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Thüringen-Wahl: Zahlen zeigen, woher die Stimmen für Linke und AfD kommen

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Bild: Getty/imago images / Jacob Schröter/VIADATA/watson-montage
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Thüringen: Woher die Stimmen für Linke und AfD kommen – und was sie bedeuten

27.10.2019, 19:4328.10.2019, 07:34
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Dieses Wahlergebnis ist ein Widerspruch: Es zeigt sowohl Zufriedenheit als auch Ablehnung. Auf der einen Seite steht Wahlgewinner Bodo Ramelow, mit dem rund 70 Prozent der Thüringer so richtig zufrieden sind. Knapp die Hälfte von ihnen nehmen ihren bisherigen Landesvater und seine Linkspartei als Vertreter der politischen Mitte war. Sein Wahlergebnis an Sonntagabend (rund 31 Prozent) zeigt dann auch einen klaren Wählerauftrag: Bitte weiter so!

Auf der anderen Seite hat es die AfD auf rund 23 Prozent geschafft und damit sowohl SPD als auch CDU hinter sich gelassen. Message der Wähler: So geht es auf keinen Fall weiter!

Wie gesagt, ein Widerspruch. Einer noch, der zu einer schwierigen Situation führt: Eine stabile Regierung können die Parteien nur mit neuen Partnern und ebenso neuen Varianten des Regierens schaffen:

  • Linke, SPD, Grüne und FDP könnten eine Regierung stellen, falls es die FDP am Ende der Auszählungen überhaupt über die Fünf-Prozent-Hürde des Landtags schafft.
  • Linke und CDU könnten durchaus zusammen regieren – das haben allerdings beide Seiten bisher ausgeschlossen. Der Druck wird jetzt wachsen, diese Meinung zu ändern. 69 Prozent der Wähler wollen, dass beide Parteien noch einmal über eine gemeinsame Regierung nachdenken.
  • Auch diverse Varianten einer Minderheitsregierung wären denkbar.

Aber wie kam es zu dieser Spaltung? Ein Blick auf die Zahlen zeigt es:

Wachsende Wahlbeteiligung begünstigen Linke und AfD

Wie bereits bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg hat sich auch in Thüringen schon sehr früh eine außerordentlich hohe Wahlbeteiligung herauskristallisiert. 65 Prozent der Thüringer gingen an die Urne, 2014 waren es noch 52,7 Prozent. Und ähnlich wie in Sachsen hat das vor allem zu einer Dichotomie in der Parteienlandschaft geführt.

So hat der rechtsradikale Flügel der AfD einen enormen Sprung nach oben gemacht: Ihre Wähler kamen genau wie zuvor in Sachsen vor allem aus dem Nichtwähler-Lager.

200.000 Wähler kam in Thüringen dazu, 80.000 gingen an die AfD:

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Auch profitiert hat laut den Infratest-dimap-Zahlen die regierende Linke unter Bodo Ramelow. Auch sie bekam immerhin knapp 50.000 neue Wähler aus dem Off.

Alle anderen politischen Kräfte konnten wie im Bild zu sehen wesentlich weniger Neuwähler mobilisieren. Und gleichzeitig verloren die "Volksparteien" ihre Wähler sowohl an Linke als auch an AfD.

Hier die SPD:

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Und hier die CDU:

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Schrumpfende Wahlkreise helfen der AfD

Dabei handelt es sich um jene Gegenden in Thüringen, aus denen junge und besser qualifizierte Wählerinnen und Wähler wegziehen. Bereits bei den Europawahlen hat man genau in diesen Wahlkreisen gesehen, zu was das führt: Je mehr Menschen aus einer Region weggehen, desto stärker wird die AfD.

Die schrumpfende Region hier in dunkelrot

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Ard

Die Europawahl zeigte bereits, das hilft der AfD:

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Auch bei dieser Wahl hat die AfD vor allem in diesen Gegenden ihre meisten Wahlstimmen geholt.

Es sind die Gegenden, die übrigens auch erklären, warum die Grünen in Thüringen so schwach sind. Die Öko-Partei ist in Ostdeutschland nämlich vor allem dort stark, wo es einen starken Zuzug gibt. Weil in Thüringen aber so viele ländliche Wahlkreise schrumpfen, können auch die Grünen keine eigenen Hochburgen etablieren.

Fazit

Während die Vertreter der Sozialdemokratie am Wahlabend das Ergebnis vor allem mit der Polarisierung der Wählerschaft erklären, ist das nur ein Teil der Wahrheit. Die Linke um Bodo Ramelow wird von den Thüringern mehrheitlich als Partei der Mitte wahrgenommen.

Dass sich AfD und Linke also sowohl Stimmen von SPD/CDU als auch aus dem Lager der Nichtwähler sichern, zeigt: Die Wähler in Thüringen sind sich zutiefst uneinig darüber, ob sie ihrer bisherigen Regierung vertrauen – oder nicht.

USA: Unternehmen kündigen Preisanstiege wegen Donald Trump an

Am Ende haben nicht Abtreibungen, der Klimawandel oder die Außenpolitik die US-Präsidentschaftswahl entschieden. Wichtigstes Thema waren die Inflation und die Preise. Für 34 Prozent der republikanischen Wähler:innen war es laut einer Umfrage von YouGov ausschlaggebend für die Wahlentscheidung.

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