Die Wohnungsnot in Deutschland ist der "große soziale Sprengstoff in den nächsten zehn Jahren." Das hat der IG-Bau-Chef Robert Feiger bereits im Jahr 2019 in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk gesagt. Und auch im Jahr 2021 fehlten laut der Hans-Böckler-Stiftung in den deutschen Großstädten rund 1,9 Millionen günstige Wohnungen.
Die Folge: Angespannte Wohnungsmärkte und überhöhte Mietkosten. Jetzt, mit den steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten, wird auch das Thema Miete zunehmend zum Problem. Viele, für die die Miete an der Schmerzgrenze gelegen hatte, dürften jetzt mit den gestiegenen Kosten vor finanziellen Problemen stehen. Für andere hieß die Mietpreisexplosion schon vorher eine Vertreibung an den Stadtrand.
In Berlin ging das Drama so weit, dass die Bürger:innen 2021 entschieden, die Wohnungsbaugenossenschaft Deutsche Wohnen zu vergesellschaften. Ein Plan, der bis heute nicht vollzogen wurde. Auch der Berliner Mietendeckel wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Die Mieter:innen der Hauptstadt mussten die eingesparte Miete am Ende doch an ihre Vermieter zurückzahlen.
Wie könnte der Mietexplosion begegnet werden? Und welche Instrumente gibt es schon heute?
Für die wohnungspolitische Sprecherin der Linken ist klar: Es braucht einen Mietendeckel. Caren Lay erklärt gegenüber watson: "Ein bundesweiter Mietendeckel würde die Mietpreisexplosion eindämmen und ist auch ein geeignetes Instrument gegen die Spekulation mit Immobilien." Eine solche Deckelung müsse allerdings Raum lassen für regionale Besonderheiten, meint Lay.
Insgesamt sei es aber wichtig, dass die Spekulation mit Wohnraum gestoppt und die Renditen begrenzt würden. Dafür brauche es einen starken öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungssektor. Lay stellt klar: "Fonds und börsennotierte Konzerne haben auf dem Wohnungsmarkt nichts verloren."
Jan-Marco Luczak sieht das völlig anders. Der Mietendeckel ist ein Instrument, zu dem der CDU-Politiker in keinem Fall zurückmöchte. Luczak ist Sprecher seiner Fraktion für das Thema Wohnen. "Ein Mietendeckel hilft den Menschen nicht, er schadet ihnen", erklärt er gegenüber watson. Durch ihn würde Neubau verhindert, weil Investoren sich aus dem Markt zurückzögen.
Luczak erklärt:
Vor den steigenden Mieten helfe vor allem der schnellere Neubau, ist der CDU-Mann überzeugt. Er sagt: "Richtig wäre es, den Bauherren eine verlässliche und auskömmliche Förderung für den Neubau von Wohnungen bereitzustellen." Wichtig sei außerdem, die Wohnnebenkosten zu senken. Für Luczak wäre der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis 2024 eine sinnvolle Maßnahme, um das zu erreichen.
Auch für die rechtspolitische Sprecherin der SPD ist klar: Die Nebenkosten müssen schnell runter. Die Gaspreisbremse, an der die Regierung aktuell arbeitet, ist aus Sicht von Sonja Eichwede ein geeignetes Instrument dafür. Es reiche aber nicht aus, in der Krise zu handeln. Deswegen müsse langfristig auch im Bereich Kaltmieten nachgeschärft werden. Dafür solle das Mietschutzvorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.
Dabei soll es unter anderem darum gehen, dass Mieter:innen mit einer Nachzahlung von ausgebliebenen Mieten eine ordentliche Kündigung abwenden können. Diese Rechtsänderung könne auch helfen, wenn Mieter:innen die gestiegenen Heizkosten nicht zahlen konnten – und nachzahlen müssen. Auch müsse die Mietpreisbremse verlängert und die Erstellung der Mietspiegel verändert werden. Hier sollen zum Beispiel die Mieten der vergangenen sieben Jahre mit reingerechnet werden – diese waren in den meisten Fällen günstiger als heute.
Was der SPD-Politikerin außerdem wichtig sei: Ein Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten – so solle der Verdrängung von Menschen aus ihren Kiezen und der Gentrifizierung entgegengewirkt werden.
Dass die Mietpreisbremse verlängert werden soll, ist ein Vorstoß, der die meisten Mieter:innen aufatmen lassen sollte.
"Der beste Spartipp in der aktuellen Situation ist die Mietpreisbremse", meint Daniel Halmer. Er ist der Gründer des Start-Ups "Conny" und geht für Mieter:innen mit den Vermietenden ins Gespräch. Das Ziel: Die Einsetzung der Mietpreisbremse. Ein gesetzliches Instrument, das laut Halmer jede:m Mieter:in in angespannten Wohnungsmärkten zusteht. Also im Prinzip allen Bewohner:innen der großen Städte.
"Konkret besagt die Mietpreisbremse, dass die Miete bei einer Neuvermietung nicht höher sein darf, als über zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete", sagt Halmer. Und diese ortsübliche Vergleichsmiete errechne sich durch den Mietenspiegel. Im Mittel ließen sich so 200 Euro im Monat sparen – und die Preisbremse gelte auch für Index- und Staffelmieten. Genauso wie für möblierte Wohnungen.
Halmer erklärt:
Für Halmer ist die Durchsetzung der Mietpreisbremse eine Bürger:innenpflicht für jede:n Mieter:in. Das würde mehr bringen, als in einer anonymen Masse für niedrigere Mieten oder Enteignungen zu demonstrieren – fordere aber natürlich Zivilcourage. Das sei eine Schwäche des Gesetzes, denn Mieter:innen kostet es Überwindung, ihre Vermietenden zu verpetzen. "Was ich dann immer sage, ist, dass der Vermieter das Gesetz bricht, mit der hohen Miete", sagt Halmer.
Repressionen bräuchten Mieter:innen nicht fürchten:
Insgesamt betrachtet sei die Mietpreisbremse aber ein Instrument, dass gerade in der aktuellen Situation mit den stark steigenden Preisen – aber auch sonst im überteuerten Wohnmarkt – Entlastungen bringen kann.
Klar sei aber auch: Die Mietpreisbremse könne nur als "Schmerztablette" in angespannten Wohnungsmärkten funktionieren. Das einzige, das langfristig entlasten würde: Neubau. Und zwar im großen Stil meint der Mietexperte.