Um Bücher geht es bei der Frankfurter Buchmesse längst nicht mehr. Seit die Autorin Jasmina Kuhnke ihre Teilnahme wegen der Präsenz rechter Verlage abgesagt hat, ist eine Debatte über demokratische Grundwerte entbrannt. Solange sich Verlage im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, könnten diese auf der Messe auch ausstellen. Das teilten die Veranstalter am Mittwoch zur Eröffnung mit.
"Das Verbot von Verlagen und Verlagserzeugnissen obliegt in unserem Rechtsstaat den Gerichten, und nicht einzelnen Akteur*innen wie der Frankfurter Buchmesse", dozieren die Verfasser. Heißt im Klartext: Die von Kritikern als rechtsextrem bezeichneten Verlage bleiben.
Konkret geht es um den "Jungeuropa-Verlag" des rechtsextremen Aktivisten Philip Stein, um den Verlag "Oikos", der von einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen "Identitären Bewegung" betrieben wird und um den "Karolinger Verlag", der faschistische Autoren veröffentlicht.
Die Politologin und Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl wendet auf Twitter ein, ein Ausschluss von der Buchmesse sei kein Verbot. Daniel Schwerd, Politiker der Linken, wirft der Buchmesse vor, nicht wie behauptet für Toleranz einzustehen. "Sie geben ihnen Raum und normalisieren sie", sagt er mit Bezug auf die "rechtsextremen und rassistischen Positionen" der Verlage.
Vor allem die Teilnahme des "Jungeuropa-Verlages" stört die Autorin Jasmina Kuhnke. Am Montag schrieb sie in einem Statement über dessen Verleger Philip Stein:
Der Verlag nannte die Vorwürfe auf Twitter "absurd".
Verleger Philip Stein, der am Mittwoch für eine kurzfristige watson-Anfrage nicht zu erreichen war, war in der Vergangenheit im mehreren rechten und rechtsextremen Zusammenhängen aktiv.
Einem Bericht der "taz" zufolge trat er 2016 bei einer Veranstaltung des NPD-nahen Magazins "Umwelt und Aktiv" als Redner auf. Das Leser- und Autoren-Treffen habe im Tagungszentrum der Gedächtnisstätte Guthmannshausen in Thüringen stattgefunden: "Zu den Gründern der Gedächtnisstätte gehört die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck", schreibt Autor Andreas Speit.
Ein Blick in das Blog des "Jungeuropa-Verlages" offenbart ein Weltbild, das sich den verschiedensten politischen Denkrichtungen bedient, um am Ende in den herkömmlichen rechten Parolen zu münden.
Selbst Karl Marx und Friedrich Engels, die Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus, werden herangezogen. Ein Herr Peter Backfisch schreibt über Engels:
In einem Nachruf auf den ehemaligen Chefredakteur der rechten Postille "Zuerst" schwelgt der Verfasser in revolutionären Erinnerungen: "Wieder einmal saßen wir in seinem Büro zwischen Hisbollah-Flagge und dem Hindenburg-Ludendorff-Gemälde, es gab Cognac... ."
An anderer Stelle wird noch ein bisschen über die "Lifestyle-Linke" geschimpft, dazu noch ein wenig Anti-Flüchtlings-Rhetorik.
Der "Oikos Verlag" wird von einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung betrieben. Der "Karolinger Verlag" verbreitet reaktionär-monarchistische Inhalte. Alle vier Verlage wurden am Mittwoch um eine Stellungnahme gebeten, Antworten stehen noch aus.
Zwar konzentriert sich die aktuelle Kritik auf die rechten Verlage. Aus Gründen: In den vergangenen Jahren hatte es auf der Frankfurter Buchmesse wiederholt Vorfälle mit rechten Aktivisten gegeben. Aber auch andere Teilnehmer sollten Verfechter von Demokratie und Meinungsfreiheit aufhorchen lassen – so ist mit der "China International Publishing Group" auch ein Verlag der regierenden Kommunistischen Partei Chinas vertreten.
"Reporter ohne Grenzen" schreibt über den Stand der Pressefreiheit in dem Land: "Chinas Medien unterliegen strikter Zensur und werden mit täglichen Direktiven zentral gesteuert ... Dutzende (Bürger-)Journalist*innen sind unter teils lebensbedrohlichen Bedingungen inhaftiert." Proteste gegen die Teilnahme des Verlages blieben bislang aus.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, auch der "Ahriman Verlag" sei auf der Buchmesse vertreten. Dazu teilt der Verlag mit: Wir nehmen aus folgenden Gründen nicht an der Buchmesse teil, weil wir 1. uns nicht zum Affen der Corona-Diktatur machen lassen, und 2. unser Geld für eine Farce, die sich "Buchmesse" nennt, aber nur ein Hohn ist, zu schade ist.