 2012 immer wieder dazu aufgerufen, ein entsprechendes Kontingent an Masken aufzubauen. Wirklich begonnen haben diese mit der Einlagerung von Schutzkleidung aber erst im November 2020.
Anwalt Steger geht hier allerdings davon aus, dass Gerichte noch einmal ein Auge zudrücken könnten: "Ob und inwieweit den Landesregierungen insoweit ein Vorwurf gemacht werden kann, darüber haben Gerichte bis dato noch nicht entschieden. Allenfalls wird man insoweit Fahrlässigkeit annehmen können." Und selbst wenn, eine Pandemie sei eine Ausnahmeerscheinung, "mit der aufgrund ihrer geringen Häufigkeit nicht zu rechnen ist und die aufgrund ihrer Vielfältigkeit auch nicht mit zumutbaren Mitteln abgewendet werden kann."
Man wisse schließlich nicht, wo der Erreger ursprünglich herkommt und wer für die Ausbreitung der Pandemie verantwortlich gemacht werden kann.
Hat Laschet korrekt gehandelt?
Auch Armin Laschet beruft sich daher auf ein nicht-öffentliches Verfahren. Allerdings gibt es hierfür Kriterien: Nach bisheriger Darstellung lagen zwischen dem Anruf von Armin Laschet bei Van Laak-Chef Christian von Daniels und dem Zustandekommen des Vertrages zwei Tage. Nach deutschem Recht, das sich auf EU-Recht beruft, müssten aber fünf beziehungsweise je nach Vertragsform zehn Tage zwischen Ausschreibung des Verfahrens und Zustandekommen des Vertrages liegen.
Die entscheidende Frage ist also: Geht Laschets Masken-Deal als korrektes nicht-öffentliches Vergabeverfahren durch?
Experte Jens Steger sagt dazu: "Um das Handeln von Armin Laschet richtig einordnen zu können, ist es deshalb zwingend erforderlich, die zeitliche Abfolge zu ermitteln, in welchem Zeitrahmen dieser Deal, gesehen von der Angebotsabsendung, abgewickelt wurde. Wurde dieser Zeitrahmen unterschritten, wäre das nicht-offene Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt und die Vergabe damit gegebenenfalls rechtswidrig."
Ministerpräsident Armin Laschet wird also nicht drumherum kommen, die Details der Vereinbarung offenzulegen und ausführlicher zu erklären, wie der Vertrag zustande gekommen ist. Seine bisherigen Erklärungen hierzu waren eher knapp. Es war Armin Laschet anzumerken, dass die ganze Sache ihm eher unangenehm ist und er sie schnell vom Tisch haben will.
Eine ausführliche Klärung wäre aber auch in Laschets Interesse. Schließlich bewirbt er sich gerade um den CDU-Vorsitz. Und aktuell profitieren seine Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen von der unklaren Situation.
Wie negativ sich eine laufende Affäre auf die eigene politische Karriere und die Bewerbung auf höhere Ämter auswirkt, konnte man in der Vergangenheit an der Affäre um den Doktortitel von SPD-Politikerin Franziska Giffey sehen. Und besonders gut steht Armin Laschet in den Umfragen ohnehin nicht da. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend verliert er sieben Prozentpunkte und liegt hinter seinen beiden Konkurrenten um den CDU-Vorsitz mit 15 Prozent Zustimmung auf Platz drei.
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