Was will die AfD? Also inhaltlich? Das versuchte Dunja Hayali am Mittwochabend im ZDF rauszufinden. Dafür hatte sie den AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen eingeladen. Meuthen diskutierte mit drei von der Hayali-Redaktion ausgewählten Bürgern – dabei kam der Rechtspopulist weitgehend ohne kritische Nachfragen davon.
Das lag zum einen an der Moderatorin Hayali, die sich weitgehend auf ihre Rolle als Vermittlerin zwischen den Gesprächspartnerin beschränkte und so immer wieder auf kritische Nachfragen verzichtete.
Und zum anderen daran, dass sich Meuthen mit zwei Tricks im Bürgergespräch aus der Affäre ziehen konnte.
Meuthen flüchtete bei Kritik an inhaltlichen Widersprüchen in die Opferrolle
Mit dem Unternehmer Michael Raschemann diskutierte der AfD-Politiker über die Energiepolitik. Meuthen warnte davor, dass ein Ausbau der Solarenergie zu Versorgungsproblemen führen würde. "Was machen Sie denn im Winter, wenn keine Sonne scheint?" Raschemann widersprach: "Da kann ich Sie total beruhigen."
Seine Argumentation: Würden nur zwei Prozent der Landesfläche mit Solarkraft-Anlagen bebaut, könnte man bei einer Vollauslastung die dreifache Menge der eigentlich benötigten Energie produzieren. Darauf ging Meuthen nicht ein, beklagte nun die Kosten beim Ausbau der erneuerbaren Energie.
Meuthen darf dozieren, Hayali gibt sich handzahm.zdf-screenshot
Meuthen sieht AfD in Opferrolle – Hayali widerspricht nicht
Hayali zitierte später den BDI-Präsidenten Dieter Kempf – wohl um ein wenig Öl ins Feuer zu gießen. Kempf hatte Mitte August erklärt, dass extremistische Parteien wie die AfD dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden würden. Meuthen behauptete über seine Partei: "Das ist nunmal keine extremistische Partei." Und er munkelte: "Wenn führende Wirtschaftsvertreter, die oft ziemlich stark angepasst sind, angepasst sind an die herrschende Meinung, weil sie es auch sein müssen."
Meuthen beklagte ein "Zerrbild über meiner Partei".
Worauf die ZDF-Moderatorin am Mittwoch offenbar bewusst verzichtete: inhaltlich kritische Nachfragen. Hayali meinte lediglich, das wolle man in der Sendung später besprechen. Doch dazu kam es nie.
Der AfD-Chef durfte bei Hayali weiter in seiner Opferrolle verharren.
Meuthen beharrte auf seinem Standpunkt – und ignorierte die Gegenseite
Die zweite Diskussionsteilnehmerin, die Hamburger Grundschulleiterin Regine Seemann, bemühte sich dann um einen kritischeren Umgang mit dem AfD-Chef. Meuthen sprach sich für das dreigliedrige Schulsystem aus, er kritisierte das Gemeinschaftsschulen-Konzept.
Seemann konterte: "Ich finde es interessant, Herr Meuthen, dass Sie selber ja keinen Einblick in die Schule haben." Der Politiker unterbrach: "Ich war Schulelternsprecher, ich kenne alle Schulformen – über meine Kinder."
Die Hamburger Grundschulleiterin Regine Seemann verteidigte am Mittwochabend das Gesamtschulkonzept, das die AfD ablehnt.zdf-screenshot
Schulleiterin erklärt Meuthen ihre Arbeit – und das mit einer Engelsgeduld
Seemann spitz: "Ich glaube, ich hab da ein bisschen mehr Erfahrung, was das angeht." Meuthen zog sich schnell wieder in seine Opferrolle zurück und beklagte, dass Seemann ihn aus der bildungspolitischen Diskussion ausschließen wolle. Die Schulleiterin erklärte Meuthen wie einem bockigen Kind: "Ich hab nicht gesagt, dass Sie nicht mitreden dürfen. Sie reden ja auch mit."
In ihrer Schule werden auch die fürs Leben nötigen "Soft Skills" vermittelt. Seemann erklärte die Erfolge des Gesamtschulkonzepts in Hamburg.
Darauf ging Meuthen nicht ein, stattdessen beharrte er grummelnd auf seinem Standpunkt: "Wie ist es mit der elementaren Wissensvermittlung? Wie ist es mit MINT-Fächern? Wie ist mit Mathematik? Wie ist mit Physik? Wie ist mit Chemie und solchen Fächern?" Seemann nahm den AfD-Politiker sichtlich nicht ganz ernst: "Also es ist natürlich so, Herr Meuthen, Physik haben wir noch nicht in der Grundschule. Aber ansonsten funktioniert es."
Meuthen erklärte: "Müssten wir vertiefen. Kriegen wir jetzt nicht hin." Und der AfD-Politiker bekam Beistand von Hayali, die die Bildungsdiskussion schnell abmoderierte: "Wir kommen überein, dass wir eben nicht übereinkommen."
Hayali fasste für den Zuschauer den Streit zwischen dem AfD-Politiker und der Bildungsexpertin als "zwei Menschen, zwei Meinungen" zusammen. Ganz so, als sei das Beharren Meuthens auf dem dreigliedrigen Schulsystem, das in den 50iger Jahren in Westdeutschland etabliert wurde, tatsächlich vergleichbar mit den Erfahrungen der Hamburger Schulleiterin.
Auch im Gespräch mit dem dritten Diskussionsteilnehmer, Maximilian Felsner, bemühte sich Meuthen, die Kernaussagen des Mitgründers einer Zeitarbeitsfirma für Geflüchtete zu ignorieren.
Meuthen über die Einwanderung von neuen Fachkräften: "Wir brauchen das auch nicht." Meuthens Forderung: Zunächst sollten Jobs für deutsche Arbeitslose gefunden werden, bevor man sich um die Jobvermittlung von Geflüchteten kümmere. Felsner meinte dazu: "Ich glaube, dass es für Einheimische schon sehr viel Hilfe gibt – und für Geflüchtete eben nicht. Deshalb machen wir unsere Arbeit."
Maximilian Felsner.zdf-screenshot
Als der Unternehmer von den Erfolgen seiner Arbeit berichtete, nannte Meuthen das den "Ideallfall einer etwas konstruierten Win-Win-Situation." Eine Lüge wollte Meuthen Felsner damit nicht unterstellen: "Er wird solche Erfahrungen haben, und dann ist das ja auch schön."
Dann forderte der AfD-Chef aufgrund des demographischen Wandels die Integration hochqualifizierter Fachkräfte: "Aber das ist eine völlig andere Geschichte, als Geflüchtete dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die hier gar keine Bleibeperspektive haben."
Felsner positionierte sich gegenüber Meuthens islamkritischen Aussagen: "Wir haben mit unseren muslimischen Mitarbeitern nicht mehr oder weniger Arbeit als mit anderen Menschen auch. Ich glaube nicht, dass es diese Integrationshürden gibt." Meuthen antwortete nicht.
Handzahm war das. Und kein Einzelfall: Kritische Nachfragen blieben an dem Abend immer wieder aus. Meuthen bedankte sich am Ende des Gesprächs artig für die Einladung, die Diskussion bei Hayali dürfte ganz nach seinem Geschmack verlaufen sein.
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