Ein neuer Vorstand muss her, die Satzung angepasst werden. Am Wochenende veranstaltet die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei Alternative für Deutschland ihren Bundesparteitag – und hat dazu auch ein Programm veröffentlicht: mitsamt den Anträgen zu Satzungs- und Parteipositionsänderungen.
Wer steht zur Wahl des neuen Bundesvorsitzenden und wo lässt sich im Antragsbuch antisemitisches Gedankengut entdecken? Was ihr zum Parteitag wissen müsst, hat watson für euch zusammengefasst.
Ende Januar schmiss der damalige Co-Chef Jörg Meuthen hin. Seither war Tino Chrupalla allein an der Spitze der AfD. Am Wochenende wird wieder neu gewählt.
Chrupalla will sich als Chef bestätigen lassen – diesmal vielleicht sogar als alleiniger Vorsitzender. Dazu müsste aber die Satzung der AfD geändert werden.
Diese Menschen wollen gewählt werden:
Das Image des bisherigen Parteichefs Chrupalla ist wegen des desolaten Zustands der Partei angekratzt. Er will aber wieder antreten. Dafür hat er vergangene Woche sein mögliches Führungsteam vorgestellt: unter anderem Co-Fraktionschefin Alice Weidel, der frühere Bundestagsabgeordnete Roman Reusch und der Haushaltspolitiker Peter Boehringer.
Unklar ist noch immer, ob Chrupalla mit Weidel eine Doppelspitze plant, oder allein antreten will.
Norbert Kleinwächter ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Er sieht die AfD in einer Kommunikations- und Identitätskrise und will einen "Neuanfang starten", wie er dem ZDF mitteilte.
Kleinwächter gilt innerhalb der AfD als gemäßigt. Nichtsdestotz: Es gibt Szenen in seiner politischen Karriere, die zumindest vermuten lassen, dass offener Rassismus für ihn kein Problem darstellt: etwa während eines Fußballspiels. Als der Nationalspieler Jérôme Boateng eine Rote Karte gezeigt bekommt, ruft jemand: "Abschieben"! Kleinwächter grinst, macht Witze über Rote Karten, die Geflüchtete an der Grenze zurückhalten könnten. Auch das N-Wort fällt. Und Kleinwächter schreitet nicht ein.
In einem Facebook-Video erklärt der AfD-Europaabgeordnete, er will entweder neben Chrupalla oder Kleinwächter Co-Vorsitzender der Partei werden. Er sagt, er halte beide Kandidaten für sehr geeignet und wolle die Partei wieder zusammenführen.
Vor allem ist Fest bekannt geworden für zweifelhafte Äußerungen in einem Whatsapp-Chat – kurz nach dem Tod von EU-Parlamentspräsident David Sassoli am 11. Januar dieses Jahres.
Damals schrieb Fest: "Endlich ist dieses Drecksschwein weg."
Auch einen Tag vor dem Bundesparteitag ist noch immer unklar, ob der ultrarechte Björn Höcke als Vorsitzender antreten will. Bisher ist er Landeschef der Thüringer AfD.
Zumindest will Höcke, dass die Partei künftig nur noch von einem Chef geleitet wird. Das geht aus einem Antrag hervor, den Höcke gemeinsam mit vier weiteren Politikern zur Satzungsänderung der AfD eingereicht hatte.
Ob er selbst antreten will? Das schließt er zumindest mal nicht aus. Öffentlich festgelegt hat er sich aber noch nicht.
Für Beobachterinnen und Beobachter rechter Netzwerke sind sie eindeutig – für Unbedarfte klingen sie nach einer allgemeinen Äußerung. Die Rede ist von sogenannten "Dog Whistles". Wörtlich übersetzt haben die Hundepfeifen allerdings eine wichtige politische Bedeutung: Geheime Codes in der Sprache.
Solche "Dog Whistles" finden sich im aktuellen Antragsbuch zum Parteitag der Bundes-AfD.
In einem Antrag (offenbar von Ex-Chef Alexander Gauland und dem ultrarechten Björn Höcke gestellt) fallen gleich mehrere Sätze, die solche Codes beinhalten:
In diesem Satz sollten gleich drei Wörter Beobachterinnen und Beobachter aufhorchen lassen:
Auch hierfinden sich wieder "Dog Whistles":
Auf Seite 13 des Antragsbuchs für den AfD-Parteitag findet sich folgender Satz:
Mit einer solchen Aussage machen sich die Antragssteller mit der Propaganda gemein, die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gestreut wird – mit der er auch seinen Angriffskrieg auf die Ukraine begründet: Angeblich müsse die Ukraine von Faschisten befreit werden.
Dass es auch in der Ukraine Ultrarechte gibt, ist natürlich nicht anzuzweifeln. Aber: Die gibt es genauso in Deutschland, in Frankreich, England und eigentlich in jedem anderen Land dieser Erde. Der Extremismusforscher Alexander Ritzmann meint etwa: "Wenn man sagen würde, es gibt in der Ukraine besonders viele Neonazis, ist das auf jeden Fall Propaganda." In Russland gebe es deutlich mehr Neonazis als in der Ukraine, betonte er im Deutschlandfunk.
Als Erklärung für eine Forderung, weiter an russischem Gas festzuhalten und das Aus für die russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream II rückgängig zu machen, steht folgender Satz in einer Resolution:
Hier wird suggeriert, Deutschland könne ohne gute russische Beziehungen wirtschaftlich kaum noch überleben. Eine Erzählung, die Putin natürlich ebenfalls immer wieder nutzt, um Ängste zu schüren. Angst vor einem wirtschaftlichen Totalschaden zu machen, gehört zu den weit verbreiteten Formen der russischen Propaganda im Westen.
Auch dieser Satz sollte hellhörig machen:
Mitglieder der AfD fordern, dass die Stilllegung russischer Medien in Deutschland wieder zurückgenommen wird. In diesem Zusammenhang sprechen sie von einer Zensur, die angeblich in Deutschland stattfinden würde.
Worte, die auch immer wieder aus dem Kreml und Kreml-nahen Kreisen zu hören sind.
Genauso wie der Zensurvorwurf fällt auch der Begriff "manipulitive Feindbilder":
Mit solchen Äußerungen geben die Antragsteller russischen Erzählungen über vermeintliche Gründe des völkerrechtswidrigen Angriffs eine Legitimation. Beiden Seiten zuhören und die Gründe jeder Konfliktpartei verstehen zu müssen, klingt in ordentlichen Auseinandersetzungen vernünftig. Allerdings fußen Putins Erläuterungen zu seinen Kriegsgründen auf Lügen, wie viele Recherchen unterschiedlichster unabhängiger Medien belegen.
Folgende Erklärung findet sich im Antragsbuch auf Seite 15:
Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis, dem unabhängige Staaten freiwillig beitreten können. Mehrere Staaten des früheren Ostblocks, den bis Ende der 80er Jahre die Sowjetunion dominierte, sind diesem Bündnis kurz darauf beigetreten.
Jeder Staat hat sich selbstständig und freiwillig dazu entschieden.
Die russische Führung nutzt seit vielen Jahren folgendes Argument für ihre aggressive Haltung gegen die Ukraine und westliche Staaten: Die Nato sei bis an die Grenzen Russlands vorgerückt, sie kreise Russland ein.
Tatsächlich hat die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymir Selenskij wiederholt erklärt, sie wolle der Nato auf absehbare Zeit beitreten. Aber wie gesagt: freiwillig – ohne Druck des Bündnisses selbst.