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Obama-Berater: Trump hat jetzt noch genau eine Chance

WASHINGTON, DC - OCTOBER 05: U.S. President Donald Trump gestures on the Truman Balcony after returning to the White House from Walter Reed National Military Medical Center on October 05, 2020 in Wash ...
Inszenierte seine Rückkehr ins Weiße Haus als Triumphzug: US-Präsident Donald Trump.Bild: Getty Images North America / Win McNamee
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Wahlkampf-Stratege: Donald Trump braucht eine Comeback-Story à la Rocky Balboa

Alle Zahlen sprechen gegen Donald Trump. Doch laut Wahlkampf-Experte Julius van de Laar bleibt Trump noch ein letzter Strohhalm: eine Comeback-Story.
08.10.2020, 15:5708.10.2020, 18:55
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Drei Zahlen machen die aktuelle Misere von Donald Trump deutlich: In den Umfragen liegt er konstant ungefähr acht Punkte hinter Herausforderer Joe Biden, teils sogar mehr. 210.000 Tote durch Corona zeugen von schlechtem Krisenmanagement. Und die "New York Times" legte kürzlich offen, dass der US-Präsident in einem Jahr weniger Steuern gezahlt hat als der durchschnittliche deutsche Arbeitnehmer in einem Monat: Ganze 750 Dollar waren es im Wahljahr 2016.

Und es kommt noch dicker: Viele prominente Stimmen stellen sich in der heißen Phase des US-Wahlkampfs auf die Seite des Demokraten Biden und machen ihre Wahlentscheidung öffentlich. So auch Country-Superstar Taylor Swift, die am Mittwoch offiziell ihre Unterstützung für Biden erklärte:

Auch wenn der amerikanische Präsident seine Corona-Erkrankung anscheinend überraschend gut weggesteckt hat, steht er nun vor der großen Herausforderung, die öffentliche Meinung im Präsidentschaftswahlkampf entscheidend zu drehen. Laut Wahlkampf-Stratege Julius van de Laar hat er aber noch einen letzten Strohhalm – und der hat mit seiner Corona-Erkrankung zu tun.

Trump hat seine erste Chance beim TV-Duell nicht genutzt

Wahlkampf-Stratege Julius van de Laar war 2008 und 2012 an den Wahlkämpfen des demokratischen US-Präsidenten Barack Obama beteiligt. Heute berät er Politiker und Medien zum Thema Wahlkampf. Er kennt den US-Wahlkampf aus eigener Erfahrung und weiß, welche Möglichkeiten die TV-Debatten für die Kandidaten und Parteien bieten. Seiner Meinung nach hat Donald Trump seine Chance während des ersten TV-Duells nicht genutzt:

"Joe Biden lag das gesamte Jahr über durchschnittlich zwischen sechs und acht Punkten vor Präsident Trump. Das zeigt, dass die Wähler ganz genau wissen, wer Trump ist. Er hatte während des ersten TV-Duells die Chance, sich vor den 100 Millionen Zuschauern noch einmal auf eine andere Art und Weise zu präsentieren. Aber auch dort haben die noch zwölf Prozent Unentschlossenen mehr von dem gesehen, was sie bereits von Präsident Trump wussten."

Bei dem öffentlichen Aufeinandertreffen der Präsidentschaftskandidaten im TV ist es eben nicht nur wichtig, die eigenen Unterstützer mit besonders zugespitzten Äußerungen zu mobilisieren, sondern auch unentschlossene Wähler zu erreichen, seine eigenen Themen zu platzieren und eine eigene Geschichte zu erzählen.

Trump hat jetzt noch eine Chance: seine eigene Comeback-Story zu erzählen

Das hat Trump laut van de Laar nicht geschafft, dafür bietet sich jetzt ihm zufolge eine andere Chance für den US-Präsidenten:

"Der Amtsinhaber hat bei der vergangenen TV-Debatte die Chance verpasst, die Dynamik des Rennens zu ändern. Direkt nach dem ersten Duell schien er ohne Optionen. Seine Corona-Erkrankung und die vermeintliche Wunderheilung, die anschließend von seinem Team inszeniert wurde, hat ihm aber eine Möglichkeit gegeben, seine eigene Comeback-Story zu erzählen."
Kennt den US-Wahlkampf von innen: Wahlkampf-Stratege Julius van de Laar.
Kennt den US-Wahlkampf von innen: Wahlkampf-Stratege Julius van de Laar.Bild: www.imago-images.de / bimago stock&people

Und so eine Comeback-Story hat in der US-amerikanischen Gesellschaft einen besonderen Status, meint Julius van de Laar, der ab 2003 einige Jahre in den Staaten lebte, studierte und im politischen Bereich arbeitete. Seine These: Eine neue Erzählung von Trumps Corona-Wunderheilung könnte den US-Präsidenten noch einmal neu erfinden.

"Kaum eine Geschichte ist in Amerika positiver behaftet als die 'Comeback Story'. Das gilt für den Sport, für Hollywood — man denke nur an Rocky gegen Ivan Drago — aber eben auch für die Politik. Präsident Trump könnte sich als denjenigen inszenieren, der Corona besiegt hat."

In gewisser Weise haben Donald Trump und sein Team schon angefangen, diese Geschichte zu erzählen. In einem pathetischen Video inszenierte Trump am Montag seine Rückkehr aus der Klinik ins Weiße Haus. Corona sei nicht so schlimm, wenn man stark genug sei, überstehe man die Krankheit auch mal schnell in drei Tagen, so die nicht allzu subtile Botschaft.

Auch hinsichtlich eines anstehenden zweiten TV-Duells mit Joe Biden wäre eine neue Erzählweise laut Julius van de Laar sinnvoll. Zumindest, wenn dieses überhaupt zustande kommt, schließlich drohte Trump am Donnerstag mit einem Boykott eines virtuellen TV-Duells. In den vergangenen Wochen hatten sich die Medien und sein Kontrahent Biden auf ihn als Person eingeschossen und die Wahl zu einer Abwahl eines inkompetenten Präsidenten erklärt. Ein neues Narrativ könnte Trump hier helfen:

"Trump steht mit dem Rücken zur Wand. Deshalb versucht er, die Debatte wegzulenken von einer Abstimmung über seine Person. Stattdessen will er die Leute vor die Wahl stellen: 'Alle diejenigen, die stark sind, schaffen es – wie ich – Corona innerhalb von ein paar Tagen zu überwinden. Amerikaner, die stark sind, werden mich wählen, für die Wirtschaft, für die Öffnung der Gesellschaft. Schwache Amerikaner hingegen stimmen für Biden. Denn Joe Biden wird einen Maskenzwang einführen und die Wirtschaft zum kompletten Erliegen bringen.'"

Ob ihn das noch mal in eine zweite Amtszeit retten wird, bleibt offen. Auch die Zahlen können hier nur Ansatzpunkte liefern. Denn auch bei der letzten US-Wahl sah es bis zuletzt noch so aus, als ob Hillary Clinton klar gewinnen würde. Am Ende hieß der Sieger trotzdem Donald Trump.

USA: Wie funktioniert der Kongress?

Im November wählen die USA nicht nur alle vier Jahre eine:n neue:n Präsident:in, sondern auch einen Teil des Kongresses. Oft steht dieser in den Schlagzeilen, weil er beispielsweise bestimmte Gesetze blockiert. Auch reisen immer wieder ausländische Staatsoberhäupter an, um vor dem US-Kongress zu sprechen.

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