"Wann Bubatz legal", war wohl die regelmäßigste Frage, die die Bundesregierung in den vergangenen beiden Jahren gehört hat. Dicht gefolgt von Fragen zu Ampel-Streitereien oder dem russischen Angriffskrieg. Zumindest auf die Frage nach der Cannabis-Legalisierung gibt es mittlerweile eine klare Antwort: Sie kommt. Wenn auch anders, als gedacht.
Aus dem Eckpunktepapier, das Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Frühjahr vorgestellt haben, ist mittlerweile ein vom Kabinett beschlossener Gesetzentwurf geworden. Konkret bedeutet das:
Begründet wird der Vorstoß von Lauterbach auch mit Kinder- und Jugendschutz, sowie Gesundheitsschutz. Denn: Kaufen Konsumierende ihr Weed auf dem Schwarzmarkt, wissen sie nicht, was alles drinsteckt.
Immer häufiger fallen beispielsweise Blüten auf, die einen extrem hohen THC-Gehalt aufweisen – oder auch welche, die mit sogenannten synthetischen Cannabinoiden gestreckt werden.
Ein Problem, wie Janis Schneider von der Berliner Präventionsstelle gegenüber watson klarstellt. Er sagt:
In der Suchtprävention geht es genauso wie bei der akzeptierenden Drogenarbeit um sogenannte "Harm Reduction", also Schadensbegrenzung. Denn wie Schneider erklärt: Konsum ist immer riskant, es gibt aber Möglichkeiten, das Risiko zu minimieren.
Dazu gehört auch Konsumkompetenz. Also das Wissen darüber, was die Substanzen im eigenen Körper anstellen, wie sie wirken, welche Folgen sie haben können. Bei einem Produkt, bei dem klar ist, was drinsteckt, ist das natürlich einfacher nachzuvollziehen, als bei Blüten vom Schwarzmarkt.
Was aus Sicht des Suchtexperten aber auch klar ist: Für Konsum und Rausch gibt es Gründe. Das kann zum Beispiel die Experimentierfreudigkeit der Jugend sein. Worum es nun also gehe, sei mögliche Gesundheitsschäden zu verringern. Auch deshalb ist Schneider im Großen und Ganzen zufrieden mit dem Gesetzentwurf. Er sagt:
Was es aber aus Sicht Schneiders zwingend brauche, sei ein schlüssiges Gesamtkonzept. Es dürfe nicht nur um die Freigabe des Cannabis gehen, sondern all das müsse in eine große Kampagne eingebettet werden. Genau das plant auch der Gesundheitsminister.
Mit kecken Sprüchen macht das Gesundheitsministerium etwa auf Instagram auf mögliche Folgen von Cannabis-Konsum für junge Menschen aufmerksam. Aus Sicht von Schneider zunächst einmal ein guter Ansatzpunkt, wie wirksam die Kampagne ist, müsse überprüft werden. Allein darauf zu setzen, reiche aber bei weitem nicht aus.
Vielmehr müsse die Aufklärung auch dort stattfinden, wo sich Jugendliche aufhalten: in den Schulen, in den Jugendklubs. Das passiere auch heute schon. Schneider berichtet, dass er und sein Team fast täglich Kurse an Berliner Schulen geben. Dass das neue Gesetz auch den Jugendschutz in den Fokus nehmen möchte, findet der Experte deshalb gut. Was es aber brauche, um das auch großflächig bewerkstelligen zu können, sei Geld.
Ein Punkt, der auch Katharina Tietz, Geschäftsführerin von Chill Out – eine Fachstelle für Konsumkompetenz in Potsdam – wichtig ist. Prävention und deren Finanzierung, meint sie, müssten wichtigerer Punkte innerhalb der Drogenpolitik werden.
Was aus ihrer Sicht außerdem nicht klar wird: Wie soll mit minderjährigen Konsument:innen umgegangen werden? Cannabiskonsum startet oftmals nicht erst ab 18 Jahren. Im schlimmsten Fall würde der Konsum von Schwarzmarkt-Cannabis also nur auf jüngere Menschen verschoben.
Aus Sicht des Deutschen Hanfverbandes könnte der Schwarzmarkt nur ausgetrocknet werden, wenn es tatsächlich zu einem frei regulierten Markt käme – so wie es die Ampel zu Beginn geplant hatte. Die Problematik hierbei: Ein solcher Vorstoß verstößt aktuell noch gegen geltendes EU-Recht.
"Legaler Eigenanbau und die Anbauvereine sind zwar auch Meilensteine auf dem Weg zu einer modernen Cannabispolitik, aber sie werden allein die Nachfrage nicht decken können", erklärt ein Sprecher des Vereins auf watson-Anfrage.
Aus Sicht von Tietz wäre es wichtig, dass die Gesellschaft insgesamt einen Blick darauf hat. Alles in allem begrüßt aber auch Tietz den Vorstoß der Regierung. Denn: "Es wird die Lebensrealität vieler Menschen anerkannt. Konsum findet überall statt."
Gerade mit Blick auf die Risikominimierung sei natürlich Gras, das aus eigenem Anbau stammt oder aus einem Cannabisklub, um Längen besser als das von der Straße. Denn dann wüssten Konsumierende, was wirklich drinsteckt.
Was für Tietz aber noch zu schwammig formuliert ist, sind die Obergrenzen. Denn sie verstehe nicht, warum Menschen drei Pflanzen besitzen dürften – von denen bei einem grünen Daumen mehr als 50 Gramm abfielen – aber nicht so viel erwerben dürfen.
Aus Sicht von Janis Schneider von der Berliner Stelle für Suchtprävention ergibt sich aus dem Gesetzentwurf zudem noch keine finale Erklärung, inwiefern Jugend- und Gesundheitsschutz, sowie Prävention in den Cannabis-Vereinen umgesetzt werden sollen. Plan des Gesetzgebers ist es, dass Personen für diese Posten ernannt werden. Er merkt an:
Als Nächstes würde sich Tietz von der Konsumkompetenzstelle wünschen, dass auch bei anderen illegalen Substanzen die Realität des Konsums stärker in den Fokus gerate. Ihr geht es nicht darum, dass alle harten Drogen legalisiert werden, stellt sie klar. Wichtig sei allerdings eine ideologiefreie Debatte. Und eine Entstigmatisierung, denn nur so könnten Prävention und Konsumkompetenz vorangetrieben werden.