Die Ära Trump ist zu Ende, nach vier Jahren. Joe Biden ist Präsident der USA.
Was wird sich unter ihm verändern? Watson hat darüber mit Thomas Jäger gesprochen, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Wir haben ihn nach Bidens Erfolgsaussichten gefragt – im Umgang mit der Spaltung der USA, mit Rechtsextremismus und beim Klimaschutz. Und dazu, wie man den Machtwechsel in Washington in Deutschland bemerken wird.
Thomas Jäger sieht das eher pessimistisch. Er sagt dazu gegenüber watson: "So wie die Lage derzeit ist: nein. Leider." Mehr als ein Drittel der Amerikaner denke, dass eigentlich Donald Trump die Wahl gewonnen hat und Biden zu Unrecht Präsident ist.
Ein weiteres Risiko sieht Jäger in den Forderungen, die auf Biden vom linken Flügel seiner Partei zukommen. Biden müsse nun, da die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit haben, auch verstärkt auf Lieblingsprojekte der Progressiven eingehen – Jäger nennt eine staatliche Krankenversicherung, schärfere Klimagesetze, einen erweiterten Supreme Court und weniger Geld für Militär und Polizei. Jäger glaubt, dass diese Projekte problematische Folgen haben können: "Setzt Binden das auch nur in Ansätzen durch, werden die Anhänger der Republikaner dagegen Sturm laufen. Denn sie denken, dass das die USA ins Verderben führt."
Die Vorstellung, dass Biden eine Marionette in den Händen der "Kommunisten" sei, werde schon seit Monaten verbreitet. Diese Vorstellung könnte "Proteste anstacheln", wenn Biden derlei Projekte umsetzt, glaubt Jäger. Biden stehe deshalb "vor der Quadratur des Kreises: sowohl den linken Demokraten zu gefallen, als auch die moderaten Republikaner zu gewinnen." "Das wird ihm nicht gelingen, weil deren politische Vorstellungen meilenweit auseinanderliegen", glaubt Jäger. Er nennt ein Beispiel: "Für die Progessiven muss eine staatliche Krankenversicherung kommen. Republikaner halten das für Sozialismus. Biden will eine Zwischenlösung, aber das findet keine Seite wirklich gut."
Bidens Versprechen, die USA seien anders als das, wofür Trump gestanden hat, gehe an der Realität vorbei. "Biden beschwört, dass die USA anders seien – sind sie aber nicht. Das, was wir sehen, ist genau, was die USA sind. Und dies anzuerkennen wäre der erste Schritt zur Veränderung." Dessen seien sich wohl auch Biden selbst und seine Berater bewusst. Biden versuche "hier ein neues Ziel auszugeben: So sollten wir sein, nicht gewalttätig, sondern verständnisvoll; nicht gespalten, sondern vereint; nicht polarisierend, sondern den Kompromiss suchend. Ob diese Botschaft ankommt, wird mit darüber entscheiden, wie Biden bei den amerikanischen Bürgern aufgenommen wird."
Bidens Erfolg oder Misserfolg wird sich laut US-Experte Jäger an einem zeigen:
Trump werde in den nächsten vier Jahren weiterhin der "große Gegenspieler" Bidens sein, glaubt Jäger. Wenn Trump damit bei der Republikanischen Basis Erfolg habe, müssten die Abgeordneten und Senatoren der Partei auf seine Positionen achten, "weil er ihrer politischen Karriere gefährlich werden kann". Erst, wenn Trumps Einfluss schrumpfe, könne Biden hoffen, Kompromisse mit den Republikanern zu finden.
Entscheidend sei aber, was die Wähler denken, glaubt Jäger.Er ergänzt:
Jäger glaubt, das hänge von der Antwort der staatlichen Stellen in den USA ab. Die müsse stärker ausfallen als vor der Stürmung des Kapitols am 6. Januar. Jäger befürchtet aber, dass die Gefahr präsent bleibt: "Gewaltsame Demonstrationen gegen Vorhaben der demokratischen Regierung in den nächsten Monaten sind jedenfalls nicht auszuschließen." Es sei "nicht von der Hand zu weisen", dass sich in den USA "inländischer Terrorismus ausbilden könnte." Gewalt sei "keineswegs ausgeschlossen" und könne "ein Teil der politischen Entwicklung in den USA werden".
Für Terrorbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden in den USA zuständig. Biden persönlich aber könnte nach Jägers Überzeugung dazu beitragen, dass Rechtsradikale von anderen republikanischen Unterstützern isoliert werden. Er sagt dazu:
Jäger sieht aber andererseits die Gefahr, dass in den USA Links- und Rechtsradikale aneinandergeraten. Wörtlich meint er:
Joe Bidens Klimaschutz-Agenda sieht zwei Billionen Dollar an Investitionen vor, um der US-Wirtschaft einen mächtigen Schub in Richtung Klimaneutralität zu verpassen. US-Experte Jäger sieht den Plan als durchaus durchsetzbar an – falls der neue Präsident sein Verhandlungsgeschick einsetzt. Das werde davon abhängen, ob er die Unterstützung republikanischer Abgeordneter gewinnen kann. Jäger sagt dazu:
Biden sei ein solcher Erfolg grundsätzlich zuzutrauen. Jäger erklärt das so:
Jäger glaubt, in den ersten hundert Tagen werde man in Deutschland noch nicht allzu viel vom Machtwechsel im Washington bemerken. Das liege daran, dass in den USA zunächst die Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen Priorität habe. An zweiter Stelle stehe das Verhältnis zu China. Dann erst komme Europa. Wenn die Biden-Regierung sich Europa zuwendet, dann wird das nach Jägers Überzeugung so aussehen:
Das klingt wie ein Widerspruch. Es sei aber keiner, meint Jäger. Er meint, auf Deutschland und ganz Europa würden einige Forderungen aus den USA zukommen. Jäger wörtlich:
Es entstehe "viel Reibung" im transatlantischen Verhältnis. Trotzdem wird sich nach Jägers Meinung unter dem US-Präsidenten Biden für Deutschland vieles zum Besseren wenden. Er erklärt das so: