Sie tragen schwarze Kapuzen, entzünden Holz, Müll und Scooter, schimpfen auf die Polizei: An diesem Samstag haben sich Anhänger der "Gelbwesten"-Bewegung auf dem Place d'Italie in Paris versammelt und das getan, was sie groß und bekannt gemacht hat: Chaos veranstalten.
Vermummte lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Die wiederum setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Dieser Samstag ist für die "Gelbwesten"-Bewegung kein gewöhnlicher Tag. Am 17. November 2018 gingen offiziellen Zahlen zufolge mehr als 280.000 Menschen in ganz Frankreich auf die Straße. Es war die Geburtsstunde der "Gelbwesten", die erste große Mobilisierung einer Bewegung, die das Land verändern sollte.
Was ist übrig geblieben vom Protest?
An diesem Samstag aber boten die "Gelbwesten" kein beeindruckendes Bild wie vor einem Jahr. Auf der Prachtmeile Champs-Élysées und anderen Orten in der Hauptstadt waren Demonstrationen verboten.
Die "Gelbwesten" wichen in den Süden der Stadt aus – wo die Lage am Vormittag schnell eskalierte. Für Nachmittag war hier eine Demonstration angemeldet. Die Polizei verlangte die Absage der Demo. Gelbe Westen, die der Bewegung ihren Namen verliehen, muss man auf Bildern und Videos vom Place d'Italie oft lange suchen. Die Randalierer bestimmten zunächst das Geschehen.
Nach offiziellen Angaben des Innenministeriums gingen in ganz Frankreich am Samstag 28.000 Menschen auf die Straße. In Paris waren es lediglich 4700.
Es passt ins Bild: Die "Gelbwesten"-Bewegung hat in Frankreich rapide an Zulauf verloren.
Laut einer Umfrage für den französischen Sender BFMTV wünschen sich 63 Prozent der befragten Menschen in Frankreich kein Wiederaufflammen der "Gelbwesten"-Proteste.
Die "Gelbwesten" haben ihren Einfluss zudem nicht in politische Teilnahme ummünzen können. Listen aus dem Umfeld der "Gelbwesten" spielten bei der Europawahl im Mai dieses Jahres keine Rolle.
Ist die Bewegung also gescheitert?
Nein, nicht ganz. Blicken wir kurz zurück...
Bekanntermaßen Auslöser der "Gelbwesten"-Proteste war: Der Sprit sollte teurer werden. Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron erhöhte 2018 die Steuern für Diesel sowie Benzin und plante weitere Erhöhungen.
Die Proteste der "Gelbwesten" waren aber zugleich so viel mehr als nur der Aufschrei von Autofahrern. Die Wut auf Macron und seine als abgehoben empfundene Politik, die Wut auf "die da oben" im fernen Paris – all das regte die Menschen so sehr auf, dass sie sich gelbe Warnwesten überzogen, Kreisverkehre und Straßen blockierten und jeden Samstag ihren Ärger in die Hauptstadt trugen.
Und der Protest zeigte Wirkung: Nachdem Anfang Dezember Randalierer die Fassade des berühmten Triumphbogens in Paris beschädigt und die Welt einmal mehr besorgt auf Frankreich geblickt hatte, war Marcon eingeknickt. Der Präsident gestand in einer Fernsehansprache Fehler ein, bremste sein Reformvorhaben ab, versprach kostspielige Maßnahmen für Geringverdiener und rief zur "Grand Débat" auf, einer Art nationalen Gesprächstherapie.
Das also haben die "Gelbwesten" bewirkt:
Die "Gelbwesten"-Proteste haben die Agenda der französischen Regierung verändert.
Eric Bothorel, Abgeordneter von Macrons Partei La République en Marche (LREM), sagte dem Sender Euronews, die Bewegung habe die parlamentarische Agenda des vergangenen Jahres "völlig durcheinander gebracht". Tatsächlich ist der Reformeifer der Regierung stark gebremst, auch wenn als nächstes Macrons große Renten-Reform ansteht, die vielen nicht gefallen wird.
Auch der Stil Macrons habe sich geändert. Ihm kämen keine abschätzigen Sprüche mehr über "Faulpelze" über die Lippen, erklärt Frank Baasner, Leiter des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg, der Deutschen Presse-Agentur.
Die "Gelbwesten" sind zudem in ganz Europa zu einem Symbol für jenen Teil der Bevölkerung geworden, der dem Klimaschutz und seinen Kosten skeptisch gegenüber steht. Wann immer Politiker über teure Maßnahmen sprechen, mahnen Skeptiker unter Berufung auf die "Gelbwesten" zur Vorsicht. Die "Gelbwesten" dienen als rhetorischer erhobener Zeigefinger: Man solle den Menschen nicht zu viel zumuten, sonst drohen Chaos und Krawalle, so das Argument. Wenn die Politiker der CDU und der CSU ihre Vorsicht beim Klimapaket erklärten, dann hatten sie die brennenden Barrikaden in Frankreich vor Augen. In diesem Sinne reichte der Einfluss der "Gelbwesten" über die Staatsgrenzen Frankreichs hinaus.
Dabei sind die "Gelbwesten" ein französisches Phänomen geblieben. Trotz der versuchten Vereinnahmung durch die AfD oder AfD-naher Gruppen und auch durch die Linkspartei gibt es in Deutschland keine nennenswerte "Gelbwesten"-Gruppierung.
Was die "Gelbwesten" nicht geschafft haben
Sie spielen in Deutschland und im Rest Europas nur eine Rolle, insofern sie als mahnendes Beispiel angeführt werden können. Ableger außerhalb Frankreichs und Belgiens sind unbedeutend.
Das liegt unter anderem auch daran: An das friedliche Bild der "Gelbwesten" kann sich kaum noch jemand erinnern. Hunderttausende gingen Ende 2018 auf die Straße, ohne Fenster einzuschlagen oder Polizisten mit Steinen zu bewerfen. Doch die Randalierer, Teil rechts- und linksradikaler Gruppen, blieben in Erinnerung.
Macrons Eifer haben sie mit der Gewalt nur kurz gebremst. Der französische Präsident mag seinen Stil und seine Maßnahmen etwas abgewandelt haben, seine Ambitionen sind geblieben. Die jüngste verbale Attacke auf die Nato etwa zeigt: Macron ist kein Stückchen kleinlaut geworden.
Die blutige Bilanz der "Gelbwesten":
Der US-Sender CNN zählt 2400 verletzte Demonstranten, 1800 verletzte Polizisten und elf Tote, hauptsächlich umgekommen bei Verkehrsunfällen. Die "Gelbwesten"-Bewegung spricht von 24 Personen, die während der Proteste durch Polizeigewalt ein Auge verloren hätten.
Aber so wirklich zufrieden sind die Franzosen nicht mit Macron. Zwar haben sich seine Beliebtsheitswerte erholt, allerdings geben 64 Prozent der Befragten in einer Umfrage für die Zeitung "Le Figaro" und den Sender Franceinfo an: Macron und die französische Regierung hätten die "Gelbwesten" nicht genug berücksichtigt. 69 Prozent sind gar der Meinung: Gerechtfertigt sei die Bewegung noch immer.
Auch wenn sich die Franzosen keine Bilder von Gewalt und Chaos mehr wünschen, die Unzufriedenheit ist ein Jahr nach Auftauchen der "Gelbwesten" nicht verschwunden.
Im Austausch für Soldaten: Russland liefert Nordkorea heimlich wertvolle Güter
Die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und dem abgeschotteten Nordkorea hat sich offenbar intensiviert. Erst am 4. November besuchte Nordkoreas Außenministerin Choe Son Hui Moskau. Dabei traf sie sich mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und unterstrich die Zusammenarbeit.