Die zweite der drei Landtagswahlen im Jahr 2022 steht an: An diesem Sonntag wählen die Menschen in Schleswig-Holstein ihre neue Regierung. Rund 2,3 Millionen Menschen sind wahlberechtigt.
Das sind die 5 wichtigsten Erkenntnisse aus dem Wahlkampf in Schleswig-Holstein:
In Schleswig-Holstein regiert seit 2017 eine Jamaika-Koalition. Das heißt, ein Regierungsbündnis aus CDU, FDP und den Grünen. Ministerpräsident ist der CDU-Mann Daniel Günther – und der ist mit seiner Politik und der in Deutschland einmaligen Koalition offenbar erfolgreich.
Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag des NDR sind 74 Prozent der Menschen in Schleswig-Holstein sehr zufrieden oder zufrieden mit dem Politiker Günther. Auch die gesamte Regierung steht in der Umfrage gut da: Sogar mehr als 70 Prozent der SPD-Wählerinnen und -Wähler sind mit der Jamaika-Regierung zufrieden.
In den Umfragen liegt die CDU mit 38 Prozent vorn. Die SPD liegt weit dahinter mit 19 Prozent. Bei den vergangenen Landtagswahlen erreichten die Sozialdemokraten noch 27,3 Prozent. Die Grünen rangieren auf Platz drei mit 16 Prozent. Die FDP kommt momentan auf 9 Prozent.
Möglich sind nach den aktuellsten Umfragen mehrere Regierungskoalitionen. Den Umfragen zufolge könnte sich die CDU quasi ihren Koalitionspartner aussuchen: Sowohl ein Zweier-Bündnis mit den Grünen, mit der SPD oder sogar mit der FDP würde für eine Mehrheit im Parlament reichen. Eine Koalition aus CDU und SPD ist nach vielen Jahren in der sogenannten Großen Koalition auf Bundesebene politisch gesehen allerdings ziemlich unwahrscheinlich.
Grüne wie FDP bangen momentan also um ihren Platz in der künftigen Regierung.
Wenn die SPD eine Koalition anführen wollte, wäre dies nur in einem Viererbündnis möglich: mit den Grünen, der FDP und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW).
Die CDU – sagt sie zumindest – will Jamaika fortsetzen. Klar, dass die SPD das verhindern will. Die Grünen wollen sich offenhalten, ob sie mit CDU oder SPD koalieren möchten.
In den Umfragen gehen die Werte der verschiedenen Forschungsinstitute bei der Frage nach den wichtigsten politischen Themen in Schleswig-Holstein auseinander.
Laut NDR-Umfrage vom 31. März ist für 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Verkehr und Mobilität das wichtigste Thema. Vor allem junge Menschen sind meist vom öffentlichen Nahverkehr abhängig – dieser steht im nördlichsten Bundesland Deutschlands allerdings weder flächendeckend noch regelmäßig zur Verfügung. Danach kommt die Energiepolitik.
Das aktuell wichtigste Problem im Land ist laut ZDF-Politbarometer vom 29. April das Thema Energiepolitik und Umweltschutz, 25 Prozent der Befragten finden dieses Thema besonders wichtig. Darauf folgten Infrastruktur mit 18 Prozent, Verkehr (zwölf Prozent), Bildung und Schule (zwölf Prozent), Inflation/ Benzinpreise (neun Prozent) und Mieten beziehungsweise der Wohnungsmarkt (neun Prozent).
In ganz Schleswig-Holstein fehlen laut Landesverband des Deutschen Mieterbundes rund 100.000 Wohnungen. In der Pflege sind laut Bundesagentur für Arbeit 569 Stellen unbesetzt. Die gestiegenen Benzinpreise sind in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein vor allem für Menschen, die weite Wege mit dem Auto zurücklegen müssen, eine Belastung.
CDU-Landeschef Daniel Günther muss sich um sein Amt wenig sorgen. Er ist der beliebteste Politiker in Schleswig-Holstein. Laut Infratest ist er sogar der beliebteste Ministerpräsident deutschlandweit. "Kurs halten" ist sein Wahlkampfmotto.
Er selbst schreibt auf seiner Website, die CDU sei die Partei für innere und äußere Sicherheit – er will deshalb den Verfassungsschutz und die Polizei stärken und moderner ausrüsten. Was den Wohnungsmarkt angeht, ist Günthers Motto: "Bauen, bauen, bauen." Beim Thema Umwelt- und Klimaschutz geht er mit den Grünen auf Kuschelkurs: Er will noch schneller, noch mehr Erneuerbare schaffen.
Könnten die Menschen in Schleswig-Holstein ihren Regierungschef direkt wählen, würde der Amtsinhaber auf 61 Prozent kommen.
Auch Thomas Losse-Müller von der SPD hat bereits Regierungserfahrung. Bis 2017 war er unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) Staatssekretär, allerdings war er damals noch Grünen-Politiker. 2020 verließ er die Partei. Losse-Müller will mit "frischen Ideen" punkten. Er will Schleswig-Holstein sozialer, wirtschaftlich erfolgreicher und ökologischer regieren. Mit einer zusätzlichen Milliarde Euro will Losse-Müller mehr für den Klimaschutz tun. Bis 2040 will er das Bundesland klimaneutral machen und dafür einen Klimaplan vorlegen. Außerdem will er eine Landesinfrastrukturgesellschaft gründen, die sich um den Ausbau von E-Ladesäulen und um neue Wärmenetze in Schleswig-Holstein kümmert.
Könnten die Menschen in Schleswig-Holstein ihren Regierungschef direkt wählen, würde Thomas Losse-Müller 9 Prozent erreichen.
Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold hat ebenfalls Erfahrung in einer Regierung: Sie ist Finanzministerin im aktuellen Jamaika-Bündnis, jetzt will sie ihren Regierungschef herausfordern. Klimaschutz, Bildungspolitik und Steuerpolitik sind für Heinold eine Frage der Generationengerechtigkeit. Mit einem 50 Millionen-Euro-Programm will sie für klimaneutrales Wohnen und Mobilität sorgen. Klimaschutz ist ihr Thema schlechthin, deshalb sagt sie auch selbst: "Ich mache Klimaschutz zur Chefinnensache." Auf ihrer persönlichen Website schreibt sie: "Ich stehe für eine Politik, die nachhaltig handelt." Beim Thema schneller Ausbau erneuerbarer Energien ist Heinold sich mit ihrem Kontrahenten Günther offenbar recht einig.
Könnten die Menschen in Schleswig-Holstein ihre Regierungschefin direkt wählen, würden sich 10 Prozent für Monika Heinold entscheiden.
Günther (CDU), Losse-Müller (SPD) und Heinold (Grüne) trafen sich am Mittwoch zu einem TV-Triell, das vom NDR organisiert wurde. Dabei spürten Zuschauende förmlich die Vertrautheit der drei untereinander. Sie gingen fair, sachlich und freundlich miteinander um. Die aktuelle Finanzministerin Heinold arbeitet seit 2017 eng mit dem Ministerpräsidenten Daniel Günther zusammen. Mit Thomas Losse-Müller war sie lange Zeit in derselben Partei, er war bis 2017 ihr Staatssekretär.
Die drei fielen sich kaum ins Wort, meist widersprach man sich, wenn man explizit danach gefragt wurde.
Andererseits machen die drei auch Wahlkampf. Das bedeutet: Sie attackierten ihre Kontrahenten und deren Partei hin und wieder – allerdings in einem respektvollen Ton.
Heinold wirft Günther beispielsweise ein leeres Wahlversprechen vor. Dabei geht es um ein mobiles LNG-Gas-Terminal in Brunsbüttel. In einer Mitteilung schreibt Heinold: "Auch wir Grüne wollen so schnell wie möglich ein mobiles LNG-Terminal in Brunsbüttel realisieren, um die fatale Abhängigkeit von russischem Erdgas zu beenden. Aber diese Aussage von Daniel Günther ist sehr sportlich und erinnert an sein leeres Wahlversprechen zum A20-Ausbau." Auch dass die CDU unter Günther die Grunderwerbssteuer senken will, ist für Heinold ein Versprechen, das zu hoch gegriffen ist.
Ministerpräsident Günther attackierte beim TV-Duell den SPD-Kandidaten Losse-Müller, indem er ihm wiederum leere Wahlversprechen vorwirft. Losse-Müller will beispielsweise durch eine staatliche Landesinfrastrukturgesellschaft ein flächendeckendes Netz aus E-Ladesäulen und neue Wärmenetze bauen. Das sei nicht einzuhalten, sagt Günther. "Das Geld ist an der Stelle nicht da."
"Immer, wenn etwas nicht läuft, dann war es die Vorgängerregierung – das ist ein relativ typischer Satz, den wir sehr oft von Herrn Günther hören", sagt der SPD-Kandidat Losse-Müller in dem TV-Triell. Günther habe versprochen, dass die Autobahn A20 weitergebaut wird, weil er gedacht habe, es besser zu können als die SPD. Doch hier habe sich nichts getan. Dasselbe gelte auch für das Thema Lade-Infrastruktur.
Insgesamt gibt es allerdings bei den drei konkurrierenden großen Parteien wenig Streitpotenzial. Vor allem die Grünen wollen es sich mit beiden potenziellen Koalitionspartnern SPD und CDU nicht verscherzen.